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Katja Gloger referiert beim Frankenberger Winterabend über Russland

Rund 300 Gäste kamen in die Frankenberger Kirche zum Vortrag von Katja Gloger. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sie sich mit Russland.  Foto: Düber

Rund 300 Gäste kamen in die Frankenberger Kirche zum Vortrag von Katja Gloger. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sie sich mit Russland. Foto: Düber

Goslar. „Russland ist ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium“ mag zwar ein historisches Zitat Winston Churchills sein, für Russland-Expertin Katja Gloger ist dieser Satz aber auch heute noch eine treffende Beschreibung des Landes. 

Von Marieke Düber Mittwoch, 16.01.2019, 13:18 Uhr

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Die Journalistin übernahm als Referentin den ersten Frankenberger Winterabend im Jahr 2019 und sprach über das Land, in dem sie lange Zeit als Korrespondentin gelebt und gearbeitet hat.

Russland ist ihr in dieser Zeit ans Herz gewachsen, das merkten die rund 300 Besucher in der Frankenberger Kirche am Dienstagabend deutlich. Und gerade deswegen scheute sich Gloger auch nicht, die Regierung stark in die Kritik zu nehmen. „Ich nehme sie mit auf eine Reise zu den Sollbruchstellen der jüngeren Geschichte“, versprach Gloger ihrem Publikum. Es sollte eine Reise zu vielen historischen Ereignissen und Umständen werden, die für die zunehmende Entfremdung von Russland und dem Westen sorgten.

Von Michail Gorbatschow, dem Helden des Rückzugs, über den Zerfall der Sowjetunion bis hin zu vielen verpassten Chancen, die eine Annäherung hätten bieten können, gab es Gloger zufolge viele dieser Bruchstellen, die die Trennung verstärkt hätten. Fehler hätte dabei aber auch der Westen gemacht, wie in den Neunziger Jahren nach der „Implosion der Sowjetunion“, wie Gloger den Zerfall des Bündnisses selbst nennt. Damals hätte der Westen nicht genau hingeschaut: „Nicht neue, sondern alte Eliten übernahmen die Macht“, erklärte Gloger, und damit eine kleine Gruppe Oligarchen, die kein Interesse an der Demokratie gehabt hätten.

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Selbst mehr als 20 Jahre später habe sich das noch nicht verändert. Der Aufbau einer Demokratie gehe immer mit einem Lernprozess einher, für den Russland heutzutage durchaus bereit sei, sagte Gloger– warum sollten es die Menschen nicht sein? Doch in der jüngsten Vergangenheit habe es die Regierung um Waldimir Putins versäumt, eine Basis für die Demokratisierung zu schaffen.

Putin habe dem Land zur ökonomischen Entwicklung verholfen, zur Unabhängigkeit vom Westen. Bei der Bevölkerung habe sich erstmals wieder eine Hoffnung entwickelt und ein Glauben an die Zukunft, die heute wieder schwinde. Stattdessen schleiche sich wieder ein Gefühl der Perspektivlosigkeit in die Herzen der Menschen, da soziale und ökonomische Reformen ausblieben. Doch dafür brauche es politische Reformen, die es nicht gebe, sagte Gloger. Daher hält sie den Wunsch der Menschen nach dem Glanz des Imperialismus für emotional verständlich, räumte Gloger ein. Historisch gesehen sei er jedoch falsch.

Die Politik Putins habe in den vergangenen Jahren nur noch mehr dazu beigetragen, dass der Graben zwischen dem Westen und Russland größer wird. „Russland sieht sich als eine außergewöhnliche Macht, ähnlich den USA“, sagte Gloger. Das Land sei aber im Gegenzug einsam, gehöre nicht zum Westen, aber auch nicht zum Osten.

Es sei ein Land, das unter Putin Macht projiziere, wo immer es möglich scheint, Propaganda betreibe und mit unseren Ressentiments spiele, erklärte Gloger. Und das dafür sorge, dass sich die Menschen im Westen in ihrem Misstrauen gegenüber Russland nur bestätigt fühlen. Das sei aber nicht der richtige Weg, man müsse echtes Verständnis für die Menschen entwickeln, die in Russland leben. „Denn, was hat sich dieses Land angetan? Viel mehr, als zu ertragen ist“, sagte Gloger.

Das Verständnis, das sie forderte, gelte nicht für die Schattenmänner des Kremls, sondern für die Menschen der Bevölkerung, die so schwer an ihrer eigenen Geschichte zu tragen haben. Eben für die Menschen, die auch dann noch da sein werden, wenn die Ära von Wladimir Putin Vergangenheit ist.

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