Gegen „systematisch betriebenen Leistungsabbau“
Vor zehn Jahren schon einmal in gleicher Doppelbesetzung beim Philologentag: Der damalige Kultusminister Bernd Busemann (re.) und Festredner Josef Kraus flankieren den seinerzeitigen Vorsitzenden Guillermo Spreckels. Foto: GZ-Archiv
Goslar. Die Stammgäste kommen wieder, wenn auch zu anderer Zeit als sonst üblich: Nicht in der Woche vor dem ersten Advent, weil Hotel-Kapazitäten ausgelastet waren, sondern schon am 7./8. November tagt Niedersachsens Philologenverband in der Welterbestadt und feiert einen runden Geburtstag mit Landtagspräsident Bernd Busemann als Ehrengast in der Kaiserpfalz. Das Motto lautet deshalb ebenso schlicht wie treffend: „70 Jahre Philologenverband – steter Einsatz für ein starkes Gymnasium“.
Goslar. Die Stammgäste kommen wieder, wenn auch zu anderer Zeit als sonst üblich: Nicht in der Woche vor dem ersten Advent, weil Hotel-Kapazitäten ausgelastet waren, sondern schon am 7./8. November tagt Niedersachsens Philologenverband in der Welterbestadt und feiert einen runden Geburtstag mit Landtagspräsident Bernd Busemann als Ehrengast in der Kaiserpfalz. Das Motto lautet deshalb ebenso schlicht wie treffend: „70 Jahre Philologenverband – steter Einsatz für ein starkes Gymnasium“.
Mehr als 350 Delegierte aus den Gymnasien, Gesamtschulen und Studienseminaren des Landes treffen sich zu diesem Philologentag. Sie repräsentieren mehr als 7800 Mitglieder aus Niedersachsens Lehrerschaft und beschäftigen sich mit 701 Anträgen aus den Orts- und Bezirksverbänden.
Schwerpunkte der Beratungen werden Forderungen des Verbandes an eine neue Landesregierung sein, „schnellstmöglich zu einer umfangreichen Mängelbeseitigung zu kommen, wie wir das unseren Schülern schuldig sind“. Dazu gehören aus Sicht der Philologen neben der weiterhin ungelösten Frage der Lehrerarbeitszeit die schlechte Unterrichtsversorgung und die erforderlichen Lehrereinstellungen. Zahlreiche Anträge beschäftigen sich mit den umstrittenen Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grundschulen und andere Schulformen, die zu weiterem Unterrichtsausfall an den Gymnasien geführt haben.
In diesem Zusammenhang sind laut Pressemitteilung Beschlüsse auch zur künftigen Besoldung der Gymnasiallehrer abzusehen, die ebenfalls eine Erhöhung erwarten, nachdem erkennbar wird, dass es Überlegungen gibt, die Bezahlung der Lehrkräfte anderer Schulformen anzuheben. Weitere Beratungsschwerpunkte sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Bildungsauftrag und den Unterricht des Gymnasiums. Zudem geht es um die Inklusion, zu der angesichts großer Probleme in den Schulen besonders viele Anträge vorliegen.
Gleiches gilt demnach auch für die Kompetenzorientierung, bei der nur noch Kompetenzen ohne Bindung an verbindliche Inhalte und solides Sachwissen als Lernziel ausgegeben werden, was in Schule und Hochschule nach Auffassung der Philologen zunehmend auf Distanz und Widerstand stößt. Die Philologen wollen auch auf weitere Aspekte eines „systematisch betriebenen, offenen und schleichenden Leistungsabbau“ hinweisen. Sie gefährden nach Ansicht der Philologen den Bildungsauftrag des Gymnasiums und das Niveau der schulischen Arbeit.
An welche Adresse sollen die Philologen ihre Forderungen richten? Die bisherige Kultusministerin Frauke Heiligenstadt hatte kurz nach der Wahl erklärt, ihr Amt künftig nicht mehr weiterzuführen. Den Philologen dürfte dieser Schritt hochwillkommen sein. Mit der Sozialdemokratin aus Katlenburg hatten sie auch in Goslar so manchen Strauß ausgefochten. Das Verhältnis war schlecht. Es ist allerdings nach Stand der Dinge wenig wahrscheinlich, dass der Verband seine schulpolitischen Wunschvorstellungen erfüllt bekommt (siehe Kasten).
Mit dem scheidenden Landtagspräsidenten Bernd Busemann haben sie sich einen Mann als Ehrengast eingeladen, der nach der Wahl 2003 in Goslar als Kultusminister das Aus für die Orientierungsstufen und das Abitur nach Klasse12 erklären durfte – sehr zum Gefallen der Delegierten. Busemann ist seit 1994 im Landtag. Im Oktober 2017 holte er erneut das Direktmandat für seinen Wahlkreis Papenburg. Von 2003 bis 2008 war er Kultusminister, von 2008 bis 2013 Justizminister des Landes. Der CDU gehört er seit 1971 an. Nachdem vor zwei Jahren Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu einem Vierteljahrhundert deutscher Einheit und Partnerschaft der Philologenverbände Niedersachsens und Sachsen-Anhalts Ehrengast in der Pfalz gewesen ist, kommt nun zum 70.Geburtstag wieder Busemann. Den Festvortrag hält Josef Kraus. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes aus Bayern ist auch nicht das erste Mal in Goslar – 2007 sogar zusammen mit Busemann – und spricht ebenfalls über die Folgen von „Leistungsabbau und Wohlfühlpädagogik“. Das Thema lautet: „Gymnasiale Bildung: Ohne Inhalte und ohne Anstrengung geht es nicht“.
Im Juni 1947 war es in Hannover zu einem ersten Zusammenschluss von Lehrern an – wie es damals hieß – „höheren Schulen“ gekommen. Insofern hätte sich, so schreibt Ehrenvorsitzender Roland Neßler in der Verbandszeitschrift, die Landeshauptstadt als Ort dieser Festveranstaltung ebenfalls empfohlen. „Doch die Stadt Goslar erhielt den Vorzug als Dank und Anerkennung für ihre jahrelang bewährte und dem Philologenverband zugeneigte Gastlichkeit“, heißt es dort. Fanden die ersten Philologentage nach der Gründung an den verschiedensten Orten in Niedersachsen statt, ist Goslar seit den 90er Jahren als Tagungsort gesetzt. Manche richtungsweisende Entscheidungen, so Neßler, seien deshalb untrennbar mit dem Namen der alten Kaiserstadt verbunden und als „Goslarer Beschlüsse“ in die Schul- und Bildungspolitik eingegangen.
Wahlwünsche
- Schon am Tag nach der Wahl zum Niedersächsischen Landtag hatte sich der Philologenverband zu deren Ausgang und erhofften Auswirkungen auf die Schulpolitik zu Wort gemeldet: Zwar wolle man, so Sprecherin Helga Olejnik am 16. Oktober, das Wahlergebnis nicht unter parteipolitischen Aspekten bewerten, aber es könne keinen Zweifel daran geben, dass die bisherige Landesregierung einen schulpolitischen Kurs gefahren habe, der sich gegen ein leistungsfähiges Schulwesen und insbesondere die Gymnasien gerichtet habe.
- Mit Blick auf das Wahlergebnis könne der „dringend erforderliche Kurswechsel“ am besten in einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen erreicht werden. Es sei aber unabdingbar, dass die Grünen zur Realisierung des neuen Kurses deutliche Abstriche an ihren bisherigen „verhängnisvollen schulpolitischen Zielsetzungen“ machen müssten.
- „Wir brauchen in der Grundschule und in den weiterführenden Schulen wieder ein leistungsfähiges Schulwesen – nur so können wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichern“, unterstrich Olejnik abschließend. Jetzt sieht es nach der GroKo aus – und die Philologen müssen abwarten, wer nach der ungeliebten Frauke Heiligenstadt (SPD), die ihr Aufhören angekündigt hat, auf dem Chefsessel im Kultusministerium Platz nimmt.