Hier sollen sich im Nordharz die Windräder drehen
Die Übersicht zeigt, wo im Entwurf zur Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms überall Vorrangflächen für Windkraftanlagen vorgesehen sind. Foto: Gereke
Der Entwurf des Raumordnungsprogramms liegt vor und zeigt die Windenergie-Vorrangflächen. Im Nordharz rufen einige Vorschläge Windparkgegner auf den Plan. Noch bis zum 21. März können Anwohner ihre Bedenken anmelden.
Nordharz. Er liegt auf dem Tisch und sorgt für Gesprächsstoff und Proteste: der Entwurf zur Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms, um weitere Vorrangflächen zum Ausbau der Windkraft auszuweisen. Auch im nördlichen Harzvorland geht es um neue Areale, auf denen weitere Windenergieanlagen entstehen sollen. Wie ist der Sachstand?
Der Regionalverband Großraum Braunschweig legt im regionalen Raumordnungsprogramm Vorranggebiete für Windenergienutzung fest und steuert so die Verteilung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen im Verbandsgebiet. Wie und welche Anlagen in dem jeweiligen Gebiet aufgestellt werden, unterliegt dem jeweiligen Baugenehmigungsverfahren.
Windenergieanlagen gehören zu den sogenannten privilegierten Bauvorhaben im Außenbereich. Sie können also – sofern die Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes eingehalten werden – an jeder beliebigen Stelle errichtet werden. Um die damit verbundene „Verspargelung“ der Landschaft zu verhindern, kann das Instrument der Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung von der Regionalplanung angewendet werden. Damit dürfen raumbedeutsame Windenergieanlagen nur noch innerhalb dieser Gebiete errichtet werden, informiert der Regionalverband.
Das Land Niedersachsen hat Anfang 2023, den Bundesvorgaben folgend, neue Flächenziele für die Windenergie festgesetzt. Demnach müssen sie für Windenergienutzung auf 3,18 Prozent der Fläche des Gebietes des Regionalverbandes vergrößert werden. Bis Ende 2032 müssen nach Bundesvorgabe niedersachsenweit 2,2 Prozent der Landesfläche für die Windenergie bereitgestellt sein. Ziel des Regionalverbandes ist es, bis Ende 2032 die geforderten 3,18 Prozent der Gebietsfläche für Windenergie auszuweisen. Seit 12. Februar liegt nun der Entwurf zum Teilprogramm Windenergie des Regionalprogramms erstmalig öffentlich aus.
Flächen bei Seesen
Im westlichen Bereich des Nordharzes im Gebiet der Stadt Seesen sind im Entwurf zwei Vorranggebiete für Windkraft ausgezeichnet. Eines davon liegt westlich von Seesen, nordöstlich von Bilderlahe und südlich von Bornhausen an der A7. Sechs Windräder sind dort bereits vorhanden. Dort war eine Vergrößerung überprüft worden. Die Potenzialfläche, auf der sich schon Windräder befinden, hat eine Größe von 97,7 Hektar – sie wuchs um zehn Hektar in südlicher Richtung.
Eine neue Potenzialfläche kommt südlich von Münchehof, Kirchberg und Ildehausen hinzu. Sie umfasst 41,4 Hektar.
Im westlichen Bereich des Landkreis Goslar sind sonst keine Flächen geplant. Der nächste Komplex ist erst wieder bei Lutter vorgesehen. Dort gibt es aber großen Widerstand gegen den geplanten Windpark im Lutter-Becken. Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet. Erst vor Kurzem hat diese eine Unterschriftensammlung sowie einen offenen Brief dem Bürgermeister der Stadt Langelsheim, Ingo Henze, übergeben.
Entscheidung offenlegen
Ihr Kompromissvorschlag lautete, das Vorranggebiet 86 durch die Fläche bei Hahausen (Potenzialflächenkomplex 88) an der B 82 zu ersetzen. Laut der Bürgerinitiative und der Stadt Langelsheim hat es durch den Regionalverband keine schlüssige Erklärung gegeben, warum die Fläche im Lutter-Becken präferiert wird. Die Bürgerinitiative sei viel mehr der Meinung, dass sich die Fläche bei Hahausen besser eignen würde.
Die Stadt Langelsheim will nun beim Regionalverband anregen, die Abwägungen zwischen den beiden Flächen offenzulegen, um den Entscheidungsprozess bei der Bevölkerung transparent darzustellen. Von der Stadt wird zudem darauf hingewiesen, dass die Errichtung von Windkrafträdern bei Lutter nicht im Bereich des vorgesehenen Hochwasserückhaltebeckens nahe des Steimker Baches in Betracht kommen kann. Dessen Flächen befinden sich in kommunaler Hand, und eine Errichtung in der unmittelbaren Einstaufläche des Beckens wird von Seiten der Kommune ausgeschlossen.
Auf Nachfrage der GZ äußerte der Regionalverband zunächst, dass in den Unterlagen eine ausführliche Erklärung zu finden sei, wie es zur Auswahl der Flächen kam. Zu finden ist darin folgende Aussage zu der Fläche bei Hahausen (PFK 88) im Vergleich zu der Fläche bei Lutter: „Aufgrund des Abstands von etwas mehr als einem Kilometer zum PFK 88 und den besser geeigneten nordöstlichen PFKs (gemeint ist hier die Lutteraner Fläche) entfällt der PFK 88, um eine unverhältnismäßige Kumulation zu vermeiden.“ Warum genau die Fläche besser geeignet ist, wird nicht aufgeführt.
Auf eine erneute Anfrage der GZ, warum genau so entschieden wurde, folgte eine Erklärung der Ersten Verbandsrätin Anna Weyde: „Zu den einzelnen Gebieten sind in den dazugehörigen Gebietsblättern und den weiteren Unterlagen alle Planungsinformationen aufgeführt. Zum jetzigen Zeitpunkt der Auslegung erteilen wir über die gegebenen Informationen hinaus keine Auskunft. Wir warten die Stellungnahmen, insbesondere der Kommunen, respektive der Stadt Langelsheim beziehungsweise des Landkreises Goslar, ab. Nach Abschluss der Auslegung werden alle Stellungnahmen geprüft. Sofern sich daraus neue Aspekte ergeben, wird die Planung gegebenenfalls angepasst.“

Die Übersicht zeigt, wo im Entwurf zur Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms überall Vorrangflächen für Windkraftanlagen vorgesehen sind. Foto: GZ-Grafik
Darüber hinaus hat der Regionalverband Großraum Braunschweig weitere Potenzialflächenkomplexe ins Auge gefasst. Unweit vom Lutter-Becken soll das bereits bestehende Vorranggebiet auf der Haar zwischen Ostlutter, Upen, Ostharingen und Bredelem wachsen – und zwar östlich und nordöstlich in Richtung Ostharingen und Upen sowie nordwestlich bis zum Waldrand. Die Gesamtfläche würde dann knapp 247 Hektar umfassen. Aktuell werden dort bereits zwölf Windenergieanlagen in dem bereits bestehenden Vorranggebiet errichtet. Bislang umfasst es 140 Hektar.
Ein Vorranggebiet westlich von Jerstedt, nordöstlich von Langelsheim und südlich von Bredelem an der L 515 soll knapp 104 Hektar umfassen. Zwischen den zwei Teilfächen verlaufen die Innerste und verschiedene Schutzgebiete. Ein Zuschnitt soll nicht erfolgen.
Gebiet erweitern
Erweitert wird auch das Vorranggebiet zwischen Schladen, Beuchte, Wehre und Lengde – und zwar um den Potenzialflächenkomplex zwischen Liebenburg, Döhren und Neuenkirchen. Bislang stehen zehn Anlagen im bestehenden Vorranggebiet zwischen Schladen, Beuchte und Wehre, zwei weitere werden in diesem Jahr entstehen. Das bisherige Vorranggebiet umfasst eine Fläche von gut 150 Hektar, nach der Erweiterung um die Fläche auf Liebenburger Gemeindegebiet sollen es insgesamt rund 462 Hektar sein – 237 Hektar auf Liebenburger Gebiet, 225 auf Schladen-Werlaer Gebiet.
Und die Gemeinde Schladen-Werla soll ein zweites Vorranggebiet bekommen. Identifiziert hat der Regionalverband Großraum Braunschweig dazu einen Potenzialflächenkomplex im Osten der Kommune. Er erstreckt sich zwischen den Ortschaften Hornburg sowie Osterode am Fallstein und Rhoden in Sachsen-Anhalt. Die Gesamtgröße soll bei 137 Hektar liegen.
In den Entwurfsplanungen tauchen auch Gebiete auf, die schon einmal als Vorranggebiet festgelegt worden waren – beispielsweise das im Raum Wennerode oder eben auch das zwischen Schladen, Wehre und Beuchte. „Die bisher festgelegten Vorranggebiete aus der ersten Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms oder noch älter wurden alle erneut überprüft, ob sie auch weiterhin festgelegt werden sollten und gegebenenfalls in welcher Abgrenzung. Von daher finden sie sich, wenn sie denn festgelegt werden sollen, auch in den aktuellen Karten wieder“, erklärt Kristin Kunath, Pressesprecherin des Regionalverbands.
So ist im Entwurf die Fläche bei Schladen geringfügig verkleinert in die neue Planung übernommen worden, die Fläche an der Grenze zu Sachsen-Anhalt nördlich Lochtum unverändert. Kunath: „Das Vorranggebiet bei Schladen hat derzeit eine Größe von 229 Hektar. Im aktuellen Planentwurf sind es noch 225 Hektar.“
Unmut wächst
Unterdessen hat der Protest gegen einen möglichen Windpark zwischen Lochtum, Bettingerode und Westerode am Schimmerwald auch das andere Ufer der Ecker erreicht. Beim Heimatverein Abbenrode schrillen angesichts der Entwurfsplanungen die Alarmglocken.

Auch jenseits der Ecker mobilisieren jetzt Windparkgegner gegen die Pläne im Raum Lochtum, Bettingerode, Westerode. Der Abbenröder Benjamin Weihe hat dazu in seiner Montage einer Windkraftanlage im Nordharz den Berliner Fernsehturm gegenübergestellt. Foto: Privat
Bis zu 13 Anlagen mit einer Gesamthöhe von 280 Metern könnten in einem Windpark dort entstehen. Heimatvereinschef Andreas Weihe ist deshalb auf Zinne. Denn was der Verein in vielen Jahren seiner Tätigkeit auf die Beine gestellt hat, um das nördliche Harzvorland touristisch attraktiver zu machen, sieht er gefährdet. „Direkt am Grünen Band sollen Windkrafträder errichtet werden. Wer will denn da noch Grenzwanderweg oder Klosterwanderweg entlang eines Windparks erwandern?“, fragt er. Auch hegt er die Idee, einen Aussichtsturm zu errichten, der an einen alten DDR-Grenzturm erinnert, um Besuchern beim Blick aufs Grüne Band eine Vorstellung davon zu ermöglichen, was die Grenztruppenangehörige der DDR alles im Blick hatten. „Windkraftanlagen waren das nicht – und einen Aussichtsturm, um in einen Windpark zu schauen, können wir uns auch schenken“, lässt er Dampf ab.
Einen Vergleich mit Offshore-Windparks an Nord- und Ostsee, die auch vor Urlaubsregionen stehen, lehnt er ab. „Dort stehen sie mehr als 20 Kilometer vor der Küste – bei uns stehen sie direkt am Strand.“ Es ist die erdrückende „visuelle Dominanz“, die ihm den Zahn zieht. Und so formiert sich östlich der Ecker auch abseits des Heimatvereins der Widerstand gegen die Pläne – es sind die bekannten Argumente der Windparkgegner, die dort mobilisieren. Kontakte über den ehemaligen Grenzzaun zur Bürgerinitiative in Lochtum sind geknüpft.
Bedenken einbringen
So geht es jetzt weiter: Die derzeit laufende Öffentlichkeitsbeteiligung ist fester Bestandteil einer solchen Planung und soll vor allen Dingen der Transparenz dienen, so der Regionalverband. In dieser Phase können Anwohner, Unternehmen und andere Interessierte ihre Sichtweisen und Bedenken einbringen. Diese werden im Folgenden geprüft, abgewogen und fließen gegebenenfalls in den weiteren Planungsprozess ein.
Die Entwurfsunterlagen sind bis zum 21. März einsehbar: auf der Internetseite des Regionalverbands www.regionalverband-braunschweig.de/wind2025, über die Online-Beteiligungsplattform (beteiligung-regionalplan.de/rv-braunschweig-wind) sowie im Regionalverband vor Ort. Eine Stellungnahme ist bevorzugt über die Online-Beteiligungsplattform abzugeben, heißt es. Eine Registrierung ist bis zum 21. März möglich. Eine Beteiligung per Mail oder postalisch ist ebenfalls möglich.

Grenzübergreifendes Treffen zu den Windparkplänen am Grünen Band: Abbenrodes Heimatvereinsvorsitzender Andreas Weihe (l.) und Lochtums Ortsvorsteher Manfred Dieber im Gespräch. Foto: Gereke