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Ammar Beilschmidt darf als Flüchtling mit Ersatzpass kein Konto eröffnen

Ammar Beilschmidt darf als Flüchtling mit Ersatzpass kein Konto eröffnen

Goslar. Der Weg zur Bank, um ein gemeinsames Girokonto zu eröffnen en, ist ein ganz normaler Schritt im Leben vieler Paare. Das dachten sich auch Theresa und Ammar Beilschmidt, als sie sich deswegen in der Goslarer Filiale der Commerzbank einfanden.

Von Marieke Düber Mittwoch, 27.02.2019, 16:18 Uhr

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Vor Ort kam dann die Ernüchterung: Ammar, der als palästinensischer Flüchtling nach Deutschland gekommen war, hatte nur seinen Aufenthaltstitel dabei. Das hätte dem Kundenbetreuer aber nicht gereicht, berichtet seine Frau, stattdessen hätte er einen Pass gefordert. Und als dieser seinen von deutschen Behörden offiziell ausgestellten Ersatzpass, den Reiseausweis für Flüchtlinge, holen wollte, lehnte der Kundenberater nach Nennung des Herkunftslandes dennoch die Eröffnung des Kontos ab – ohne die Dokumente vorher überhaupt gesehen zu haben.

„Eigentlich stellt sich die Commerzbank als positiv gegenüber den Flüchtlingen dar, aber lehnen uns dann ab, ohne den Pass gesehen zu haben“, sagt Ammar Beilschmidt. Um sich den Sachverhalt erklären zu lassen, schrieben die Eheleute einen Brief an das Beschwerdemanagement der Bank und erhielten auch tatsächlich Antwort, wenn auch keine positive: „Der Brief war sehr allgemein, man sei nicht zu Geschäftsbeziehungen verpflichtet“, sagt Theresa Beilschmidt.

Das Schreiben, das das Ehepaar von der Bank erhalten hat, liegt der GZ vor. Darin heißt es, dass die Commerzbank Diskriminierung in jeder Form ablehnt, und auch alle Mitarbeiter nach diesem Grundsatz verfahren. Dennoch: Jede Kontoeröffnung unterliege immer noch einer Einzelprüfung. Woran aber das Ersuchen des Ehepaars Beilschmidt gescheitert ist, dazu gibt die Bank keine Auskunft: „Insgesamt möchten wir betonen, dass wir keine grundsätzlichen Aussagen zu Einzelfällen treffen“, schreibt die Commerzbank.

Ähnlich lautet auch die Antwort, die die GZ auf Nachfrage von der Bank erhalten hat. „Wir äußern uns nicht zu Einzelfällen. Dafür bitten wir um Verständnis“, sagt Dennis Bartel, Leiter der regionalen Kommunikation. „Grundsätzlich eröffnet die Commerzbank für alle Personen mit legalem Aufenthalt in der Bundesrepublik beziehungsweise EU zumindest ein Basiskonto, sofern sie die erforderlichen Dokumente wie gültiges Ausweispapier, Aufenthaltsgenehmigung und Meldebescheinigung vorlegen können“, heißt es weiter.

Theresa Beilschmidt kann das Verhalten des Unternehmens nicht verstehen. Nicht nur die Passdokumente seien nicht überprüft worden, sondern auch die Bonität nicht – stattdessen sei die Ablehnung allein durch Vorannahmen erfolgt. Die Eheleute fühlten sich ungerecht behandelt, kontaktierten deswegen die Verbraucherzentrale und den Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Die Verbraucherzentrale bestätigte, dass die Bank nicht verpflichtet sei, Geschäftsbeziehungen einzugehen. „Trotzdem sagten sie, dass ihnen der Fall sehr fragwürdig vorkomme“, erklärt Theresa Beilschmidt.

Kai Weber, Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrats, konnte ihnen dagegen mehr Hoffnung machen. „Seiner Einschätzung nach könnte es ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sein, da die Identität meines Mannes geklärt ist“, sagt Theresa Beilschmidt. Das bestätigt Weber gegenüber der GZ: „Es gibt immer wieder solche Geschichten, immer wieder diese nicht nachvollziehbare Weigerung“, sagt er. Weber erklärt, dass gerade durch die Häufigkeit, mit der die Commerzbank in diesem Bereich auffalle, ein Anfangsverdacht wegen eines Verstoßes gegen das AGG gegeben sei. „Das ist eine haarsträubende Logik, die nicht erläutert werden kann.“

Die Weigerung der Commerzbank ist allerdings nicht das einzige Problem, auf das die Eheleute stießen. Auch beim Post-Ident-Verfahren, das sie für die Eröffnung von Konten bei anderen Banken brauchten, scheiterten sie – weil der Scanner die Dokumente von Ammar Beilschmidt nicht akzeptierte. Auch damit seien die Beilschmidts kein Einzelfall, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat. „Hier stellt sich die Frage, ob man bei dieser systematischen Benachteiligung nicht auch schon von Diskriminierung sprechen kann“, meint er. Die Fülle von Beschwerden, die es über das Verfahren gebe, fordere bereits eine Änderung desselbigen. „Wir brauchen eine rechtlich abgesicherte Methode, auch für Menschen mit ausländischem Pass“, sagt Weber.

Das Ehepaar Beilschmidt ist vor allem enttäuscht über die Hürden, die ihnen bei einem eigentlich so selbstverständlichen Vorgang in den Weg gelegt wurden. Viel sei für die Integration gemacht worden, an diesen Stellen offenbarten sich aber immer noch Schwächen, findet Ammar Beilschmidt. „Warum werden mir Pässe gegeben, die nicht akzeptiert werden?“, wundert er sich, immerhin habe er auch schon vor der Heirat mit Theresa Beilschmidt eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Deswegen will das Paar diskutieren, auf ihren persönlichen Fall aufmerksam machen, nicht die Gegebenheiten akzeptieren und sie als „blöd gelaufen“ ad acta legen, wie Theresa Beilschmidt sagt. Zur Not werden sie auch rechtliche Schritte einleiten, worin sie vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat auch bestätigt und unterstützt werden. Denn wie sie wissen, sind sie nicht die einzigen Betroffenen.

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