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Die Camper erobern das Kreuzeck zurück

<p>Die Natur erwacht, im Hintergrund lockt das Wasser: Lydia Böttcher und Lars Ruhm erleben auf ihrem Campingplatz am Kreuzeck derzeit eine riesige Nachfrage.</p>

<p>Die Natur erwacht, im Hintergrund lockt das Wasser: Lydia Böttcher und Lars Ruhm erleben auf ihrem Campingplatz am Kreuzeck derzeit eine riesige Nachfrage.</p>

Hahnenklee. Wo ließen sich ein paar freie Tage in Corona-Zeiten besser verbringen als an der frischen, klaren Harzer Luft, die in Hahnenklee sogar noch von ausgewiesener Kurort-Güte ist? In der erwachenden Natur begrüßen seit Montag auch Lydia Böttcher und Lars Ruhm ihre Gäste wieder auf dem Campingplatz Kreuzeck und sind sich sicher, dass die Nachfrage in diesem Sommer massiv in die Höhe schießen wird.

Freitag, 15.05.2020, 12:18 Uhr

Seitdem das Öffnen der Campingplätze feststeht, herrscht auf der Online-Seite des Kreuzecks täglich rekordverdächtiger Besuchsverkehr im vierstelligen Bereich, berichtet Ruhm von durchaus nicht alltäglichen Werten: „Das haben wir sonst nur nach einem Fernsehbericht.“ Und während das Haupteinzugsgebiet vor allem im deutschen Norden und Nordrhein-Westfalen liege, seien jetzt auch vermehrt Anfragen aus Bayern und Baden-Württemberg zu verzeichnen, wo die Camper noch ein wenig länger warten müssen. „Die Leute wollen jetzt raus in die Natur“, wundert sich Böttcher überhaupt nicht. Für den Mai sei ihr Platz schon so gut wie ausgebucht.

Wobei die Zahl der Nutzer auch in Niedersachsen noch gedeckelt ist. Erlaubt sind 50 Prozent – Böttcher und Ruhm rätseln wie andere auch, was diese Grenze eigentlich beschreibt. Die Zahl der Stellplätze? Oder Personen, die aufs Gelände dürfen? Zu Normalzeiten sind 200 Stellplätze verfügbar. In der Krise gibt es wie in anderen Einrichtungen auch ein Hygienekonzept. Inzwischen sei auch mit den Ministerien in Hannover geklärt, so Böttcher, dass der Sanitärbereich unter Auflagen – etwa nur jedes zweite Waschbecken und mit drei Reinigungsintervallen am Tag – genutzt werden darf. Nur die Sauna bleibt komplett dicht.

Wie ist der Platz am Kreuzeck bislang durch die Krise gekommen? „Wir machen uns keine existenziellen Sorgen“, sagt Böttcher, „wir haben gut gewirtschaftet, nicht groß fremdfinanziert – ich kann nachts ganz entspannt schlafen.“ Die Zahl der Stammgäste sei hoch, jetzt bestehe sogar die riesige Chance, noch mehr Menschen von der Oberharzer Idylle zu überzeugen: „Wer sonst nach Kroatien gefahren ist, schaut jetzt vielleicht nach Hahnenklee.“

Fast aufs Wort fährt am Mittwoch Stephan Deventer aus dem Dörfchen Schliekum bei Sarstedt mit seinem Gespann auf den Platz. Im Harz war er schon öfter zum Campen, jetzt feiert er seine Kreuzeck-Premiere. „Ich habe online geschaut, und der Platz hat mich mit seinem sympathischen Auftritt überzeugt“, sagt der Mann mit großer Erfahrung in der Touristik-Branche. Er ist beim Tui-Konzern beschäftigt und nutzt eine Kombination aus Urlaub und Kurzarbeitstagen zum Ausspannen in der Natur. Die Ruhe ist ihm wichtig – und das Angeln, das im nahen Teich problemlos möglich ist. Für das Wochenende kommt seine Frau nach. Was kann ein Camper-Herz mehr wollen?

Apropos Natur und Idylle: Im April, als das Virus Deutschland fest im Würgegriff hatte, war das Kreuzeck buchstäblich der Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Als Böttcher auf Bali festsaß, war Ruhm der einzige Mensch auf dem Platz. Eine Füchsin, die sonst ab und zu einen abendlichen Ausflug auf den Platz wagt, ließ sich plötzlich auch tagsüber blicken. Irgendwann hoppelten auch Langohren über das Gelände.

Wer so viel Gutes, aber bisher nur den halben Platz zu bieten hat und solche Nachfrage erlebt – ruckelt der an den Preisen? „Nein, aus Überzeugung nicht“, sagt Böttcher. Sie will nicht den Stab über Platzbetreiber brechen, die vielleicht aus der Not heraus so handeln müssten. „Einige haben sicherlich aber auch das Dollarzeichen in den Augen“, will sie andere Motivationen nicht ausschließen.

Wie geht es für den Kurort im Sommer insgesamt weiter? Böttcher ist Vorsitzende des Vereins Hahnenklee-Bockswiese Touristik, der rund 120 Mitglieder repräsentiert und als Hauptgesellschafter der Hahnenklee Tourismus Marketing (HTM) zeichnet. „Ich habe schon das Gefühl, das bei einigen die Nerven ziemlich blank liegen“, räumt Böttcher ein. Der Grund liege in den vielen Fragezeichen, die hinter der Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten stünden.

Zimmer, die für den Start nur im Sieben-Tage-Rhythmus vergeben werden dürfen – egal mit welcher Mietzeit –, sind fast das kleinste Problem. Für Ferienwohnungen vermutet Böttcher eine normale Auslastung. Aber wie sehr profitieren die großen Hotels von einem erwarteten Zuwachs im Deutschland-Tourismus? Bei Individualreisen sei von enormer Bedeutung, „wie gut die Hotels gefunden werden“, betont Böttcher die Bedeutung des Internet-Auftritts. Aber was ist mit jenen, die bisher einen hohen Anteil an Bus-Reisenden unter ihren Gästen haben? Ob und wann diese Form des Verreisens unter Corona-Vorzeichen (noch) möglich ist? Und: Fahren die Älteren in diesem Sommer überhaupt weg? Böttcher: „Die Verunsicherung ist groß.“

Auf die Tränendrüse drückt hier niemand: Lydia Böttcher hat ihren unfreiwillig langen Aufenthalt auf der Trauminsel im Indischen Ozean durchaus sehr genossen. Geplant war der Abstecher mit Freunden aus der Marketing-Branche aber doch anders, als sie am 12. März aufbrach. In Deutschland stand die Lockdown-Phase gerade unmittelbar bevor. Auf Bali durfte ab dem 18. März kein Tourist mehr einreisen: „Die Insel wurde leerer und leerer.“

Eine erste kleine Panik setzte ein, als ihre Fluglinie Emirates am 23. März den Betrieb einstellte. Der Flughafen in Dubai wurde geschlossen. Die Rückreise war für den 29. März geplant. Böttcher ließ sich für die Rückholaktion des Auswärtigen Amtes eintragen. Als sie Bilder vom ersten Rückflug mit langen Schlangen und vollen Maschinen sah, verzichtete sie dankend. Die Hoffnungen ruhten jetzt auf Qatar Airways und einer indonesischen Gesellschaft.

Die anfangs massiv angezogenen Preise waren am 7. April wieder auf ein Drittel der Summe gefallen, als Böttcher letztlich ins Flugzeug stieg. „Zwei Wochen fast ganz allein in der Anlage – traumhaft“, so Böttcher. Eher aus der Rubrik Albtraum: Nachdem auf den Flughäfen vorher alle Menschen Masken getragen und Abstand gehalten hatten, landete sie in Frankfurt. „Und nur dort ging es so zu, als ob es Corona nie gegeben hätte.“

Kreuzeck-Premiere: Stephan Deventer hat als Tui-Mitarbeiter viel Erfahrung im Pauschaltourismus. Der Mann aus der Nähe von Sarstedt ist zwar schon erprobter Harz-Camper, genießt aber das erste Mal die Natur und die Ruhe auf dem Hahnenkleer Platz.

Kreuzeck-Premiere: Stephan Deventer hat als Tui-Mitarbeiter viel Erfahrung im Pauschaltourismus. Der Mann aus der Nähe von Sarstedt ist zwar schon erprobter Harz-Camper, genießt aber das erste Mal die Natur und die Ruhe auf dem Hahnenkleer Platz.

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