Zoff um Rockoper Faust: Der Teufel steckt nicht nur im Detail
Teuflisch: Darsteller Falko Illing spielt bei der Rockoper Faust auf dem Brocken den Mephisto. Foto: Bein
Wernigerode. Die Erklärung, die die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) im Oktober verbreiteten, klang ein wenig schräg: Die HSB bejubelte die erfolgreiche Rockoper Faust, die in 13 Jahren 387 Mal aufgeführt wurde und 88.000 Besucher auf den Brocken lockte! Trotz der stolzen Zahlen fiel am 24. November der Vorhang. Aber weil Faust und Brocken zusammengehören würden, kündigten die Veranstalter sogleich einen Faust im neuen Gewand an.
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Wernigerode. Die Erklärung, die die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) im Oktober verbreiteten, klang ein wenig schräg: Die HSB bejubelte die erfolgreiche Rockoper Faust, die in 13 Jahren 387 Mal aufgeführt wurde und 88.000 Besucher auf den Brocken lockte! Trotz der stolzen Zahlen fiel am 24. November der Vorhang. Aber weil Faust und Brocken zusammengehören würden, kündigten die Veranstalter sogleich einen Faust im neuen Gewand an.
Die HSB sprach von einer „Erfolgsgeschichte“. Mittlerweile ist klar, warum Faust und Mephisto, auf dem Brocken auch eine Pause einlegen. Hinter den Kulissen spielte sich seit Jahren ein theaterreifer Streit mit dem aus Ulm stammenden Musiktheaterautor Dr. Rudolf Volz (63) ab, dem Vater der Rockoper, die auf dem berühmten Goethe-Drama beruht.
Der Autor fühlte sich an den Rand gedrängt und ausgegrenzt. In der ausführlichen HSB-Mitteilung vom Oktober wird er nur einmal erwähnt, indem die „einmalige“ Inszenierung“ gewürdigt wird. Nach der letzten Vorführung seiner Rockoper auf dem Brocken wurden zehn Minuten lang freundliche Reden gehalten, ohne Volz nur einmal zu erwähnen, sagt einer, der dabei war.
Der Streit scheint kompliziert. Offiziell ist von „Lizenzschwierigkeiten“ die Rede. Mehr will das Unternehmen nicht mitteilen, die HSB sieht sich nicht zuständig, sie verweist darauf, dass sie die Aufführung von der Berliner Eventagentur von Michael Manthey kauft.
Der Kern des Streits reicht indes über Lizenzprobleme und Lizenzentgelte hinaus. Ist Volz ein Querulant? So wird es ihm offenbar von der Gegenseite vorgehalten, jedenfalls geht das aus einem Schriftstück zu einem Rechtsstreit beider Seiten hervor. Volz sagt: „Die ersten zwei Jahre hatte ich freie Hand. Dann hat Manthey alles an sich gerissen.“ Das ist seine Sicht. Das Zerwürfnis ging so weit, dass Volz von der Inszenierung ausgeschlossen und ihm Hausverbot erteilt wurde, so steht es zumindest in einem Schreiben seiner Anwälte.
Der Musiktheaterautor hat seinen Faust, bevor das Stück auf Norddeutschlands höchster Bühne gezeigt wurde, schon anderswo präsentiert. Die Rockoper gibt es seit mehr als 20 Jahren. Nach und nach wurde seine Inszenierung auf dem Berg verändert. Die Band stand bei Volz neben der Bühne. Manthey rückte sie neben die Schauspieler auf die Bühne und verhüllte Requisiten mit Vorhängen, so erzählt Volz es. „Wie in einem Kellerlochtheater“ schimpft er und meint das keineswegs als Lob. Auch Falko Illing (53) ist nicht gut auf Manthey zu sprechen. Illing ist Schauspieler, Sänger und Musiker. Der Darsteller, der in Volkertshausen am Bodensee lebt, spielt den diabolischen Mephisto seit Volz seine Rockoper in Ulm aufführte. Es ist also auch sein Faust. Sein Eindruck ist, dass Manthey schon früh einen eigenen Faust plante und daher ein erfolgreiches Team ausgewechselt habe. Er habe vor einem Jahr die Band ausgetauscht und den Faust-Darsteller Christian Venske nicht mehr so häufig eingesetzt.
Für den 4. Februar ist in Berlin eine Verhandlung vor dem Landgericht terminiert. Es ist eine Güteverhandlung, die Parteien sollen sich einigen. Volz sagt, 2018 habe Manthey gegen seinen Willen eine Option zur Vertragsverlängerung bis 2023 gezogen, den Vertrag aber jetzt, wieder gegen seinen Willen, gekündigt.
Sind Volz und Illing in ihrer Eitelkeit gekränkt? Eventmanager Manthey (60), seit 33 Jahren im Geschäft, will sich grundsätzlich nicht äußern. Die Verträge mit Volz und Illing würden noch kurze Zeit laufen und Verschwiegenheitsklauseln beinhalten. An die wolle er sich halten. Nur so viel: Den Vertrag mit Volz habe er „aus wichtigem Grund gekündigt“. Das Papier regele, „wer welche Rechte und wer was zu machen hat“. Außerdem gehe es nicht nur um das Stück, sondern um ein Projekt, das zum Beispiel auch die Zugfahrten zum Brocken umfasse.
Manthey verweist darauf, dass die Rockoper eine ungewöhnlich lange Zeit lief, dass der Geschmack des Publikums sich verändere und dass er „auch wirtschaftliche Erwägungen“ zu berücksichtigen habe.
Die Situation bleibt dramatisch. Derweil bereitet der Ulmer Musikautor mit einer Veranstaltungstechnik-Firma aus dem Harz offenbar etwas Faustähnliches in Quedlinburg vor, dem Vernehmen nach soll es um die Walpurgisnacht gehen. Und auch auf dem Brocken scheinen die HSB einen eigenen Faust zu planen. Das Unternehmen hatte dies bereits verschämt angedeutet, als es Ende Oktober geheimnisvoll mitteilte: „So ist nicht auszuschließen, dass es eine Fortsetzung des Faust-Themas geben wird, wenngleich auch in Form eines neuen Stücks.“
Wer mit Beteiligten der Rockoper spricht, erfährt, dass es Absprachen mit der Technikmannschaft und anderen Beteiligten gibt. Das Drama ginge dann doppelt weiter, gleichsam mit faustdicker Konkurrenz.
Derweil läuft bei Manthey ein Ausverkauf. Auf der Internetseite seiner Agentur kündigt er einen Räumungsverkauf an: „Alle Faust-Produkte stark reduziert.“ Wenn weg, dann weg“, heißt es. Klingt unmissverständlich nach einem Abschied vom Faust aus der Rockoper.
Abgefahren: Die Fahrt mit dem Faust-Dampfzug gehörte zum Programm der Rockoper. Archivfoto: Baumgärtner