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Biberspuren an Neile und Innerste: Ein Holzfäller wird wieder heimisch

Der Biber galt in hiesigen Breiten als ausgerottet – jetzt ist er wieder da: An den Ufern von Innerste und Neile finden sich Spuren des Tieres. Bäume sind angenagt und zum Teil sogar gefällt.  Foto: dpa

Der Biber galt in hiesigen Breiten als ausgerottet – jetzt ist er wieder da: An den Ufern von Innerste und Neile finden sich Spuren des Tieres. Bäume sind angenagt und zum Teil sogar gefällt. Foto: dpa

Wallmoden. Der Biber kehrt zurück. Erst waren seine Spuren am Ufer der Innerste im Bereich Heere sichtbar. Nun finden sich auch Bisse an Stämmen am Unterlauf der Neile, berichtet Jens Range, Vorsteher des Unterhaltungsverbands Obere Innerste. Es ist eine kleine Sensation. „Wir sind alle sehr begeistert“, sagt Range.

Von Andreas Gereke Mittwoch, 08.05.2019, 18:45 Uhr

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Neugierig blickt Range auf die charakteristischen Bissstellen an Baumstämmen des Ufers, wo sich der nachtaktive Nager zu schaffen gemacht hat. Sie sind Zeugnisse dafür, dass es ihn, der vor Jahrzehnten hier ausgerottet worden war, in Neile und Innerste wieder gibt – auch, wenn es noch keine Sichtung des Tiers gab. „Auch eine Biberburg könnte es irgendwo schon geben“, glaubt Range. „Es hat allerdings noch keiner eine entdeckt“, sagt Range.

Und es ist vielleicht ganz gut, dass niemand weiß, wo sich der Biber genau aufhält – denn bei Heere hat sich entlang der Innerste schon ein richtiger „Biber-Tourismus“, so Range, entwickelt. Viele Spaziergänger wollen sich von seinen Bisskünsten selbst ein Bild machen. Aus diesem Grund führt Range Interessierte auch nicht an die Bissstellen entlang der Neile, um dort nicht auch den gleichen Effekt zu haben. „Es ist daher etwas Besonderes, dass er trotz des vielen Betriebs an dieser Stelle hier immer noch aktiv ist“, sagt Range. Er glaubt, dass er hier gute Bedingungen vorfindet – wegen eines Wehrs an der Bierbaummühle sei die Fließgeschwindigkeit der Innerste an dieser Stelle nicht sehr hoch.

{picture1s} Bäume fällt der Biber nicht etwa aus Langeweile oder weil sie ihn stören, sondern weil der Pflanzenfresser an Knospen, Blätter, Triebe und die zarte Rinde kommen will. Vor allem in der kalten Jahreszeit dient sie ihm als Nahrung. „Sofern die Bäume kein Ablaufhindernis bilden, bleiben sie liegen“, sagt Range, dessen Verband für den Abfluss in der Innerste zuständig ist. Denn zum einen halte sich der Biber im Naturschutzgebiet Mittleres Innerstetal mit Kanstein auf, zum anderen sei dieser Bereich ohnehin als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen und durch kleine Dämme eingegrenzt. Ob ein umgenagter Baum entfernt werden muss, werde immer im Einzelfall entschieden, teilt Lisa Burfeind vom Kreis Wolfenbüttel mit, der für diesen Bereich zuständigen Unteren Naturschutzbehörde.

Was bedeutet die Rückkehr des Bibers für den Hochwasserschutz? „Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass sich die Art hier wieder ansiedelt“, sagt Range. „Und das Tier soll seine Biberburgen bei Hochwasser auch öffnen, um die Fluten abfließen zu lassen“, erzählt er. Unterdessen gibt es auch einen Biberbeauftragten im Landkreis Wolfenbüttel – Dirk Rohrmann. Zu den Biberaktivitäten findet zwischen ihm, dem Unterhaltungsverband und der Naturschutzbehörde ein kontinuierlicher Informationsaustausch statt, so Burfeind.

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„Für den Hochwasserschutz muss die Situation vor Ort beobachtet werden. Das Ziel im Sinne des Naturschutzes ist es, das natürliche Verhalten des Bibers zu tolerieren und das Totholz im Wasser und Auenbereich zu belassen, wenn es keine Bedenken im Rahmen des Hochwasserschutzes gibt. Der Biber fällt einige Bäume, um Dämme zu bauen. Ist dieses Ziel erreicht, hat er kein Interesse weitere Bäume zu benagen. Als Vegetarier ernährt er sich überwiegend von Wasserpflanzen, auch wenn Baumrinde ab und zu auf dem Speiseplan steht. Zum jetzigen Zeitpunkt können keine Dammbauaktivitäten, lediglich Fraßspuren, festgestellt werden“, teilt Kreissprecherin Burfeind mit.

„Grundsätzlich begrüßen wir die Ansiedlung heimischer Tierarten an und in unseren Gewässern“, sagt Bodo Mahns, Sprecher der Projektarbeitsgruppe Innerste der Flussgebietspartnerschaft Nördliches Harzvorland, die den Hochwasserschutz zum Ziel hat. Das sei Ausdruck einer naturnahen Landschaft, die attraktiv für heimische Arten ist. Somit freue man sich über die Biberspuren in der Region. Schließlich steht der Biber unter besonderem Schutz.

Bei den Planungen für den Hochwasserschutz an Innerste und Neile habe man sich bislang noch nicht näher mit den Bibern auseinander gesetzt, führt Mahns aus. Da man noch keine Biberburgen an diesen Flusssystemen habe, die zum Beispiel für Stauungen im Gewässer sorgen, sei das Thema für den Hochwasserschutz in der Region derzeit noch nicht relevant. „Wir behalten den Biber und seine Aktivitäten an der Innerste und ihren Nebenflüssen aber weiter im Blick“, kündigt Mahns an.

Gemeinsam mit den Natur- und Umweltschutzbehörden werde man sich dann über geeignete Strategien austauschen, sobald Biberbauten erste Effekte auf den Flusslauf zeigen. „Unser Ziel in der Flussgebietspartnerschaft Nördliches Harzvorland ist und bleibt es, die naturnahe Gewässerentwicklung mit dem Hochwasserschutz effizient zu verbinden“, so Mahns. Das gelte auch mit Blick auf den Biber.

Aus Naturschutzsicht ist der Biber eine besonders streng geschützte Art (nach FFH-Richlinie in Verbindung mit Bundesnaturschutzgesetz). Natürlicherweise besiedelt der Biber eher langsam fließende Gewässer, Altarme in Auen und auch Teiche. Durch Jagd und Vertreibung wurde der heimische Biber im 19./20. Jahrhundert in Europa fast ausgerottet. Die langsame Rückkehr des Bibers auch in heimische Gewässer kann als Erfolg des strengen Artenschutzes sowie der Schutzgebiete (hier: das Naturschutzgebiet Mittleres Innerstetal mit Kanstein) gewertet werden. Der Biber ist eine sogenannte Schlüsselart. Er schafft mit seiner Bautätigkeit vielfältige Strukturen und Dynamik an Gewässern und damit zahlreiche Nischen und Lebensräume für andere Tierarten wie Fische, Amphibien und Vögel, die durch die Begradigung der Flüsse in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen sind. Der Biber freut sich über Ruhe. Daher sollte er nicht gestört werden. Menschen sollten daher nicht an Orte gehen, wo der Biber lebt oder wo sie glauben, eine Beobachtung gemacht zu haben. Im konkreten Fall geht es auch um ein Naturschutzgebiet, in dem man die offiziellen Wege nicht verlassen darf. Dabei gelten Trampelpfade nicht als offizielle Wege. Außerdem ist der Biber nachtaktiv, sodass man ihn tagsüber kaum zu Gesicht bekommt.

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