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Interview: „Der Name des Mörders steht in den Akten“

<p>Axel Petermann. Foto: Stefan Kuntner</p>

<p>Axel Petermann. Foto: Stefan Kuntner</p>

Harz. Der Profiler und Buchautor Axel Petermann rollt den 20 Jahre alten Mord an Heike Rimbach in Lüttgenrode auf. GZ-Redakteur Jörg Ciszewski hat mit ihm gesprochen.

Von Jörg Ciszewski Donnerstag, 27.08.2015, 18:00 Uhr

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Warum beschäftigen Sie sich 20 Jahre nach dem Mord an Heike Rimbach als privater Ermittler mit dem Fall?

Ich bin im Rahmen von Lesungen aus meinen Büchern und Vorträgen immer wieder gefragt worden, inwieweit ich bei ungeklärten Todesfällen Unterstützung leisten könnte. Das habe ich bisher immer abgelehnt, weil ich ja selbst noch aktiv im Dienst war. Als Bremer Ermittler konnte ich ja nicht in irgendeiner anderen Stadt in irgendeinem anderen Bundesland agieren. Aber nachdem ich am 1. November 2014 im Ruhestand bin, habe ich die Freiräume dafür.

Auf den Fall von Heike Rimbach bin ich aufmerksam geworden, weil mich ein Anwalt wegen eines anderen Tötungsdeliktes angesprochen und um Hilfe gebeten hatte, und er bei dieser Gelegenheit auch erwähnte, dass es diesen Fall aus dem Harz gäbe, es sich dabei um eine lange zurückliegende Tat handle, von der Vorgehensweise des Täters in seinen Augen einzigartig. Und so kam es zum Kontakt mit der Mutter von Heike, Maria Rimbach.

Ich erfuhr, dass es sich um ein einzigartiges, ungewöhnliches Verbrechen handelt, und das sich auszeichnet durch große Brutalität und Konsequenz des Täters. Für mich stand schnell fest, ich würde versuchen, der Frau zu helfen.

Das war im Sommer letzten Jahres. Im August hatte ich die ersten Kontakte zur Familie Rimbach und dem Anwalt. Ich war mehrfach seit dem im Harz und habe dann das Tatgeschehen versucht zu analysieren, die Frage zu klären, was ist bei dem Verbrechen tatsächlich passiert.

In Ihrem Buch widmen Sie dem Fall mehr als 100 Seiten und kündigen an, mit weiteren Zeugen sprechen zu wollen. Was haben denn die Gespräche mit dem Ex-Freund, den Brüdern und Arbeitskollegen ergeben?

Ich habe mit dem früheren Chef von Heike Rimbach gesprochen, ihr Ex-Freund und der ehemalige Arbeitskollege wollten nicht mit mir sprechen. Die beiden Männer habe ich aufgesucht, aber als die dann hörten, weswegen ich gekommen bin, haben die das Gespräch das abgelehnt.

Zudem bin ich bei der Prostituierten gewesen, die vor zehn Jahren in einem Bad Harzburger Bordell Opfer eines Verbrechens war, das ich in meine Überlegungen zum Rimbach-Fall mit einbezogen hatte, denn Details der Taten wiesen Parallelen auf. Mit der Frau habe ich deshalb gesprochen, da ihre thailändische Kollegin bei demselben Verbrechen ermordet worden war. Mit der Frau habe ich das Tatgeschehen rekonstruiert. Und ich bin auch im früheren Bordell gewesen, um mir einen Eindruck vom dortigen Tatort zu machen.

Letztendlich ist es so, dass ich noch mit weiteren Personen sprechen möchte, ich deshalb auch noch kein fertiges Bild von dem habe, was sich am 28. August 1995 auf dem Dachboden in Lüttgenrode zutrug und wie ich die Persönlichkeit von Heike einschätzen kann.

Mit den Brüdern, mit dem früheren Geschäftspartner der Familie Rimbach und mit Heikes letztem Freund.

Sie haben es schon angesprochen. Es gab Spekulationen, dass der Mord an Heike Rimbach von demselben Täter begangen worden sein könnte, der vor zehn Jahren eine thailändische Prostituierte in Bad Harzburg ermordet hat. Ist diese Theorie vom Tisch?

Also ich denke, dass beide Taten sehr viel Gewalt aufweisen, dass es zudem weitere Parallelen gibt. Nämlich dass Einschlagen auf den Kopf der Opfer, die Stiche, aber letztendlich denke ich, dass es bei Heike Rimbach eine Tat aus der Situation heraus war, während bei dem anderen Mord beim Täter seine latente Tatbereitschaft vorlag. Bei Heike Rimbach kann ich mir eine Tat der Nähe vorstellen, dass es dabei möglicherweise um verletzte Eitelkeiten und Gefühle geht. Darum, nicht mit einer Situation leben zu können. Ich gehe davon aus, dass Täter und Opfer sich kannten, dass die sich auch vertraut gewesen sein könnten. Und bei dem Mord an der Thailänderin in Bad Harzburg könnte das Motiv Hass auf Prostituierte sein.

Lässt sich das Profil des Täters noch weiter spezifizieren?

Ich hoffe, dass sich das noch weiter spezifizieren lässt, aber ich bin noch nicht fertig mit meinen Befragungen und den Recherchen. Ich bin mir sicher: Der Name des Mörders steht in den Akten. Und deswegen möchte ich da im Moment auch nicht mehr zu sagen.

Können Sie ausschließen, dass es ein Familiendrama gewesen ist?

Es ging ja in der Vergangenheit darum, dass es ein Familiendrama gewesen sein könnte. Das haben die Ermittler ja anfangs gedacht. Ich habe nicht den Eindruck, dass es sich bei der Tat um ein Familiendrama handeln dürfte.

Sie bezeichnen sich als Profiler. Wie arbeiten Sie?

Ich versuche, das Geschehen so genau wie möglich zu rekonstruieren. Ich möchte wissen, wie die Tat vor sich gegangen ist, wie der Täter gehandelt hat, wie das Opfer reagiert hat, wie also die Interaktion war. Ich muss das Motiv verstehen, um dann etwas zur Persönlichkeit des Täters sagen zu können. Täter haben Bedürfnisse und Fantasien, sie treffen Entscheidungen bei der Ausführung der Verbrechen. Diese Entscheidungen sehe ich als Spuren am Tatort, sehe ich am Opfer, was die Verletzungen betrifft, was die Art des Tötens betrifft. Und ganz wichtig ist: Ich möchte wissen, wer ist der Mensch, der getötet wurde. Galt die Tat speziell dieser Person? Hätte es auch ein anderer Mensch sein können, wenn er zu dieser Zeit am Ort gewesen wäre? Also: Gezielt ausgesucht oder zur falschen Zeit am falschen Ort? Ich versuche, die Tat in möglichst viele Sequenzen zu zerlegen, um das, was dort passiert ist, auch tatsächlich zu verinnerlichen. Wie bereits erwähnt: Wenn ich das Verbrechen verstanden habe, kann ich auch etwas zu dem Motiv und zur Persönlichkeit sagen.

Wie groß ist die Chance, dass der Mörder nach all den Jahren doch noch überführt und verurteilt wird?

Also ich bin da mal optimistisch. Ich selbst habe Fälle erlebt, die erst nach 20 Jahren, oder in einem Fall erst nach 40 Jahren geklärt werden konnten. Von daher denke ich, dass es durchaus gute Chancen gibt.

Wie gestaltet sich in diesem Fall die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Justiz, wenn Sie als privater Ermittler arbeiten?

Also die Zusammenarbeit war insofern gut, weil die Ermittler mir den Tatort gezeigt haben, ich bin mit Frau Rimbach im Präsidium gewesen und habe die Tatortfotos einsehen können. Bevor das Buch erschien, bin ich bei den Ermittlern und der Staatsanwaltschaft gewesen und habe ihnen meine Rückschlüsse mitgeteilt. Ich fand das sehr fruchtbar.

Es gab in der Vergangenheit viel Kritik an den Ermittlungen. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Was ich jetzt kennengelernt habe, ist professionell. Zu dem anderen kann und will ich nichts sagen.

Stehen Sie in regelmäßigem Kontakt zu Frau Rimbach?

Wir haben einmal die Woche, manchmal auch nur alle 14 Tage miteinander Kontakt. Wenn wir nicht telefonieren, dann schreiben wir uns schnell eine Nachricht. Zuletzt bin ich vor sechs Wochen im Harz gewesen. Für den Herbst plane ich erneut dort hinzufahren.

Sie bezeichnen sich in dem Fall als „Pro-Bono-Ermittler“. Was ist darunter zu verstehen?

Dass ich gesagt habe, ich übernehme den Fall. Dass ich allerdings anders als ein Anwalt nicht ausschließlich die Interessen eines Klienten vertrete, sondern frei in meiner Meinung bleiben möchte. Und ich habe darum gebeten, dass ich detailliert und in allen Einzelheiten über den Fall berichten kann.

Durch Sie erfährt der Fall jetzt erneut Aufmerksamkeit. Denken Sie, dass das hilfreich für die Aufklärung sein kann?

Ich denke, dass das hilfreich sein kann. Ich denke, dass es ganz, ganz wichtig ist, auch durch das Buch zu zeigen, dass es Heike Rimbach und dieses Verbrechen gab. Auch zu zeigen, was es bedeutet, Opfer zu werden, was es bedeutet, Angehöriger zu sein, dass das Leben sich von einer Sekunde auf die andere total verändern kann. Und wichtig ist auch, dass der Täter weiß, dass das, was er getan hat, nicht in Vergessenheit gerät. Dass er sich nicht sorglos fühlen kann und denken soll, es würde nichts passieren.

Es gibt den Vorwurf, dass Sie mit diesem spektakulären Fall in die Öffentlichkeit gehen, um damit auch Ihr Buch zu verkaufen. Was sagen Sie dazu?

Letztendlich geht es mir darum, dass diese Verbrechen im Bewusstsein bleiben sollen. Wie sollte das gehen, wenn man nicht darüber berichten würde. Das tun Sie ja auch. Sie berichten ja auch über das Verbrechen. Ich denke, dass es der Anspruch der Angehörigen ist, zu erfahren, was genau passiert ist, um das Ansehen von Heike zu wahren, dass sie letztendlich auch ihre Würde behält. Deshalb finde ich das auch legitim, was ich tue. Auch deshalb, weil Heikes Mutter mich dazu aufgefordert hat.

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