Echte Ketzer oder zur falschen Zeit gefastet?

Die übliche Hinrichtungsform für Ketzer: Das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen. Abbildung: Wikimedia
Goslar. Den letzten Vortrag des Geschichtsvereins Goslar in diesem Jahr hielt Dr. Jörg Feuchter von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften über einen für Goslar über lange Zeit einmaliger Ketzer-Prozess an Weihnachten 1051, bei dem mehrere Menschen am Galgen hingerichtet wurden, weil sie Manichäer gewesen sein sollen.
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Goslar. Den letzten Vortrag des Geschichtsvereins Goslar in diesem Jahr hielt Dr. Jörg Feuchter von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften über einen für Goslar über lange Zeit einmaliger Ketzer-Prozess an Weihnachten 1051, bei dem mehrere Menschen am Galgen hingerichtet wurden, weil sie Manichäer gewesen sein sollen.
Dabei konzentrierte sich Feuchter nicht nur auf die drei zu dem Fall bekannten Quellen. Für ein besseres Verständnis der damaligen Vorgänge, insbesondere den Tatbestand der Ketzerei, gab er einen interessanten Einblick in das mittelalterliche Wissen über Gruppen, die als Ketzer gebrandmarkt wurden. Hierbei bezog er sich unter anderem auf die Religionsgemeinschaft der Manichäer. Sie galten dem christlichen Klerus als Ketzer schlechthin, waren zum Zeitpunkt des Ketzer-Prozesses in Goslar aber in Europa nicht mehr aktiv.
„Die kirchlichen Gelehrten hatten ein sehr genaues Bild von ’Ketzern‘, bevor sie überhaupt welche gesehen hatten“, sagt Feuchter. Dadurch seien möglicherweise auch Menschen als Ketzer verurteilt worden, die einfach nur dem „Manichäer-Klischee“ entsprochen hätten.
So kann der in den Quellen zum Goslarer Prozess genannte Haupt-Anklagepunkt, die Ketzer hätten „dem Fleischgenuss entsagt“ durchaus auf Manichäer zutreffen – allerdings ebenso auf gängige Askesepraxis christlicher Mönche.
Auch die Verurteilung der Angeklagten durch ein weltliches Gericht, nämlich Kaiser Heinrich III., werfe Fragen auf. So sei die Verurteilung und Hinrichtung der Ketzer in Goslar die erste ihrer Art im damaligen Deutschen Reich gewesen – und ohne Rechtsgrundlage erfolgt.
Der letzte Punkt, der Zweifel an dem Goslarer Ketzerprozess aufwerfe, sei die Hinrichtungsart. Üblich sei für überführte Ketzer das Verbrennen gewesen, während die Goslarer Ketzer durch Erhängen hingerichtet wurden.
Möglicherweise, so Feuchter, seien die in Goslar hingerichteten Menschen Opfer eines „Ketzerwahns“ gewesen, der dem „Hexenwahn“ in der frühen Neuzeit ähnlich gewesen sei. Tatsächlich gebe es in der neueren Forschung zur Ketzerei im Mittelalter seit einigen Jahren Streit zwischen Wissenschaftlern, die mittelalterliche Ketzerei und Ketzer, wie zum Beispiel die Katharer, für eine Wahnvorstellung oder vorgeschobene Behauptung des damaligen Klerus halten, und Vertretern, die den hauptsächlich kirchlichen Quellen dazu Glauben schenken.
Was die Goslarer Ketzer betrifft, sei nicht mehr zu ermitteln, was tatsächlich vorgefallen sei. Ungewöhnlich sei es allemal gewesen.

Dr. Jörg Feuchter von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften beleuchtete die ungewöhnliche Episode aus Goslars Geschichte. Foto: Belz