Wildschweine wüten im Harz – Darum handeln die Behörden nicht

Die Altenauerin Adelheid Hoffmeister steht in ihrem durchwühlten Garten. Sie hat Angst, morgens einem Wildschwein zu begegnen. Foto: Neuendorf
Wildschweine verwüsten zahlreiche Gärten in Altenau, Zäune halten sie nicht auf. Der Ortsbürgermeister hat über 20 Anrufe von Betroffenen bekommen. Die Oberharzer sorgen sich sogar um ihre Sicherheit und fragen, warum die Behörden nicht eingreifen.
Altenau. Adelheid Hoffmeister steht stellvertretend für viele Altenauer: Auf ihrem Grundstück in der Hüttenstraße haben Wildschweine aus ihrem schönen Rasen eine Kraterlandschaft gemacht. Die 79-Jährige fürchtet sich, den Tieren morgens zu begegnen oder dass Kinder erschreckt werden. Sie und viele andere Oberharzer verstehen nicht, warum bisher keine Maßnahmen ergriffen wurden. „Was soll denn noch passieren?“, fragen sich viele.
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So schütze ich meinen Garten vor Wildschweinen
In Altenau häufen sich Meldungen über verwüstete Gärten. Allein Ortsbürgermeister Alexander Ehrenberg (SPD) hat in den vergangenen Tagen mehr als 20 Anrufe von Betroffenen verzeichnet. Er erzählt, dass selbst empfohlene Metallzäune die Tiere nicht aufhielten: Sie durchbrechen Tore oder springen über 1,20 Meter hohe Barrieren.
Eine Rotte am Glockenberg?
Ehrenberg vermutet, dass sich am alten Minigolfplatz am Glockenberg eine Rotte von rund 20 Wildschweinen angesiedelt hat. Das verwilderte Gelände bietet ihnen Rückzugsmöglichkeiten mitten in der Stadt. Anwohner berichten von nächtlichen tapsenden Geräuschen auf ihren Gartentreppen, und auch die Kurbetriebsgesellschaft hat auf ihren Videoaufnahmen vom verwüsteten Kurpark eine ähnlich große Zahl von Tieren gezählt. Diese geballte Präsenz erklärt, warum die Schäden zunehmen und Schutzmaßnahmen kaum greifen.

Die Kamera am Altenauer Kurpark hat den tierischen Besuch aufgezeichnet. Foto: Privat
Michael Rudolph, Sprecher der Niedersächsischen Landesforsten, teilt die Einschätzung, dass es sich in Altenau längst nicht mehr um Einzelfälle handelt. Während Ehrenberg von 20 Tieren spricht, hält Rudolph sogar das Zehnfache für möglich – verteilt auf mehrere Rotten. Dass die Bestände gestiegen sind, zeigt sich laut Rudolph auch daran, dass in den vergangenen vier Wochen so viel Schwarzwild erlegt worden sei wie im gesamten Jahr 2024. Auf innerörtlichen Grundstücken sei die Jagd jedoch grundsätzlich verboten. Nur in Ausnahmefällen darf die Jagdbehörde des Landkreises eine beschränkte Jagd in den „befriedeten Bezirken“ genehmigen – so wie nach der Wildschwein-Invasion im vergangenen Jahr in St. Andreasberg. Diese rechtlichen Hürden verhindern wiederum, dass die Behörden sofort in Altenau eingreifen können.
Wildschweinbestand nimmt zu
Rudolph erklärt, dass die veränderten Bedingungen im Harz dazu beitragen, dass der Wildschweinbestand zunimmt. Er sprach etwa von milderen Wintern ohne Schnee sowie vom üppigen Nahrungsangebot durch Laubbäume und Sträucher. Für Gartenbesitzer ist das zwar nur ein schwacher Trost: Aber auch im Wald richten die Tiere laut den Landesforsten enorme Schäden an. Sie durchwühlen den Boden nach eiweißhaltiger Nahrung auf und knabbern an jungen Bäumen.

Viele Altenauer beklagen Wildschweinschäden, wie jetzt auch die Hoffmeisters in der Hüttenstraße. Foto: Privat
Sven Küster vom Ordnungsamt beobachtet die Entwicklungen in Altenau genau. Mehrere Grundstückseigentümer haben sich bereits bei ihm gemeldet. Er steht zudem in Kontakt mit Kollegen aus Braunlage, wo es im Vorjahr noch dramatischer war: Dort wurden Menschen von Wildschweinen sogar tagsüber erschreckt, ein Hund wurde gerissen. Das sei in Altenau bisher noch nicht passiert. „So weit soll es auch nicht kommen“, sagt Küster. Er betont jedoch, dass es keine klaren Richtlinien gebe, ab wann ein großes Maßnahmenpaket inklusive Lebendfallen eingesetzt werden dürfe. Diese Unsicherheit ist ein weiterer Grund, warum bislang abgewartet wird.
„Ich will die Angst der Menschen nicht kleinreden“, meint Küster. „Aber erst brauche ich ein genaues Bild von den Ausmaßen.“ Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, will er Landkreis und Forst stärker einbinden und von den Erfahrungen aus Braunlage profitieren. Er geht zudem nicht davon aus, dass Wildschweine Menschen angreifen, solange man vorsichtig bleibt und sie nicht provoziert.
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