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Körperkult

Studios im Wandel: Von der Muckibude zum Fitnesscenter

Ein Bild aus ruhmreichen Tagen: Rolf Evers (auf dem kleinen Bild beim Gewinn der Europameisterschaft 1992) startete 13 Jahre lang bei internationalen Bodybuildingmeisterschaften auf der Bühne. Heute trainiert er die Kunden im eigenen Fitness-Center. Mit den Muckibuden der 70er- und 80er-Jahre haben diese Studios nicht mehr viel gemein.  Foto: Schlegel/Privat

Ein Bild aus ruhmreichen Tagen: Rolf Evers (auf dem kleinen Bild beim Gewinn der Europameisterschaft 1992) startete 13 Jahre lang bei internationalen Bodybuildingmeisterschaften auf der Bühne. Heute trainiert er die Kunden im eigenen Fitness-Center. Mit den Muckibuden der 70er- und 80er-Jahre haben diese Studios nicht mehr viel gemein. Foto: Schlegel/Privat

Bad Harzburg. Früher ging es in der Muckibude um Aussehen und Kraft, heute im Fitnesscenter um Gesundheit und Geselligkeit. Wie kam das? Einer, der diese Entwicklung am eigenen Leib über 40 Jahre mitgemacht hat, ist Rolf Evers. Als Bodybuilder war er international erfolgreich, belegte den 2. Platz bei der Mister-Universum-Wahl 1994. Heute betreibt er ein Fitnesscenter.

Von Holger Schlegel Mittwoch, 08.08.2018, 11:42 Uhr

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Bad Harzburg. Früher ging es in der Muckibude um Aussehen und Kraft, heute im Fitnesscenter um Gesundheit und Geselligkeit. Wie kam das? Einer, der diese Entwicklung am eigenen Leib über 40 Jahre mitgemacht hat, ist Rolf Evers. Als Bodybuilder war er international erfolgreich, belegte den 2. Platz bei der Mister-Universum-Wahl 1994. Heute betreibt er ein Fitnesscenter.

Aus der Lebensgeschichte von Rolf Evers könnte man einen Film machen, besonders aus der Episode, in der er nach einem Autounfall fast einen Arm verlor. Aber dazu später mehr. Zunächst: Wie fing alles an? Evers, Jahrgang 1960, war schon immer sportlich, besonders intensiv spielte er Handball. Mit 18 Jahren wollte er zusätzlich ein wenig Kraft aufbauen – und ging in eine Muckibude. Heute würde man es Fitnesscenter nennen, „doch den Begriff gab es damals noch gar nicht“.

Auch die Motivation, aus der heraus man dorthin ging, war eine völlig andere. „Damals hat kein Arzt zu dir gesagt, geh’ wegen deines Rückens ins Studio“. Es ging rein um Kraft – und ums Aussehen. Der Körperkult in seiner Urform, wenn man so will. Großes Vorbild für alle – bald auch für Evers – war Arnold Schwarzenegger. Man sah Bilder von ihm und wollte so aussehen.

Bei Rolf Evers wurde aus dem Training fürs Handballspiel bald der Kraftdreikampf. Nach drei Jahren nahm er – aus Spaß, wie er heute sagt – an der Landesmeisterschaft teil. Und wurde Erster.

Evers machte weiter –und das mit Erfolg (siehe Kasten). Eines Tages war er Zweiter bei der Mister Universum Wahl. Bodybuilding war in den 80er-Jahren mit vielen Klischees behaftet. Viele davon stimmen offenbar. Jedenfalls kann man das heraushören, wenn sich Evers an die alten Zeiten erinnert. Beim Thema Doping wird er allerdings zurückhaltend, das gab es, aber „davon haben wir nichts gewusst“. Dass Doping irgendwann zum Thema wurde, habe ihn veranlasst, Mitte der 90er-Jahre mit Bodybuilding aufzuhören.

Aber die anderen Klischees: Klar, wurde damals verbissen trainiert, eineinhalb Stunden an sechs Tagen die Woche, später sogar zweimal pro Tag. Da sprach niemand, man hörte nur das Schnaufen der schwitzenden Männer und das Knarren und Scheppern der Hanteln. Niemand ging damals der Gesundheit wegen in die Muckibude. Und wenn ein Film mit Silvester Stallone oder eben Arnold Schwarzenegger in die Kinos kam, schlossen die Studios lauter Verträge mit neuen Kunden ab, schmunzelt Evers. War bis dato das Bild von Arnold an der Studiowand auch für Evers Motivation genug, kam für ihn 1986 ein völlig anderer Aspekt dazu: Auf der Fahrt zu einer Meisterschaft hatte er einen Autounfall. Im Krankenhaus wollten ihm die Ärzte den linken Arm abnehmen. Evers lehnte ab, unterzog sich einer schwierigen Operation. Der Arm blieb dran, war aber gelähmt. Was in den folgenden zwölf Monaten geschah könnte wie schon erwähnt aus einem Hollywood-Film stammen: Evers, vom Bodybuildingmeister zum Krüppel degeneriert, trainierte mit dem gesunden Arm den gelähmten Arm. Eines Morgens, nach zwölf Monaten, kribbelte es in den Fingerspitzen. Die zerrissenen Nerven hatten sich regeneriert. Fortan trainierte Evers mit neuem Geist – und machte seine 50 Klimmzüge einfach nur, weil er es wieder konnte.

Aber wie wurden denn nun aus Muckibuden Fitnesscenter? Erneut ist ein Hollywood-Star der Grund: Jane Fonda. „In den Achtzigern löste sie die Aerobic-Welle aus, und das brachte die Frauen in den Sport“, so Evers. Plötzlich ging es um Fitness – und die Industrie sprang auf den Goldzug auf. Früher trainierten Evers und seine Kollegen mit Hanteln, nun aber kamen mehr und mehr schicke Geräte auf den Markt. Und das Fitnessstudio war das beliebteste, das die meisten und modernsten davon hatte.

Eigentlich völlig überflüssig findet Evers, alle Übungen kann man auch wie in guter alter Zeit mit Hanteln machen. Aber sei es drum: Musste es früher in einem guten Studio nach Schweiß riechen, war nun mehr und mehr der Unterhaltungswert wichtig. Aber auch der Gesundheitsaspekt rückte in den Fokus: Nach und nach schickten immer mehr Ärzte und Physiotherapeuten ihre Patienten in die Studios, die Krankenkassen begannen, ihren Kunden die Kurse zu finanzieren. Der Wandel vollzog sich.

Und heute? Kraftsport machen vielleicht noch ein Prozent der Kunden, sagt Evers, der seit 1984 ein eigenes Studio betreibt. Wer heute ins Fitnesscenter geht, hat nicht mehr das Bild von Arnold Schwarzenegger vor Augen. Die Klientel setzte sich unterschiedlich zusammen. Da gibt es die Senioren, die am Vormittag kommen. Die seien sehr motiviert, wollen etwas für ihre Gesundheit tun, suchen aber auch Gesellschaft. Überhaupt sei der Faktor Unterhaltung heute wichtig. Beispielsweise bei den jüngeren Kunden: Für viele ist das Studio Ersatz für Disco oder Kneipe, das merke man besonders abends. Dann gibt es nach wie vor Sportler, die zusätzlich etwas für Kraft und Ausdauer tun wollen. Beispielsweise Fußballer, Tennisspieler, Golfer während der Wintersaison. Und natürlich sind da die, die auf Anraten des Arztes kommen.

Wie steht es mit der Motivation? Gerade bei denen, die ihre gesundheitlichen Probleme in den Griff bekommen wollen? Wenn nach einiger Zeit die Rückenschmerzen weg sind, hat es sich mitunter mit dem regelmäßigen Studiobesuch erledigt, weiß Evers. Dann sind die Probleme jedoch genauso schnell wieder da. Da vorzubeugen ist Aufgabe eines guten Trainers. Aber gibt es auch das Gegenteil? Die Sucht nach dem Fitnessstudio? Zwei Stunden Training nach einem stressigen Tag können zwar durchaus ein besonders schönes Gefühl auslösen. Aber, was ist daran verkehrt. Und: „Es gibt schlimmere Süchte…“

  • 1979 hat Rolf Evers im Alter von 19 Jahren mit Hanteltraining begonnen, als Ausgleichssport zum Handballspielen.
  • 1982 an erster Bodybuilding Meisterschaft der Newcomer der Landesmeisterschaften teilgenommen und den 1. Platz gemacht.
  • 1985 an Norddeutscher Meisterschaft teilgenommen und den 2. Platz belegt.
  • 1988 Deutsche Meisterschaft gewonnen.
  • 1988 in Italien Europameisterschaft den 3. Platz gewonnen.
  • 1989 den 3. Platz in den USA der Mr. -Universe -Wahlgewonnen.
  • 1989 1. Platz, 5 Länder Turnier der Ostblockstaaten gewonnen.
  • 1990 1. Platz Deutsche Meisterschaft.
  • 1990 1. Platz Europameisterschaft in Italien.
  • 1990 3. Platz in England der Mr.-Universe-Wahl gewonnen.
  • 1991 1. Platz Norddeutsche Meisterschaft
  • 1991 1. Platz Deutsche Meisterschaft
  • 1992 1. Platz Norddeutsche Meisterschaft
  • 1992 1. Platz Deutsche Meisterschaft
  • 1992 1. Platz Europameisterschaft in Frankreich
  • 1992 2. Platz Weltmeisterschaft in Bayreuth
  • 1994 2. Platz Mr. Universe in England
  • 1995 1. Platz Night of Champions in Köln
  • Im Jahre 1984 eröffnete Rolf Evers sein eigenes Fitnessstudio in Schlewecke. Er belegte Aus- und Fortbildungen in den Bereichen Rehabilitation, Cardiotraining, Personalführung, Mitgliederbetreuung sowie Management. 2001 legte er seine Prüfung zum Sport- und Fitnesskaufmann bei der IHK in Braunschweig ab und wurde somit zum Ausbildungsbetrieb.
Rolf Evers Bodybuilding Körperkult Thema der Woche

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