Kleine Demo gegen großen Käferfraß
Schierkes Ortsbürgermeisterin Christiane Hopstock (2. v. li.) mit dem früheren Förster Hinrich Schüler (Mitte) und CDU-Ratsfrau Cornelia Ehrhardt (3. v. re.) aus Braunlage. Fotos: Stade
Auch Hinrich Schüler ist gekommen. Der frühere Forstoberrat aus Hornburg fuhr den weiten Weg bis nach Schierke, um sich am Samstag bei ungemütlichem Wetter in Schierke an der kleinen Demonstration gegen das durch den Borkenkäferfraß verursachte Waldsterben zu beteiligen. Mit seiner Strafanzeige wegen Untreue und großflächiger Waldzerstörung gegen den Nationalpark war er gescheitert (die GZ berichtete). Hier aber wird er gehört.
Schüler ist einer von 40 Teilnehmern einer kleinen Demo am Ortseingang von Schierke, gleich gegenüber dem Campingplatz. Eingeladen hat die besorgte Ortsbürgermeisterin Christiane Hopstock (CDU). Neben Schüler sind außerdem Ilsenburgs Bürgermeister Denis Loeffke (CDU), Karl-Heinz Mänz (CDU), Ortsbürgermeister von Silstedt, und Uwe-Friedrich Albrecht (CDU), Stadtratspräsident aus Wernigerode dabei. Aus Braunlage beteiligt sich CDU-Ratsfrau Cornelia Ehrhardt. Sie alle klagen über die Borkenkäferschäden und den Nationalpark, der den Wald einfach Wald sein lässt und nicht eingreift.
Schüler erzählt, warum er den Nationalpark juristisch anging und berichtet von der „nationalen Katastrophe“, hervorgerufen durch den Borkenkäfer und die Untätigkeit des Nationalparks, der gegen Gesetze verstoße. Die Nationalpark-Grundsätze, wonach die Natur sich weitgehend selbst überlassen bleiben soll, ist für ihn eine „Ideologie“.
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Auf dem kleinen Rasenplatz hat Hopstock Banner anbringen lassen. Darauf ist zu lesen, dass sich die Ortsbürgermeisterin um den Hochwasserschutz sorgt, wenn die Bäume fehlen, um bei Starkregen das Wasser abzuhalten. Ein anderes Problem ist der Brandschutz, wenn ein Feuer das viele tote Holz erfassen sollte. Für solche Szenarien wollen die Demonstranten Antworten der Landesregierung in Magdeburg. Der Zorn richtet sich vor allem gegen Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne). Ein Investor sagte sein Projekt in Schierke ab. So steht es jedenfalls auf einem der Banner, versehen mit einer Aufforderung an Dalbert: Ein Umdenken sei jetzt gefragt, nicht blockieren.
In Ilsenburg kennen sie sich aus mit dem Borkenkäfer. Vor etwa zehn Jahren fraß der Käfer den Meineberg kahl, heute wächst wieder Grünes auf dem Hang. Aber Bürgermeister Loeffke zweifelt dennoch. Auch ihm geht es unter anderem um den Hochwasserschutz. Und wegen der großflächigen Schäden sorgt er sich um die Touristen, die wegen des Anblicks zahlloser toter Bäume möglicherweise nicht wiederkommen oder erst gar nicht in den Harz reisen. Im September habe der Rat einen Beschluss gefasst, die Umweltministerin zu einem Waldgipfel einzuladen. Loeffke und sein Rat fordern „Strategien zur Aufforstung, ausdrücklich auch im Nationalpark“, betont der Bürgermeister.
Die kleine Demo soll erst der Anfang sein, sagt Schierkes Ortsbürgermeisterin, als die Runde sich nach einer Stunde angesichts des feuchtkalten Wetters auflöst. Dass die toten Fichten rund um den Brocken, aber ebenso an vielen anderen Stellen im Harz, viele Menschen erschrecken, ist auch am Campingplatz „Schierker Stern“ gegenüber zu erfahren. Betreiberin Corina Nitschke demonstriert nicht mit, aber auch sie ist zornig. Wer sie anspricht, dem sagt sie, es vergehe kein Tag, an dem ihre Gäste nicht besorgt fragen. Mancher Stammgast, beispielsweise eine Mittsiebzigerin kürzlich, habe sogar gar geweint. Als Nitschke das sagt, zeigt sie die Gänsehaut auf ihrem Arm.
Die Menschen seien schockiert und sie selbst sei es auch. „Wir können nicht verstehen, dass keine Reaktion vom Nationalpark erfolgt.“ Gruselig sei der Anblick der toten Fichten. „Die Gäste sprechen von Endzeitstimmung.“ Einige hätten gesagt, sie kämen erst in 100 Jahren wieder, wenn der Wald in Ordnung sei. Ob denn tatsächlich Besucher wegbleiben würden? „Die Zahlen sind nicht zurückgegangen“, sagt Corina Nitschke. Im Gegenteil, Camping sei in Mode. Jahr für Jahr gebe es mehr Gäste.