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Zur Talfahrt des Boxens

Ex-Boxer Ottomar Sachse: „Uns Deutschen geht es oft zu gut“

Ottomar Sachse sieht den Hauptgrund für den Niedergang des deutschen Boxens in der vernachlässigten Ausbildung. Foto: Krause

Ottomar Sachse sieht den Hauptgrund für den Niedergang des deutschen Boxens in der vernachlässigten Ausbildung. Foto: Krause

Der ehemalige DDR-Boxer Ottomar Sachse aus Halle (Saale) nennt im GZ-Interview Gründe für die Talfahrt des deutschen Boxens. Aus seiner Sicht mangelt es an der Ausbildung der Sportler und Trainer.

Mittwoch, 26.09.2018, 15:08 Uhr

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Vincent Feigenbutz ist ein junger, talentierter Boxer. Er ist ehrgeizig, setzt sich hohe Ziele und peilt langfristig die Weltmeisterschaft an. Vor zwei Wochen ließ er seinen Worten Taten folgen und gewann durch technischen K.o. gegen Yusuf Kanguel.

Für den 23-Jährigen war es der 29. Erfolg im 31. Profikampf. Nun könnte es zu einem Duell mit Ex-Champion Artur Abraham kommen. Ein Kampf, der die Herzen deutscher Box-Fans höher schlagen lassen würde. Er kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um das Boxen hierzulande derzeit schlecht bestellt ist. Die Glanzzeiten sind lange vorbei.

Warum ging es mit dem deutschen Boxen bergab? Was ist falsch gelaufen? Und was muss sich ändern? Darüber sprach GZ-Sportredakteur Sebastian Krause mit Ottomar Sachse. Er gewann bei Welt- und Europameisterschaften der Amateure sechs Medaillen im Halbschwergewicht und nahm an den Olympischen Spielen in München 1972 und 1976 in Montreal teil. Der frühere DDR-Boxer aus Halle (Saale) war kürzlich bei einem Treffen ehemaliger Olympioniken in Goslar.

Generell lässt sich eine schlechtere Grundausbildung jüngerer Boxer im Vergleich zu früheren Jahren erkennen. Die Ausbildung wird zu oft vernachlässigt, und zumindest die Amateure werden zu früh und nach nur kurzer Ausbildung in Kämpfe geschickt. Dazu fehlt es auch an einer durchgängig soliden Ausbildung der nachwachsenden Trainer. Uns fehlen einfach richtig gute Trainer im Nachwuchs, von den wenigen guten, meist alten, einmal abgesehen. Ursache hierfür ist, dass die Ausbildung junger Boxer schwer zu vermarkten ist.

Das Schlimme ist Folgendes: Amateure, welche die harte Ochsentour vom Nachwuchsboxer in mehreren Altersklassen bis zum Spitzenboxer bei den Senioren im Amateurbereich durchgestanden haben, können in der Regel gut boxen und sind dementsprechend ausgebildet. Was hier fehlt, ist die Anerkennung und die Zuwendung in den öffentlichen Medien bei den Amateuren. Geht man zum Amateurboxen, dann hat man vielleicht 20, 30 Zuschauer. Geht man aber zum Profiboxen, wo zumindest in den Vorkämpfen oft Leute gegeneinander antreten, die altersmäßig schon lange übern Berg sind, vielleicht sogar bei mangelnder Physis auch noch schlecht ausgebildet sind, dann sind die Hallen voll. Boxveranstaltungen sind bei den Berufsboxern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit hoher Kompetenz im Marketing organisiert, detailliert geplant und generalstabsmäßig durchgeführt.

Bei den Berufsboxern ja, eindeutig. Aber das ist auch gut so, will man Sponsoren aus Welt-Konzernen für sich gewinnen. Die Profiställe werden alle kaufmännisch geführt. Da müssen die Boxer sich einem strengen Stallregime unterwerfen, Werbetouren machen, die kommenden Kämpfe und auch ihre eigene Person bewerben. Und die Manager bestehen darauf, dass die Boxer das nicht nur machen wollen, sondern es verbindlich einhalten. Die ganz Großen sind da natürlich in einer ganz anderen Situation, sie sind besser vorbereitet. Sie machen im Jahr nur ein, zwei Kämpfe, während alle anderen sich in den Ranglistenduellen schnell aufreiben.

Da geht es zu Beginn um die soziale Anerkennung und später auch um professionelle Aspekte in der ganzen Breite. Ich nehme mal das Beispiel Arthur Abraham: Er ist als Flüchtlingskind mit seinen Eltern unter eher bescheidenen Bedingungen in einem Heim groß geworden. Er hatte eine enge Bindung zu seiner Familie und somit eine ganz andere Motivation, eine echte Leistungsmotivation, von Anfang an. Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind oft besser motiviert, sie wollen nicht nur dazugehören, sie wollen sich beweisen. Die haben richtig Druck nach Anerkennung. Uns Deutschen geht es da eigentlich oft zu gut.

Ein neuer Henry Maske und ein neuer Graciano Rocchigiani allein oder besser gemeinsam täten dem Boxsport in ganz Deutschland gut. Am besten jeweils zwei oder drei davon. Und dann noch Trainer wie Manfred Wolke und Ullrich Wegener, nur jünger.

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