Werbung für den Geistheiler: eine Kraft, ein Kribbeln, ein Strömen

<p>Zog die Massen in seinen Bann: der angebliche Wunderheiler Bruno Gröning bei einem Auftritt in Herford. Foto: Bruno-Gröning-Freundeskreis</p>
Harz. Als Phänomen, als Wunderheiler preisen seine Anhänger Bruno Gröning (1906 bis 1959) auch heute noch. Kritiker warnen hingegen vor möglichen Gefahren und einer sektenähnlichen Verbindung.
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In Freundeskreisen suchen sie noch heute nach seiner Lehre Heilung, von Krebs, Rheuma, vom Alkohol, oder von Problemen in Schule oder Studium.
„Hilfe und Heilung auf geistigem Weg“ verspricht das Flugblatt, das für Vorträge voriges Wochenende in Clausthal-Zellerfeld, Bad Lauterberg und Wernigerode warb. Die Wirkung sei „medizinisch beweisbar“, wird für Zweifler hinzugefügt.
Auch im Landkreis Goslar ist der Bruno-Gröning-Freundeskreis präsent. Eine 73-jährige Seniorin aus dem Oberharz, seit 20 Jahren Heilpraktikerin, wie sie sagt, steht als Kontakt in den Faltblättern für die Vortragsserie. Ihren Namen will die Frau lieber nicht in der Zeitung lesen, als sie von dem Sektenvergleich hört. Dennoch lacht sie: Der Papst und Mutter Teresa gehörten doch auch zu keiner Sekte.
Die freundliche Frau spielt darauf an, dass der Bruno-Gröning-Freundeskreis 2013 von der World Peace Prayer Society mit einem Preis gewürdigt wurde, einer religiös-philosophische Organisation, die sich auf den japanischen Lehrer und Dichter Masahisa Goi beruft. Der Freundeskreis nutzt dies zur Selbstdarstellung. Auf der Internetseite heißt wird der Preis zur „internationalen Friedensauszeichnung“.
Trotz der Ehrung der nicht allzu bekannten Organisation, mancher warnt auf profane Weise vor den Heilern des Freundeskreises. Reiner Siemers von der Polizei Goslar sagt: „Man sollte auf den gesunden Menschenverstand setzen.“ Zwar sei da nichts strafrechtlich relevant. Aber mit den Einladungen solle man umgehen, als ginge es um Kaffeefahrten: ab in den Papierkorb. Die Heilpraktikerin erzählt derweil die Geschichte ihrer persönlichen Gesundung. Jahrelang habe sie unter extremer Migräne gelitten. Auf einer Esoterik-Messe sei sie auf den Freundeskreis gestoßen, habe sich einen Vortrag angehört und „eine Spontanheilung gekriegt“.
Eine typische Geschichte. Dieter Häusler aus Köfering bei Regensburg leitet den Freundeskreis bundesweit. Die Aufgabe übernahm er von seiner Mutter. Er redet dem Anrufer von der Zeitung ins Gewissen. „Haben Sie in ihrem Bekanntenkreis jemanden, der unter Schmerzen leidet und austherapiert ist?“ Solchen Menschen solle geholfen werden. Bruno Gröning, der eigentlich Grönkowski hieß, keine medizinische Vorbildung hatte und 1959 an Krebs starb, „will die Leute in die Kirchen schicken, zu Gott zurück“, erklärt die Heilpraktikerin aus dem Oberharz. Niemand müsse Mitglied werden im Freundeskreis. Wer gehen wolle, könne gehen.
Annett Hartung (36) aus Goslar hat dennoch Bedenken, für sie handelt es sich um eine sektenähnliche Verbindung. Die Goslarerin, eine Restaurantfachfrau, die sich zur Heilpraktikerin ausbilden lässt, ist Vorstandsmitglied im niedersachsenweit organisierten Verein „Netzwerk Sektenausstieg“.
Die Gröning-Anhänger seien meist von der Schulmedizin enttäuscht, sagt sie. „Es geht darum, einen Heilstrom in Empfang zu nehmen.“ Zwar gebe es tatsächlich keinen Zwang, aber eine Anti-Ausstiegsphilosophie, sagt Hartung. „Nur in der Gruppe gibt es den Heilstrom.“ So würden die Menschen „immer tiefer reingezogen“.
Sekte oder nicht? Diese Frage ist für Pfarrer Robert Giesecke, Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Landeskirche Niedersachsen, nicht relevant. Wichtig ist für ihn, dass labile Menschen, die an den Heilstrom glauben nicht mehr zum Arzt gehen oder den Rat eines Mediziners unterbewerten.
An diesem und am kommenden Samstag zeigt der Freundeskreis in Bad Lauterberg, Wernigerode und Duderstadt einen „Dokumentarfilm“, der Gröning feiert. Beworben wird er mit den Worten: „Viele Zuschauer berichten, wie sie beim Anschauen des Films plötzlich eine Kraft, ein Kribbeln, ein Strömen im Körper wahrgenommen haben.“ Einige verlören sogar Schmerzen, Behinderungen und andere Leiden. Spenden werden jeweils am Ausgang erbeten.