Ein Fest für Gemeinschaft und Teilhabe

Das Ensemble Pop Chor’n ist nicht nur am neuen Inklusions-Hit „Goslar geht gemeinsam“ zentral beteiligt, es feierte gestern auch noch das zehnjährige Bestehen: Zehn Jahre, in denen die Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Rolf Vasel (re.) Farbe, Rhythmus und Stimmung an alle Orte bringen, an denen sie auftreten. Fotos: Kempfer
Ein Fest mit Informationen und Unterhaltung rund um gesellschaftliche Teilhabe hat das Aktionsbündnis für Inklusion am Dnnerstag im Lindennhof veranstaltet - und hatte eine wichtige Botschaft im Gepäck.
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Goslar. „Wir haben hier viel Power“, sagte Clemens Ahrens, der das Inklusionsfest „Goslar geht gemeinsam“ am Donnerstag im Lindenhof eröffnete. Der Geschäftsführer der „Lebenshilfe“ zeigte sich zuversichtlich, dass hier auf Dauer mehr gesellschaftliche Teilhabe für alle realisiert werden kann. Vier Stunden voller Unterhaltung und Information warteten auf die rund 200 Gäste, in die in ihrer Eigenschaft als Multiplikatoren große Hoffnung gesetzt wird.

Comedian Martin Fromme fordert die rund 150 Gäste im Lindenhof heraus.
Dafür war Comedian Martin Fromme eingeladen, bei dessen Witzen über Behinderte den Menschen im Saal allerdings erst einmal die Spucke wegblieb. Darf man Witze über Behinderte machen? Und: Wer, wenn nicht er? Bei Fromme gilt nicht das Motto „arm dran“ sondern „arm ab“ – wer an dieser Stelle noch peinlich berührt war, konnte beim zweiten Auftritt zu späterer Stunde herzhaft über Drastischeres lachen. Das Eis war längst gebrochen. Genau da liegt der Schlüssel der Inklusion: Themen selbstverständlich machen, indem man sie aus dem Tabu befreit, und Menschen in die Mitte holen, und nicht aus eigenen Berührungsängsten ausgrenzen. Allerdings nicht, auch darauf wies Fromme hin, wie bei den Paralympics: „Acht Tage sind wir Megastars, danach heißt es wieder ab in die Kiste.“
Im familiären Umfeld ist das selbstverständlich, jedenfalls für Bürgermeisterin Renate Lucksch, deren eigener Bruder im Alter von 30 Jahren auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall hatte und nie wieder der Alte wurde. Ein kleiner Moment, der das Leben einer ganzen Familie für immer veränderte. „Ich bin dankbar für die Menschen, die uns gesagt haben, was und wie es geht“, stellte sie den Wert der Information in den Mittelpunkt.
Als hätten sie’s gehört: Diverse Inklusionsprojekte stellten sich im Verlauf des Abends auf der Bühne vor und standen anschließend noch zu Gesprächen an Infotischen bereit. Spannend: Die Firma „Auticon“ aus Berlin wurde vor zehn Jahren von dem Vater eines autistischen Sohnes gegründet. Heute begleiten die Jobcoaches des Unternehmens 250 autistische Mitarbeiter weltweit, die als Programmierer und Softwaretester eingesetzt sind – auf dem 1. Arbeitsmarkt. Möglich wurde das, indem Autismus nicht als Krankheit, sondern als „Anderssein“ betrachtet wird und die Stärken betont werden.
Andi Hinrichs stellte sein Integrationsprojekt „Handicap 2020“ vor, eine inklusive Fußballmannschaft, bundesweit einzigartig. Studenten der Hochschule Mainz erfassen für eine Projektarbeit gerade die physischen und subjektiven Barrieren in Goslar. Der Casino-Tanzclub Rot-Gold aus Bad Harzburg hat eine Rollstuhltanzgruppe, ein Projekt, das vor zwei Jahren angestoßen wurde: Sechs Paare aus dem gesamten Umkreis machen mit, von Bad Harzburg über Wernigerode, Braunschweig, Salzgitter bis Goslar. Das Alter reicht von Ende 30 bis ins Rentenalter hinein, weitere Paare sind willkommen, sie bestehen aus je einem „Fußgänger“ und einem Rollstuhlfahrer – das Tanzsportabzeichen wird die nächste Herausforderung.
Nur wer die Angebote kennt, kann sie nutzen. Hans Hartmann aus Goslar stellte sein Hobby als Funkamateur vor und informierte über die „Interessengemeinschaft blinder Funkamateure“. Dass er plötzlich im Nebel stand, war ein ungeplanter Vorbote für das Finale mit dem Goslar-Lied.
Bis es soweit war, stellten sich weitere Projekte vor. „Assistenzhund willkommen“ heißt es seit kurzem auch in Goslar (die GZ berichtete). Hannah Reuter und Manja Myrrhe kamen mit ihren Hunden Daika und Mascha auf die Bühne und erläuterten, auf welchen Wegen Assistenzhunde Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen eine Teilhabe ermöglichen – wenn sie denn reingelassen werden (Bericht folgt).
Dann kam der Countdown für den Goslar-Song, im Studio von Jost Schlüter entstanden. Die Beteiligten legten schon mal vor, Lea Schauzu, Fraens, „Franens“ und Pop Chor’n. Dann war es soweit, Nebel, Bühnenfeuerwerk, das Herz geht auf – und schon war alles viel zu schnell wieder vorbei.

Die „Pfotenpiloten“ präsentieren sich beim Inklusionsfest und bringen als Teams natürlich auch ihre Assistenzhunde mit.

Viele Möglichkeiten zur Information bieten die Stände im Lindenhof.

Moderator zwischen kraftvollen Fronten: Manuela Schönborn (li.) aus Bremen hat die Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen im Blick. Tim Niehus (re.) aus Goslar ist der freudestrahlende Beweis dafür, wie gut aktive Teilhabe in der Gemeinschaft tut.

Lea Schauzu singt zwei eigene Songs, bevor „Goslar geht gemeinsam“ kommt.

Organisator Axel Dietsch dankt den persönlichen Worten von Renate Lucksch.