Für die German Doctors um die halbe Welt
Warten auf den Arzt aus Deutschland: Wenn Dr. Jörg Dreysel angekündigt ist, bilden sich vor den provisorischen Praxen teils lange Warteschlangen. Fotos. Privat, dpa (1)
Goslar. Der Goslarer Dr.Jörg Dreysel behandelt für die Hilfsorganisation sechs Wochen lang bedürftige Menschen auf den Philippinen.
Krätze, fortgeschrittene Tuberkolose, schwere Nierenschäden als Folge bakterieller Infektionen: Solchen Erkrankungen begegnet ein deutscher Arzt in der Heimat während seines Berufslebens in der Regel nicht mehr. Dr.Jörg Dreysel aus Goslar hat zwischen Anfang August und Mitte September fast täglich Menschen mit solchen Leiden behandelt. Für die Hilfsorganisation German Doctors war der 75-jährige Allgemeinmediziner sechs Wochen lang auf den Philippinen im Einsatz.
Cagayan de Oro mit seinen rund 600.000 Einwohnern ist die zweitgrößte Stadt auf Mindanao und Luftlinie 10.865 Kilometer von Goslar entfernt. Mindanao wiederum ist die zweitgrößte Insel der Philippinen und deren südlichster Teil. Rodrigo Duterte, seit Ende Juni Präsident der Philippinen, stammt von dort. Er ist für seine verbalen Kraftmeiereien berüchtigt, nannte unter anderem den US-Botschafter in Manila einen „schwulen Hurensohn“ und war vorher viele Jahre lang Bürgermeister von Davao, der größten Stadt der Insel.
Seine Ruppigkeit scheint nach den Erfahrungen des Goslarers Dreysel jedoch nicht typisch für die Menschen aus dieser Region zu sein. Der deutsche Arzt, der für den Hinflug über Indien und Taiwan 32 Stunden brauchte (zurück ging es auf der anderen Seite der Erde über Japan, Sibirien und Skandinavien), erlebte viel Herzlichkeit. „Es sind einfach nette Menschen, die ihre Dörfer sauber halten und mit Hingabe ihre vielen Blumen pflegen“, sagt der Mediziner, der von 1980 bis 2010 in Vienenburg praktizierte und eigentlich keine großen Worte über sein Wirken machen will. Was die German Doctors sind und tun (siehe Kasten unten), sei wichtig – nicht seine Person. Trotzdem: Dreysel hat viele beeindruckende Bilder von seinem Einsatz mit nach Hause gebracht, die ihre eigenen Geschichten erzählen. Im halben Dutzend auf dem Motorrad oder auf einem Wasserbüffel: Wenn der Doktor da ist, kommen die Menschen aus den entlegenen Bergregionen in Scharen. Klapprige Autos fahren durch reißende Flüsse, über die wiederum wackelige Hängebrücken führen – abenteuerlich.
Oder nicht? Dreysel will nichts zu hoch hängen. Anders als „Ärzte ohne Grenzen“ gingen die German Doctors nicht in Krisengebiete. „Wir helfen den Armen, die es sich sonst nicht leisten können“, erklärt Dreysel – vor allem die teuren Medikamente. Der Einsatz selbst sei eigentlich ohne Risiko, ein ganz normaler Arbeitstag. Wirklich normal? „Manchmal vielleicht ein wenig stressig.“ Und die Räumlichkeiten sind natürlich anders als in Deutschland. Und die Unterbringung war jetzt nicht immer das, was man unter komfortabel verstehen mag. Aber Dreysel war ja auch auf den Philippinen, um zu helfen. Nach zweiwöchiger Einführung in Cagayan de Oro ging es zweimal für jeweils zehn Tage am Stück über Schotterwege in die entlegensten Dörfer. Vom fast Neugeborenen bis zum Sterbenden hat er alle behandelt – 30 bis 100 Menschen am Tag.
Erschütternd, wenn ein Mann mit drei Schlaganfällen nur deshalb den nächsten nicht entgehen wird, weil er sich die Arzneien für die notwendige Blutgerinnungshemmung nicht leisten kann.
Aber was hat Dreysel auf die Philippinen getrieben? „Ich wollte das alles noch einmal vor Erreichen der Altersgrenze erleben“, sagt er. 2012 war er für die German Doctors nämlich schon in Bangladesch. Viele Worte hat er damals nicht gemacht. Jetzt will er Beispiel geben.
Die German Doctors leisten freiwillige Arzteinsätze in Entwicklungsländern. Sie sind eine international tätige Nichtregierungsorganisation, die unentgeltlich arbeitende Ärzte in acht Projekte auf den Philippinen (Cebu, Mindoro und Mindanao), in Indien (Kalkutta), Bangladesch (Chittagong und Dhaka), Kenia (Nairobi) und Sierra Leone (Serabu) entsendet.
1983 ursprünglich als „Ärzte für die Dritte Welt – German Doctors“ gegründet, trägt der Verein inzwischen den früheren Zusatz German Doctors als alleinigen Namen – treffend, zeitgemäß und unverwechselbar, wie die Organisation betont.
Wie funktioniert der Einsatz? Die Ärzte arbeiten in ihrem Jahresurlaub oder im Ruhestand für einen Zeitraum von sechs Wochen und verzichten auf jegliche Vergütung. Seit 1983 wurden mehr als 6700 Einsätze mit mehr als 3100 Medizinern organisiert.
Neben der Tätigkeit in den eigenen Projekten unterstützen die German Doctors derzeit 66 Partnerprojekte in 23 Ländern durch finanzielle Zuwendungen oder durch Medikamentensendungen.
Sie kümmern sich um Gesundheitsversorgung und Ausbildung benachteiligter Menschen. Durch Präventivmaßnamen wie begleitende Ernährungsprogramme oder Hygieneschulungen sind sie zudem bestrebt, die Gesundheit der Patienten auch langfristig zu verbessern. Hilfe wird allen Menschen ohne Ansehen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Staatsangehörigkeit, politischer Überzeugung oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen gewährt.
Die German Doctors sind auf Spenden angewiesen. Die Kontoverbindung lautet: IBANDE12520604100004888880, BICGENODEF1EK1
Aber kommt das Geld auch dort an, wo es der Spender haben will? Klares Signal: Seit 1992 hat der Verein Jahr für Jahr das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) erhalten, das als Gütesiegel für seriöse Spendenorganisationen gilt. Es belegt demnach, dass eine Organisation mit den ihr anvertrauten Geldern nicht nur sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht, sondern auch leistungsfähig, transparent und wirtschaften sparsam arbeitet.
Der Verein ist beim Amtsgericht Bonn eingetragen, gemeinnützig und mildtätig. Die Mitgliederversammlung, das Präsidium und der Vorstand bilden die Organe. Zusätzlich gibt es ein Kuratorium, dessen Mitglieder vom Präsidium berufen wurden.
An dessen Spitze steht seit 1998 eine prominente Frau: Schauspielerin Dr. Maria Furtwängler unterstützt den Verein vor allem bei der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen und den Medien. Die Ehefrau von Verleger Hubert Burda ist eben nicht nur Tatort-Kommissarin, sondern auch promovierte Ärztin. Sie ist zudem Großnichte des Dirigenten Wilhelm Furtwängler und – aus Goslarer Sicht besonders interessant – Urenkelin der Politikerin Katharina von Kardorff-Oheimb. Die Reichstagsabgeordnete aus der Frühphase der Weimarer Republik leitete unter anderem Ausbildungskurse in ihrer Goslarer Villa am Oberen Triftweg 30 zur politischen Emanzipation der Frau. Furtwängler setzte sich erstmals in Nairobi für die Arbeit der German Doctors ein. Seither war sie mehrmals in Indien und zuletzt auf den Philippinen vor Ort. Quelle: German Doctors
Wie viel wiegt das Baby?
Sprechstunde: Dr. Jörg Dreysel behandelt seine Patienten in den Dörfern auf Mindanao.
Mit einer Büffelstärke unterwegs.
Für sechs Personen ist locker Platz.
Ein Paradies für Fisch-Liebhaber.
Einsatz Dr. Jörg Dreysel bei den German Doctors auf den Philippinen