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Nach Corona keine Zeit mehr für Tiere

Aufnahmestopp: Goslarer Tierheim nimmt keine Hunde mehr auf

Hundewelpen sind niedlich, aber sie werden erwachsen. Wer sich ein Tier anschafft, sollte sich der Verantwortung, die er übernimmt, bewusst sein. Foto: Pixabay

Hundewelpen sind niedlich, aber sie werden erwachsen. Wer sich ein Tier anschafft, sollte sich der Verantwortung, die er übernimmt, bewusst sein. Foto: Pixabay

Im Goslarer Tierheim werden immer mehr Hunde abgegeben. Viele, die sich in der Coronazeit einen Welpen gekauft haben, stellen nun fest, dass das Tier pubertiert. Auch entfällt für viele das Home Office, das Tier bleibt neun Stunden und mehr allein.

Dienstag, 02.08.2022, 06:00 Uhr

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Goslar. „Guten Tag, ich muss meinen Hund abgeben.“ Sabine Reichardt, Vizevorsitzende des Tierschutzvereins, hört diesen Satz im Goslarer Tierheim nahezu täglich, oft mehrmals am Tag. Viele, die sich in der Coronazeit einen niedlichen Welpen oder ein süßes Kätzchen angeschafft hatten, wollen die nun größer gewordenen Tiere nicht mehr haben.

„Hunde, die als Welpen angeschafft wurden, entwickeln nun pubertierende Angewohnheiten und sind ohne Erziehung nicht mehr zu bändigen“, schildert Reichardt die Situation. „Es kommt zu Beißvorfällen. Der Hund muss sofort weg. Anfallende Tierarztkosten können oft sehr hoch sein.“ Viele merken auch, dass sie keine Zeit mehr für ihren Hund haben. Homeoffice ist Geschichte, der Hund muss plötzlich neun Stunden alleine bleiben. Das funktioniert in der Regel nicht. Der Hund bellt oder zerstört Gegenstände.

„Die Anschaffung eines Hundes bedeutet Verantwortung, und zwar ein Tierleben lang. Jeder sollte sich vorher genau überlegen, ob er dieser Verantwortung gerecht werden kann“, mahnt Reichardt. „Denn sowohl Hunde als auch andere Haustiere haben eigene Bedürfnisse, stellen Anforderungen. Hunde reagieren dann auch negativ, wenn sie falsch und nicht artgerecht betreut werden.“ Hilfe bei Hundeerziehungsberatern suchten die Betreffenden – wenn überhaupt – oft zu spät und nur kurzfristig. Denn das Abtrainieren unerwünschten Verhaltens der Hunde sei zeitaufwendig und brauche Geduld und Konsequenz.

Aufnahmestopp für Hunde aus Privathand

Die Folge: „Unser Heim kann zurzeit keine Abgabehunde aus privater Hand aufnehmen. Wir sind an der Kapazitätsgrenze.“ Aktuell leben sieben Vermittlungshunde im Heim, einige seit Jahren, denn sie sind wegen ihres Wesens nicht leicht vermittelbar. „Durch das große Angebot von Welpen, teilweise auch illegal und unseriös, sind Tierheimhunde mit oft unbekanntem Vorleben unattraktiv geworden,“ sagt Reichardt.

In den Ferien betreut das Heim zurzeit bis zu vier Pensionshunde, sodass das Hundehaus mit 13 Boxen fast voll ist. Für Fundhunde aus Goslar und Seesen muss das Heim vertragsbedingt weitere Boxen freihalten. Über die Aufnahme von Tieren, die über das Veterinäramt fortgenommen werden, entscheidet das Heim nach Kapazität. Das Amt könne aber auch andere Heime ansteuern. „Um unsere Kapazitäten im Hundebereich zu vergrößern, arbeiten wir mit Hochdruck am Umbau des alten Hundehauses. Wir stellen uns dieser finanziellen Herausforderung“, so Reichardt.

Nicht nur bei Hunden haben die Abgabeanfragen extrem zugenommen. Auch Katzen und Kleintiere könne und wolle man nicht mehr aufnehmen, macht Reichardt deutlich. Und dass die Abgabe eines Tieres im Tierheim kostenpflichtig ist, wollen manche Menschen gar nicht glauben. „Das ist doch ihre Aufgabe als Tierheim, das Tier aufzunehmen“, bekommen die Mitarbeiter oft zu hören.

Kostenpflichtige Abgabe im Tierheim

„Nein, kein Tierheim muss ein Tier von Privatpersonen aufnehmen“, erläutert Ralf Domroes, der Vorsitzende des Tierschutzvereins. „Verpflichtet sind wir lediglich, Fundtiere der Stadt Goslar und Seesen aufzunehmen. Darüber besteht ein Vertrag mit diesen Städten, den wir auch erfüllen. Wir befürchten allerdings, dass die Zahl der Fundhunde oder auch anderer Fundtiere ansteigen wird, wenn aufgrund der Auslastung der Tierheime keine Tiere mehr aufgenommen werden können“.

Reichardt und Domroes appellieren eindringlich an alle Menschen, sich vor der Anschaffung eines Haustieres, detaillierte Gedanken darüber zu machen, was das Tier braucht und wie es gehalten werden sollte.

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