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Der letzte Flug der „Silbernen Gams“

<p>Ihren letzten „Flug“ tritt die Transall gestern an, als sie vor vielen Schaulustigen auf das Museumsdach gehoben wird. Foto: Bruns</p>

<p>Ihren letzten „Flug“ tritt die Transall gestern an, als sie vor vielen Schaulustigen auf das Museumsdach gehoben wird. Foto: Bruns</p>

Wernigerode. Eine Transall ist gewiss kein Flugzeug im Westentaschenformat. Im Gegenteil, das 34 Tonnen schwere, zweimotorige Transportflugzeug braucht Platz und scheint daher denkbar ungeeignet, mal eben 70 Kilometer über die Straße gefahren und anschließend auf ein Museumsdach gestellt zu werden. Ungeeignet: ja – unmöglich: nein.

Von Eike Bruns Dienstag, 09.10.2018, 18:16 Uhr

Seit Dienstagmittag hat Wernigerode ein neues Wahrzeichen. Auf dem Dach des Luftfahrtmuseums thront die „Silberne Gams“, eine 40 Jahre alte Bundeswehrmaschine, die im vergangenen Dezember im bayrischen Penzing bei Landsberg am Lech außer Dienst gestellt und nach Ballenstedt geflogen wurde. Das ist der von Wernigerode aus gesehen nächstgelegenen Flugplatz, der eigentlich auch schon zu klein für die Maschine war.

Doch mit der Beharrlichkeit von Museumsinhaber Clemens Aulich scheinen Zeit, Gewicht und Größe ihre Bedeutung zu verlieren. Jahrelang verfolgte er den Plan, sich das große Flugzeug aufs Dach stellen zu lassen. Schon 2012 landete eine Transall in Ballenstedt, die dort aber als Publikumsmagnet stehen bleibt. Ihre silbern lackierte Schwester vom bayrischen Transportgeschwader hat hingegen erst jetzt den letzten „Flug“ absolviert.

Zerlegt in Rumpf, Tragflächen und Leitwerk geht es auf vier Tiefladern in der Nacht zu gestern erst durch Hoym, wo noch gegen Mitternacht das ganze Dorf auf den Beinen ist, um das Spektakel zu verfolgen. Weiter über die Bundesstraße 6 – allerdings nicht auf dem direkten Weg. „Wegen der Leitplanken kommen wir in Wernigerode nicht die Abfahrt herunter“, erklärt Fahrer Olaf Kern. Daher fährt der Konvoi weiter zur weitestgehend leitplankenfreien Abfahrt Ilsenburg und wendet dort.

Für Kern mit 20 Jahren Berufserfahrung ist es die erste Fliegerfuhre im doppelten Sinne. Schwerlasttransportfahrer verstehen unter dem Begriff eigentlich sperrige Ladung, die wenig wiegt. Tatsächlich sind die 15 Tonnen Rumpf ein Leichtgewicht, aber mit sechseinhalb Metern sehr breit und 4,70 Metern sehr hoch.

So sind nicht nur Kreisel ein Problem, sondern auch Brücken. „Da müssen wir dann die Ladung absenken und im Schritttempo fahren“, so Kern. Tatsächlich ist in der Nacht zu gestern auf der B6 in Fahrtrichtung Goslar Geduld gefragt, ungefähr auf einen Kilometer wächst die nachfolgende Autoschlange.

Und doch braucht der Schwerlastkonvoi nicht die erwarteten vier Stunden, um am Gießerweg anzukommen. Sternenklar und kein Wind – Kern hat kein Problem das „Fliegengewicht“ von Flieger ans Ziel zu bringen. Dort nimmt am Morgen der Aufbautrupp seine Arbeit auf. Rumpf von der Ladefläche nehmen, Sockel unter das Fahrwerk bringen – nichts für Ungeduldige.

Trotzdem harren seit dem frühen Dienstagvormittag hunderte von Schaulustigen vor dem Luftfahrtmuseum aus und dürfen hautnah erfahren, wie das Flugzeug für seinen letzten Weg durch die Luft präpariert wird. Kurz vor 13 Uhr ist dann endlich so weit. Binnen weniger Minuten setzt der Kran dem Rumpf punktgenau auf den extra schon beim Bau der Museumshalle angebrachten Tragevorrichtungen ab.

Bis Ende der Woche werden noch Tragflächen und Leitwerk angebracht. Dann leuchtet die komplette Transall als neues Wahrzeichen über die Dächer von Wernigerode.

Definitiv ungeeignet für den normalen Straßenverkehr: Mit sechseinhalb Metern Breite und 4,70 Metern Höhe kann der 35 Meter lange Tieflader mit dem Transall-Rumpf einige Passagen wie hier in Hoym nur in Schrittgeschwindigkeit passieren. Fotos: Bruns

Definitiv ungeeignet für den normalen Straßenverkehr: Mit sechseinhalb Metern Breite und 4,70 Metern Höhe kann der 35 Meter lange Tieflader mit dem Transall-Rumpf einige Passagen wie hier in Hoym nur in Schrittgeschwindigkeit passieren. Fotos: Bruns

Der letzte „Flug“ der Transall: Am Boden verfolgen zahlreiche Schaulustige und Medienvertreter das ungewöhnliche Schauspiel.

Der letzte „Flug“ der Transall: Am Boden verfolgen zahlreiche Schaulustige und Medienvertreter das ungewöhnliche Schauspiel.

Geschafft: Luftfahrtmuseumsbesitzer Clemens Aulich begutachtet die geglückte „Landung“ auf dem Dach.

Geschafft: Luftfahrtmuseumsbesitzer Clemens Aulich begutachtet die geglückte „Landung“ auf dem Dach.

Rumpf einer Transall wird am 09.10.2018 auf das Dach des Luftfahrtmuseums Wernigerode gehoben, Zuschauer

Rumpf einer Transall wird am 09.10.2018 auf das Dach des Luftfahrtmuseums Wernigerode gehoben, Zuschauer

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