Nur ein Ärgernis oder auch eine Gefahr?
<p>Alte Möbel, Fahrradreifen, Holz und Plastik häufen sich auf dem Gelände. Mitunter sind auch Metalldosen zu sehen, in denen sonst Terpentinöl oder Farbverdünner verkauft werden.</p>
Harlingerode. Seit Jahren ist die „private Müllhalde“ im Gewerbegebiet Nord Anliegern, Stadt und Rat ein Dorn im Auge. Man ist sich einig: Der Abfall muss weg. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Ein Containerbetrieb, der mittlerweile über ein Insolvenzverfahren abgewickelt ist, hatte dort Abfälle gelagert. Wie die GZ bereits im Dezember 2010 berichtete, durfte der Eigentümer laut Baugenehmigung bis zu 100 Tonnen nichtgefährlichen Abfall auf seinem Grundstück lagern. Damit sind etwa Laub und Schutt gemeint.
Der Unternehmer hatte allerdings nicht nur wesentlich mehr, sondern dazu auch noch andere Stoffe als erlaubt dort abgeladen. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig (GAA) wurde mehrfach tätig und schöpfte seine Möglichkeiten laut Amtsleiter Andreas Aplowski aus: Beseitigungs- und Stilllegungsanordnungen sowie Zwangsgelder. „Es hat zu nichts geführt“, so Aplowski. Zum Beispiel verurteilte das Amtsgericht Goslar den Unternehmer 2010 zu 2400 Euro Geldstrafe, weil er 2008 nachgewiesen mehr als 1500 Tonnen Abfall gelagert hatte: Haushaltsabfälle, Bauschutt und auch krebserregende Materialien.
Von solchen gefährlichen Stoffen berichten auch Anlieger aus der Nachbarschaft. Big-Bags, also spezielle Entsorgungssäcke für asbesthaltiges Material, seien nach der Sanierung der Nord/LB offen auf dem Grundstück gelagert worden. Außerdem seien die gefährlichen Stoffe abgeladen, ein Wall aufgeschüttet und bepflanzt worden. Erde, die mit ausgelaufenem Öl verschmutzt war, soll in einem Loch in der Erde entsorgt worden sein.
Laut GAA gab es 2009 eine Durchsuchung. Nachbarn sprechen von der „Umweltpolizei“ in Ganzkörper-Schutzanzügen. Die Behörde erklärt, es sei eine Bestandsaufnahme des Offensichtlichen gewesen. Abfallmengen und die Art der Stoffe wurden katalogisiert. „Es gab nichts, was eine Gefahr darstellen würde, die das Tragen von Schutzanzügen erfordert.“ Bodenproben wurden nicht genommen.
Behördenleiter Aplowski erklärt, man habe 2009 behördenübergreifend – sprich GAA, Umweltministerium und Landkreis Goslar – abgestimmt, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe. Dem GAA sei nicht bekannt, dass Abfälle wie Asbest dort vergraben wurden, hieß es. Der Behördenleiter beruhigt: Selbst wenn unter dem Erdwall Asbest liege, sei es durch die Erde versiegelt. „Dann geht davon auch keine Gefahr mehr aus.“ Zumindest, solange keiner gräbt…
Ob es überhaupt dazu kommt, ist weiter offen. Bis dato wollte das GAA nicht tätig werden. Die Behörde hätte den Unrat nämlich über eine sogenannte Ersatzvornahme zunächst auf eigene Kosten entsorgen können. Da der Containerdienst allerdings insolvent war, stand zu befürchten, dass das Gewerbeaufsichtsamt und damit der Steuerzahler am Ende auf den Kosten sitzen bleibt. Jetzt sieht die Sache anders aus. Eine GZ-Anfrage beim Insolvenzverwalter ergab: Das Verfahren wurde im vergangenen Jahr abgeschlossen. Bereits 2010 hatte man das Grundstück freigegeben. Damals gab Aplowski an, die Entsorgung sei teurer als der Grundstückswert. Dass das Verfahren abgeschlossen ist, war beim GAA noch nicht angekommen. „Das müsste veröffentlicht werden“, so der Behördenleiter nun. Dann werde geprüft, ob der Grundstückseigentümer irgendwelche Einkünfte habe, um die Forderungen wieder durchsetzbar zu machen.
Mittlerweile ist der ganze Müll nach Aussage benachbarter Gewerbetreibender komprimiert, die Abfallberge seien über die Jahre immer weiter in sich zusammengesackt. Dem Vorwurf, die Stadt hätte bei der Vergabe des Grundstücks besser auf den Käufer achten sollen, entgegnet Thomas Beckröge, ein Gewerbegrundstück könne jeder kaufen, wenn sein Betrieb positiv erscheine. „Der ist ja nicht angetreten und hat gesagt, er will dort eine Müllhalde aufmachen“, so der Leiter des Bau- und Ordnungsamtes. Stattdessen habe der Gartenbaubetrieb schon zuvor bestanden. „Das mit dem Müll kam erst Jahre später.“ Davon kann auch die Familie des Unternehmers ein Lied singen. Eine Hälfte des Grundstücks gehört seiner Mutter. Ihren Teil – ohne Müll – hat sie an einen Verein vermietet. „Zum Sommer hin werden wir einen Zaun ziehen“, erklärt ihre Tochter, „sodass unser Grundstück sauber ist.“ Zu ihrem Bruder haben sie keinen Kontakt mehr.
<p>Auf einem Grundstück im Gewerbegebiet Nord stapelt sich der Müll. Mit den Jahren sackte dieser in sich zusammen und verdichtete sich. Fotos: Nöhr</p>