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Neue GZ-Serie

50 Jahre Frauenfußball in Deutschland - Die Anfänge

Sibylle Rebentisch (li.) als Spielerin beim TuS.  Foto: GZ-Archiv

Sibylle Rebentisch (li.) als Spielerin beim TuS. Foto: GZ-Archiv

Vor 50 Jahren wird der Frauenfußball zugelassen. Die GZ widmet sich in einer Serie dem Thema. In der ersten Folge blickt Sibylle Rebentisch, ehemalige Fachwartin für Frauenfußball beim TuS, auf die Anfangsjahre.

Donnerstag, 28.05.2020, 13:23 Uhr

Sibylle Rebentisch kann sich noch gut daran erinnern, wie sie zum Fußball gekommen ist. Als kleines Mädchen schon nimmt ihr Vater Siegfried Panczyk sie regelmäßig auf den Sportplatz mit. Mit sechs Jahren steht für die junge Sibylle fest, sie will dem runden Leder hinterherjagen – genauso wie die Jungs. „Das war für mich einfach selbstverständlich“, sagt Sibylle Rebentisch.

Selbstverständlich ist das zu dieser Zeit nicht. Am 31. Oktober 1970 sagt der Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Ja zum Frauenfußball und hebt damit ein Verbot von 1955 auf. Im Kursaal von Travemünde heben 153 meist ältere Herren ihre Hand und sorgen für ein sporthistorisches Datum in Deutschland. Nur zwei von 155 Delegierten verhindern mit ihrer Gegenstimme, dass die Emanzipation der Frau im Fußball einstimmig erfolgt. Die Versammlung hält sich mit Punkt zwei der Tagesordnung gerade einmal zwölf Minuten lang auf, dann ist der Weg für den Frauenfußball frei.

In den Jahren danach nimmt die Zahl der Frauen- und Mädchenteams immer weiter zu. Inden Vereinen herrscht großer Zulauf, im Harz ist es nicht anders. Vor allem der TuS Clausthal-Zellerfeld entwickelt sich dank Siegfried Panczyk schnell zu einer Hochburg. Bis 2018 hat der Verein aus dem Oberharz durchgehend mindestens eine Damen-Mannschaft und spielt eine Saison lang sogar in der Landesliga.

Als Spielerin damals dabei ist die heute 56-jährige Rebentisch. Trotz der Entscheidung des DFB, das Verbot von 1955 aufzuheben, sind Fußballerinnen noch viele Jahre danach „der bunte Rabe“. Die Akzeptanz in der Gesellschaft ist noch sehr gering. „Ich habe es nie so empfunden, dass das etwas ist, was Mädchen nicht machen sollen. Warum auch?“, erzählt die ehemalige Fachwartin für Frauenfußball beim TuS.

Rebentisch kann sich noch gut an einige Erlebnisse erinnern, die das Denken der damaligen Zeit beschreiben. Zu ihrer ersten sportärztlichen Untersuchung beispielsweise geht sie mit zwei Jungs hin, alle mit kurzen Haaren. Der Arzt soll dann gesagt haben: „Hier ist ja ein Mädchen dabei? Wer ist denn das?“ Große Vorbehalte gibt es auch bei einem Zeltlager, als den Jungs nicht gesagt wurde, dass sie das Spiel gegen Mädchen bestreiten werden. Als sie das mitbekommen, protestieren sie. Und nicht zuletzt kommen viele Zuschauer nur zu den Spielen, weil es etwas zu lachen gibt, erzählt Rebentisch. Davon lässt sie sich aber nicht unterkriegen: „Mir hat Fußball Spaß gemacht, weil es ein Gemeinschaftsspiel ist. Alleine kann keiner was bestellen, denn letztlich ist es ein Mannschaftsspiel.“

Mit den Jahren nimmt das sportliche Niveau zu, die Akzeptanz steigt. Dennoch lassen sich die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball nicht verbergen. „Der Männerfußball ist einfach schneller. Das sieht ganz anders aus“, sagt Rebentisch. „Im technischen Bereich stehen die Frauen den Männern heute aber nichts nach.“

Große Unterschiede gibt es hingegen im finanziellen Bereich. Während ein Jungprofi bei den Männern schon Millionenbeträge kassiert, sieht es bei den Frauen ganz anders aus. Nicht wenige Fußballerinnen gehen nebenbei einem geregelten Beruf nach oder studieren. „Das Gros könnte nie von einem Job als Fußballerin leben“, meint Rebentisch, die für den FC Altenau ab und an als Abwehrspielerin noch auf dem Rasen steht.

Die 56-Jährige, die zu besten Zeiten in der Bezirksauswahl spielt und mit dem TuS den Bezirkspokal gewinnt, führt vor allem das geringere Interesse seitens der Zuschauer auf die großen wirtschaftlichen Unterschiede zurück. „Was der Zuschauer nicht anfordert, wird auch nicht gebracht“, sagt Rebentisch. Selbst Qualifikationsspiele der Frauen-Nationalmannschaft seien halbe Geisterspiele. „Es ist immer noch nicht das Gleiche.“ So geht es hierzulande vielen Sportarten.

Seit einigen Jahren sieht es im Frauen- und Mädchenfußball im Harz zunehmend schlechter aus. Immer mehr Vereine ziehen sich zurück, von einem geordneten Spielbetrieb kann kaum noch eine Rede sein. Für Rebentisch ist das allerdings kein spezielles Problem im Frauenfußball, sondern ein generelles. „Das Ganze ist schnell- und leichtlebiger geworden“, sagt sie, „es ist vielleicht auch nicht mehr so der Teamgeist da, den man früher hatte.“

Das ist nicht zuletzt ein Grund dafür gewesen, warum sich Sibylle Rebentisch als sechsjähriges Mädchen für den Fußball entschieden hat.

Sibylle Rebentisch (1. Reihe, 2. von links) im Juni 2018 mit der Damen-Mannschaft des TuS Clausthal-Zellerfeld nach dem letzten Spiel vor der Auflösung des Teams. Foto: Privat

Sibylle Rebentisch (1. Reihe, 2. von links) im Juni 2018 mit der Damen-Mannschaft des TuS Clausthal-Zellerfeld nach dem letzten Spiel vor der Auflösung des Teams. Foto: Privat

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