Helmut Reichertz: Ein Leben für das Skispringen
Maximilian Kaiser
Wenn am Wochenende in Braunlage die Nord-Westdeutsche Mattenschanzentournee zu Gast ist, dann ist auch Helmut Reichertz mit seinen 77 Jahren vor Ort. Denn Skispringen ist sein Leben.
Vor einigen Jahren haben Eltern Helmut Reichertz als Dank für seine unermüdliche Arbeit eine Bank gestiftet. Die steht nun am Auslauf der Brockenwegschanze in Braunlage, und bisweilen nimmt Reichertz dort auch Platz. Aber eben nur bisweilen.
Denn auch mit 77 Jahren ist er in seinem zweiten Wohnzimmer viel unterwegs. Fast jeden Tag fährt er mit seinem E-Bike zur Anlage, die er ein „kleines Paradies“ nennt. Auch das will gepflegt sein. Und so werkelt er, schraubt, mäht im Sommer Rasen und walzt im Winter Schnee, ist Schanzenchef und schaut auch bei fast jedem Training vorbei. „Skispringen“, sagt Reichertz, „war immer mein Leben.“ Da verblasst selbst sein zweites großes Hobby, das Zitherspielen.
Als Zehnjähriger absolvierte er seinen ersten Wettkampf, es waren die Zeiten, als die Weitenjäger noch mit den Händen nach vorn den Hügel hinabflogen. „Wir hatten damals nichts anderes“, erzählt er, „wir sind raus, haben uns selbst Schneeschanzen gebaut und eigene Wettkämpfe inszeniert, in jedem Ortsviertel.“ Sein aktiver Teil der Karriere führte ihn dann aus dem Harz, unter anderem nahm er zweimal an der Vierschanzentournee teil.
Das Erlebte wollte er weitertransportieren und stieg bei seinem Heimatverein WSV als Trainer ein. Dort führte er Generationen ans Skispringen heran, das er so liebt. Warum? „Es heißt ja nicht umsonst, nur fliegen ist schöner.“ Kaum eine andere Sportart sei derart in der Lage, Kindern und Jugendlichen Selbstbewusstsein zu verleihen.
Dass es am Ende geschlagene 55 Jahre im Traineramt waren, lag daran, dass sich lange kein Nachfolger fand. Das hat sich jetzt geändert: Mit Jens Riemann, Maximilian Kaiser und Jens Koch hat sich ein Trio gebildet, das den WSV-Dauerbrenner abgelöst hat. Ganz ist er noch nicht aus dem Geschäft. Da er als Einziger über eine B-Lizenz verfügt, wird er noch als Verbandstrainer beim Niedersächsischen Skiverband geführt. Auch das soll sich bald ändern.
Skispringen in Braunlage, das war aber auch immer ein Kampf. Ein Kampf zum Beispiel, um Kinder für diesen Sport zu gewinnen. Ein Kampf auch, wenn die Vereine aus den großen Wintersportzentren im Harz die Talente abgrasten. „Das waren für mich immer ganz bittere Momente, wenn andere die Früchte unserer Arbeit geerntet haben“, sagt Reichertz. Letztlich aber fehlte die Infrastruktur, um mit den Schwergewichten der Branche mithalten zu können. Über die Unterstützung durch den Landesverband fürs Skispringen schweigt er lieber.
„Ich bin aber ein Mensch, der hauptsächlich nach vorn guckt“, sagt er. Und so packte er an, immer wieder. Auf seine Veranlassung entstand zum Beispiel in Eigenarbeit die Schülerschanze am Brockenweg. „Unsere wichtigste Schanze, denn da fängt alles an.“
Und als vor einigen Jahren Ex-Springer Olaf Schilling 5000 Euro als Grundstock für eine Beschneiungsanlage stiftete, klappert Reichertz so lange Sponsoren ab, bis er die komplette Summe zusammenhatte. „Der Einzelne ist aber nichts. Ich habe immer viele Helfer gehabt.“ Und ohne die Unterstützung seiner Frau Elli wäre alles ohnehin nicht möglich gewesen.
Solange die Gesundheit mitspielt – die Knochen melden sich nach 40 Jahren Arbeit als Heizungsbauer inzwischen häufiger – will der Herr der Braunlager Schanzen weitermachen.
Zurzeit laufen die Vorbereitungen auf die Nord-Westdeutsche Mattenschanzentournee, die am Wochenende in Braunlage zum 35. Mal Station macht. Einer der Gründerväter – Helmut Reichertz. Seinen Platz auf der Ehrenbank, davon kann man ausgehen, wird er am Samstag nicht einnehmen können. Es gibt mal wieder viel zu tun.