Wildschweine im Oberharz: Wie viele Tiere sind es denn nun?
5000 oder 400?: Beim Wildschweinbestand in Clausthal-Zellerfeld gehen die Schätzungen weit auseinander. Foto: Hirschberger/dpa
4000 bis 5000 Wildschweine sollen in Clausthal-Zellerfeld leben – behauptet Bürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch (SPD). Die Jäger halten diese Zahl für völlig überzogen und gehen von höchstens 500 aus. Was stimmt denn nun?
Clausthal-Zellerfeld. Dass die Wildschweinschäden in Clausthal-Zellerfeld und den dazugehörigen Ortsteilen gravierender sind als im Vorjahr, dürfte unstrittig sein. Uneinigkeit herrscht aber über die Zahl der Tiere, die diese Schäden verursachen. In einem Schreiben an die niedersächsischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerien sprach Bürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) von 4000 bis 5000 Wildschweinen. Diese hohe Zahl sorgt jetzt bei der Jägerschaft Goslar und den Landesforsten für Verwunderung.
Lebendfallen gefordert
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In ihrem Brief wollte die Bürgermeisterin auf die wachsende Problematik aufmerksam machen. Sie schilderte zerstörte Wiesen, aufgewühlte Gärten und die zunehmende Sorge der Bevölkerung. Zugleich forderte sie, dass Niedersachsen wie Sachsen-Anhalt eine Abschussprämie einführt. Dort erhalten Jäger 65 Euro für jedes erlegte Wildschwein. Als weitere Maßnahmen nennt Emmerich-Kopatsch Drückjagden zur Bestandskontrolle, eine Beteiligung des Nationalparks an der Reduzierung, die Freigabe bislang befriedeter Flächen und den Einsatz ortsnaher Lebendfallen.
Brief an die Ministerien
Ihre hohe Schätzung des Bestands erklärt die Bürgermeisterin so: Im Brief an die Ministerien habe sie sich auf die sogenannte Schwarzwildstrecke des Jagdjahres 2023/2024 im Landkreis Goslar gestützt. Diese bezeichnet die Zahl der Wildschweine, die in einem Jahr erlegt werden – in dem angegebenen Zeitraum waren es 1930 Tiere. Wenn also fast 2000 Wildschweine geschossen oder überfahren worden seien, müsse die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen, argumentiert sie. Zudem habe sie von einem Pächter gehört, der in seinem Clausthaler Revier rund 300 Wildschweine gezählt habe. Daraus sei die Schätzung für das Stadtgebiet hochgerechnet worden. „Ich kann nur mit dem arbeiten, was mir gesagt wurde“, sagt die Sozialdemokratin.
Kreisjägermeister Günther Heuer und Landesforsten-Sprecher Michael Rudolph halten die genannte Zahl von 4000 bis 5000 in Clausthal-Zellerfeld jedoch für stark übertrieben. Beide betonen, dass es grundsätzlich schwierig sei, den Bestand an Wildschweinen genau zu beziffern: Die Tiere sind sehr mobil, schließen sich zu Rotten zusammen und wechseln häufig ihr Gebiet. Hinzu kommen jährliche Schwankungen, etwa durch Witterung oder Krankheiten. Eine genaue Zählung gibt es nicht, da weder Kameras flächendeckend eingesetzt werden noch einzelne Tiere markiert sind.
Schätzung der Jägerschaft
Heuer schätzt vorsichtig, dass in Clausthal-Zellerfeld etwa ein Zehntel der im Landkreis lebenden Wildschweine vorkommt, also rund 400 bis 500 Tiere. Er weist darauf hin, dass die Schwarzwildstrecke von 1930 Tieren den gesamten Landkreis umfasst, nicht nur den Oberharz. Als Faustregel gilt: Der tatsächliche Bestand liegt etwa zwei- bis dreimal über der Zahl der erlegten Tiere. Bei 2000 geschossenen Wildschweinen im Landkreis ergibt sich so eine grobe Gesamtzahl von 4000 bis 5000 Tieren – allerdings für das gesamte Kreisgebiet. Da Clausthal-Zellerfeld nur etwa ein Zehntel dieser Fläche ausmacht, dürfte dort entsprechend nur ein Bruchteil leben. Auch diese Zahl bleibe aber eine Schätzung.
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Wie stark die Bestände schwanken können, zeigt ein Blick in die Statistik: 1958 wurden laut Kreisjägermeister Heuer landesweit rund 5000 Wildschweine erlegt, 2019 waren es 70.000, 2023 etwa 40.000. Im Landkreis Goslar bewegen sich die Zahlen seit Jahren zwischen 1200 und 2500 Tieren.
Dass ein Pächter einmal rund 300 Wildschweine gleichzeitig gesehen habe, hält Heuer dennoch für möglich – etwa, wenn die Tiere in einem Gebiet besonders gute Nahrung finden. „Die Tiere sind ja nicht blöd“, sagt er. Solche Beobachtungen dürfe man aber nicht auf den gesamten Oberharz übertragen. Wo sich viele Tiere sammeln, fehlt es an anderer Stelle oft komplett an Wildschweinen.
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