Zähl Pixel
Eine Revolution aus Clausthal-Zellerfeld

TU-Student erfindet Schuhe aus dem Drucker

Im Keller entstehen am Laptop die ersten Entwürfe für den Schuh.

Im Keller entstehen am Laptop die ersten Entwürfe für den Schuh.

Ein leuchtend roter Schuh mit schwarzer Sohle steht auf dem kleinen Cafétisch. „Ist der von Nike?“, fragt der Kellner interessiert. „Nein, hab ich selbst gedruckt“, antwortet Cornelius Schmitt lächelnd. Der 24-jährige ehemalige Wirtschaftsingenieurswesen-Student aus Clausthal-Zellerfeld und Geschäftsführer von Zellerfeld Inc. erntet dafür auch vom Nebentisch neugierige Blicke.

Von Annette Baran Sonntag, 25.08.2019, 10:54 Uhr

Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!

Als ich mich an einem sonnigen Wintermorgen im Februar mit Cornelius in Clausthal-Zellerfeld treffe, hat er die meiste Zeit der vergangenen zwei Jahre in einem Keller des Gründerzentrums verbracht, der von der Technischen Universität mietfrei zur Verfügung gestellt wurde. Vollgestellt mit mehreren 3D-Druckern und Laptops feilte er mit seinem Kommilitonen Franz Foltin Tag und Nacht an dem perfekten 3D-Drucker. Noch weiß er nicht, dass die nächsten Monate enorme Veränderungen bringen werden.

{picture1s} Bisher bestand sein Marketing darin, einen schwarzen und einen roten Schuh zu tragen. Das Design ist eine Mischung aus Turnschuh und spitz zulaufendem Budapester. Dass sie aus einem 3D-Drucker stammen, ist eine Weltneuheit.

Natürlich enthalten viele Alltagsgegenstände inzwischen 3D-gedruckte Komponenten. Adidas und andere Marken bieten Sneakers mit gedruckten Sohlen an. Dass es aber Cornelius gelungen ist, einen speziell auf den Druck von Schuhen konzipierten 3D-Drucker zu bauen und dass dieses Gerät „Marke Eigenbau“ auch noch tragbare und bequeme Schuhe „aus einem Guss“ druckt, das ist eine Revolution auf dem Schuhmarkt.

Weich und leicht fühlt sich der Turnschuh an. „Unsere Schuhe sind maßgeschneidert. Wir scannen die Füße innerhalb von Sekunden und speisen die Daten der Fußbeschaffenheit in eine Software ein. Der Drucker druckt dann punktgenau den Schuh. Jedes Design, jede Farbe und jeder Härtegrad der Sohle ist individuell einstellbar. So können beispielsweise Tennisspieler eine an den Seiten härtere Sohle verlangen, weil sie viel seitwärts laufen. Leute mit Rückenproblemen können genau an der Stelle, an der sie mehr Polsterung brauchen, eine weichere Sohle bekommen.

Zudem sei das Material komplett recycelfähig. „Ein alter Schuh kann geschreddert werden und wieder zu einem neuen Modell verarbeitet werden“, fügt er hinzu.

Der Weg zum perfekten Schuh war weit: „Nichts klappte“, erinnert er sich. Nächtelang lief der Drucker und fabrizierte zwar so einiges, aber nicht die gewünschte Passform. Aber Cornelius bewies trotz Schlafmangels Durchhaltevermögen: „Am Anfang dauerte es 60 Stunden, einen Schuh zu drucken. Inzwischen sind es etwa 19 Stunden“, berichtet er. Die Schuhe würden ständig verbessert, seien widerstandsfähig und luftdurchlässig, verspricht er mit Begeisterung in seiner Stimme.

Der smarte Schuhladen der Zukunft ist für Cornelius ein Ort, an dem Zellerfeld Inc. maßgeschneiderte Schuhe vor den Augen des Kunden entstehen lässt. Schuhverkäufer sind mit Scannern ausgestattet, alles ist vernetzt; und Kunden können beim Druck ihrer Schuhe den in Glaskästen aufgestellten Druckern zugucken. Wenn jemand ein älteres Paar Schuhe zurück in den Laden bringt, können diese dort sofort entsorgt werden. An den Wänden hängen Röhren mit Granulaten in allen Farben, aus denen der Schuhkäufer seine Lieblingskombination auswählt.

{picture2s} Doch ohne Eigenkapital lässt sich die Schuhrevolution nicht in die Köpfe der Kunden transportieren. Im Zeitalter der Sozialen Medien läuft ein Post von Zellerfeld Inc. Gefahr, ohne viele Follower und einem soliden Geschäftsmodel, schnell in den Tiefen Instagrams und Co. zu verschwinden.

Deshalb stand für Cornelius seit dem Morgen, an dem er vorsichtig den ersten gedruckten Schuh von der Druckerplattform hob, fest, dass seine Erfindung nicht nur die Konkurrenz auf den Plan rufen würde, sondern, dass er nun erst einmal Partner finden musste, mit deren Know-How er seine Schuhe vermarkten kann.

Auf die 800 E-Mails, die Cornelius in alle Welt an Schuhdesigner, Firmen und Experten schickte, antwortete innerhalb von Minuten Gary Chwatuk. Es ist nicht übertrieben, den Dozenten, der am Fashion Institute und an der Parson’s New School of Design in New York Kurse anbietet, als eine einflussreiche Größe in der Schuhbranche zu bezeichnen. Er hat 40 Jahre Berufserfahrung und entwarf Schuhe für große Modehäuser.

Gary wurde Cornelius Mentor und hat ihm viele Türen geöffnet. Dank Gary knüpfte er auch Beziehungen zu anderen Designern, für die es einfach zu kostspielig wäre, ihre Entwürfe ohne einen Vertrag mit großen Schuhherstellern, umzusetzen. „Einen Schuh zu produzieren, kostet um die 100.000 Euro“, weiß Cornelius.

Cornelius wusste, dass der Keller in Clausthal-Zellerfeld zwar eine Anfangsstation, aber keine Basis für ein Unternehmen sein kann. Er stellte zudem fest, dass für seine Ziele die Mühlen der deutschen Wirtschaftsförderung viel zu langsam mahlen. Obwohl er Gespräche mit Vertretern der WiReGo (Wirtschaftsförderung Region Goslar) hatte, versprach er sich von den Geldern nicht viel. „Vom Planungsantrag bis zur Überweisung, würde es neun bis zwölf Monate dauern“, so seine Berechnungen. „Auch, wenn es geschenktes Geld ist; diese Zeit habe ich einfach nicht“, begründet er seinen nächsten unternehmerischen Schachzug – nämlich, sein Glück in den USA zu versuchen.

Ein paar Wochen später treffe ich mich mit Cornelius in Brooklyn. Mit Jacket, skinny Jeans und voller Enthusiasmus lebt er den Gründungsszenengeist voll aus. Dank einiger Investoren hat er eine sechsstellige Summe auf dem Konto, die das Visum finanzieren soll. Außerdem steht ihm Peter Graeff ein weiterer Partner und Experte zur Seite. „Ohne Peter würde der Laden nicht laufen. Er kommt aus einer Schuhmacherfamilie und bringt enormes Wissen mit“, lobt Cornelius. Schon klingelt wieder sein Handy. Es kommen täglich Anfragen von Geldgebern. Cornelius ist im Startup-Mekka angekommen: In der Bedford Avenue in Williamsburg.

Hier hat der 22-jährige NYU-Student Devin James Gilmartin eine neue Geschäftsidee ausprobiert: Im „The Canvas“ gibt er verschiedenen Jungdesignern ein Fleckchen, auf dem sie eine bunte Mischung von Kimono-Kleidchen bis zu asymmetrischen Handtaschen zum Verkauf drapieren. Alles ist selbst entworfen und in Eigenarbeit produziert. Auch Cornelius hat sich einen Platz im „The Canvas“ ergattert.

Zellerfeld Inc. hat die globale Vision, dass eines Tages eine Kundin in New York morgens im Internet den Entwurf eines Schuhdesigners am anderen Ende der Welt entdeckt und die Daten an Cornelius Firma überträgt, der die Schuhe dann sofort druckt, so dass die Kundin mit der Kreation abends auf einer Party glänzen kann.

Ende August ist Cornelius diesem Ziel nähergekommen. Zurzeit wieder in Clausthal-Zellerfeld im Gründerzentrum, feilt er nun an mehrfarbigen Modellen, während er auf sein US-Visum wartet. Das erste Modell ist in New York über die Webseite fast ausverkauft. Ein 400 Dollar teures Paar Schuhe mit der gleichen Sohle, deren Abdruck Neil Armstrong auf dem Mond hinterließ.

In Deutschland ist inzwischen auch die Schuhindustrie auf Cornelius aufmerksam geworden. Christian Decker, Geschäftsführer von DESMA Schuhmaschinen, Marktführer für Schuhmaschinen und Formen, schreibt begeistert in einer E-Mail: „Das Team von Zellerfeld Inc. hat uns den, aus unserer Sicht, ersten, wirklich wettbewerbsfähigen Schuh auf den Tisch gestellt. Wir sehen darin ganz tolle Zukunftsperspektiven.“

Um sich bis an die Spitze zu kämpfen, bleibt Cornelius noch ein langer, harter Weg. Aber in bequemen Schuhen lässt es sich viel leichter nach oben klettern.

Logisch, dass  Cornelius Schmitt seine selbst gedruckten Schuhe auch selbst trägt. Es ist gleichzeitig sein Marketing. Fotos: Baran

Logisch, dass Cornelius Schmitt seine selbst gedruckten Schuhe auch selbst trägt. Es ist gleichzeitig sein Marketing. Fotos: Baran

Gary Chwatuk, Cornelius Mentor, Schuhdesigner und Dozent am Parson’s New School of Design, Cornelius Schmitt, Geschäftsführer von zellerfeld.com und Schuhdesigner Swetabjo Majumder (von links), der das erste Design für zellerfeld.com entwarf, das Cornelius auch selbst trägt, treffen sich regelmäßig in New York City.  Foto: Baran

Gary Chwatuk, Cornelius Mentor, Schuhdesigner und Dozent am Parson’s New School of Design, Cornelius Schmitt, Geschäftsführer von zellerfeld.com und Schuhdesigner Swetabjo Majumder (von links), der das erste Design für zellerfeld.com entwarf, das Cornelius auch selbst trägt, treffen sich regelmäßig in New York City. Foto: Baran

Diskutieren Sie mit!
Weitere Themen aus der Region