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GZ-Interview mit Stefan Fenner

GZ Plus IconForstamtsleiter verrät, was der Borkenkäfer im Harz angerichtet hat

Das Foto zeigt Frauen, die auf einer Hangfläche Bäume pflanzen.

Mit einem gewaltigen Aufforstungsprojekt, an dem sich wie im Bild auch das Bergwaldwaldprojekt beteiligt, ist das Forstamt Lauterberg derzeit dabei, den Wald für morgen zu schaffen. Das Foto zeigt Helferinnen des Projekts, die in der Nähe des Brunnenbachs Spitz- und Bergahorn, Erle und Moorbirke pflanzen. Foto: Eggers

Was macht der Borkenkäfer, wie schlimm ist die Situation mit den Wildschweinen, und wie läuft die Aufforstung? Forstamtsleiter Stefan Fenner äußert sich im GZ-Interview.

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Von Michael Eggers
Samstag, 13.12.2025, 10:00 Uhr

Braunlage. Borkenkäfer und Trockenheit haben ganze Arbeit geleistet. Der Wald ist in vielen Bereichen kaum noch vorhanden, viele einzelne Holzstäbe zeigen an, wo einmal satte grüne Fichten standen. Doch wer genau hinschaut, sieht vor allem im Sommer viel Grün. GZ-Redakteur Michael Eggers spricht mit dem Leiter des Forstamtes Lauterberg, Stefan Fenner, über den Zustand des Waldes rund um die Stadt Braunlage.

Welche Probleme bereitet Ihnen eigentlich der Borkenkäfer noch?

Aktuell macht uns der Borkenkäfer keine Probleme mehr. Die riesige Population ist mit den kühlen und feuchten Sommern der vergangenen drei Jahre zusammengebrochen. Aber der Käfer ist ein Teil des Ökosystems und bleibt immer ein potenzielles Risiko für die Fichten.

Was hat der Schädling angerichtet?

Wir haben im Forstamt Lauterberg den aktiven Waldschutz bereits 2021 in unseren Revieren einstellen müssen, die letzten Reviere waren Braunlage und Kapellenfleck. Im Sommer 2021 war klar, dass die Durchseuchung mit dem Borkenkäfer so vorangeschritten war, dass wir unsere Fichtenflächen nicht mehr retten konnten. In der Folge haben wir auf die planvolle Sanierung der Waldflächen umgestellt und entschieden, wo tote Fichten stehenbleiben und wo sie geräumt wurden.
Das Foto zeigt junge Douglasien.

Auch die Douglasie ist rund um Braunlage schon gut angewachsen. Foto: Forstamt

Die letzten Flächenräumungen finden gerade noch im Raum Wieda statt, dann sind die Aufräumarbeiten nach der Borkenkäfer-Kalamität beendet. Ein paar grüne Fichtenbereiche gibt es noch am östlichen Wurmberg, und ansonsten finden sich im gesamten Forstamt immer wieder einzelne Gruppen von alten grünen Fichten, die der Borkenkäfer nicht gefunden hat.

In diesem Sommer haben die Besucher des Waldes rund um die Stadt Braunlage schon sehr viel mehr Grün als in den Jahren davor gesehen. Was passiert da gerade auf den abgeholzten Flächen?

Das Foto zeigt den Forstamtsleiter Stefan Fenner.

Stefan Fenner Foto: Forstamt

Die Beobachtung der Besucher ist goldrichtig, einerseits haben wir in den vergangenen 30 Jahren bereits viele junge Buchen gepflanzt, die jetzt ohne Schirm, also dem Schatten der Fichten, richtig ins Wachsen kommen. Aber vor allem haben wir in den vergangenen fünf bis sechs Jahren bereits mehr als 3,5 Millionen junge Bäume in den Flächen gepflanzt, in denen wir zuvor die Fichten haben fällen müssen. Teilweise haben wir aber auch in den sogenannten ungeräumten Flächen gepflanzt und gesät. Anfangs waren diese jungen Bäume in der Gras- und Krautschicht für den ungeübten Beobachter nicht auszumachen. Die vergangenen drei Jahre mit den feuchten Sommern waren aber ein ideales Wachstumswetter und haben einen richtigen Schub ausgelöst, den man nun überall sehen kann. Der letzte und wohl wichtigste Effekt ist das Wachsen von sehr vielen natürlich angesamten Pionierbaumarten wie Birken, Weiden, Pappeln und Ebereschen. Da zeigt sich, dass auch unsere jagdlichen Anstrengungen endlich Früchte tragen.

Wie wachsen die Tausenden von Buchen, Ahorns, Birken, Ebereschen und Weiden an, die Sie in den vergangenen Jahren neu gepflanzt haben?

Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung und dem Fortschritt unserer zielgerichteten Wiederbewaldung

zu einem Harzer-Bergmischwald. Wir haben bereits eine Fläche von knapp 1800 Hektar wieder aufgeforstet und weitere 3700 Hektar sollen bis 2035 verjüngt werden. Die Anwuchs- und Wachstumsentwicklungen hängen vor allem von der Witterung im Frühjahr und Sommer ab.
Zwei Faktoren bereiten uns dabei Probleme: Im Frühjahr ist der Spätfrost häufig so stark, dass wir leider stellenweise Ausfälle bei unseren jungen Pflanzungen haben, und im Sommer ist der fehlende Regen oft ein Grund für den Verlust der jungen Bäume. In der Summe wächst der neue Wald aber sehr gut an.

Sie haben vor einigen Jahren angekündigt, neue Baumarten im Harz wie Roteichen, Douglasien, Weißtannen oder Flatterulmen etablieren zu wollen. Wie sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Diese Ankündigung ist längst Realität in unseren Flächen. Neben den von Ihnen genannten Baumarten kommen aber noch viele weitere hinzu: Lärchen, Traubeneiche, Stieleiche, Vogelkirsche, Spitzahorn, Küstentanne, Winterlinde, Erlen, Kiefern und verschiedene Straucharten. Der Harzer Bergmischwald wird so bunt und so vielfältig, wie er in der Vergangenheit noch nie war. Wir legen heute den Grundstein für einen hoffentlich sehr robusten und anpassungsfähigen Wald, der dann den Klimaveränderungen der Zukunft trotzen kann. Entscheidend ist, dass die vielen verschiedenen Baumarten wachsen und so alt werden, dass sie sich selbst natürlich verjüngen, also selbst aussamen. Dann entsteht der Bergmischwald, den wir vor Augen haben.

Gerade in den Hochlagen am Wurmberg haben Sie aber auch die Fichte wieder gepflanzt. Warum ist auch diese Baumart nach wie vor für den Harz wichtig?

Ja, das stimmt, denn die Hochlagen-Fichte gehört in dieser Höhenlage weiterhin zum natürlichen Baumartenspektrum. Fichte ist am Wurmberg somit zuhause, sie kann hier mit den extremen Witterungsbedingungen hervorragend umgehen. Da sich das Risiko eines Borkenkäferbefalls in 50 oder 100 Jahren nicht ausschließen lässt, bauen wir die Fichte nie wieder in so großen und ausgedehnten Waldflächen wie in der Vergangenheit an. Sie ist nun eine Baumart von vielen im Bergmischwald.

ZUR PERSON

Stefan Fenner ist 50 Jahre alt, verheiratet und seit 2017 Leiter des niedersächsischen Forstamts Lauterberg. In dieser Funktion ist der Vater von vier Kindern auch für die Wälder rund um Braunlage, St. Andreasberg und Hohegeiß zuständig. Stefan Fenner stammt aus Nordhessen und hat in Göttingen studiert. Danach hat er unter anderem im Harz im Forstamt Riefensbeek gearbeitet. Zudem war er lange Jahre Unternehmenssprecher der Niedersächsischen Landesforsten in Braunschweig.

Sie beklagten vor einigen Jahren die hohen Rotwildbestände. Wie sieht es aktuell mit dem Bestand aus?

Wir konnten in Lauterberg die Rotwildpopulation in den vergangenen Jahren deutlich und für den Wald spürbar absenken. Die jetzige Wiederbewaldung wäre ohne diese drastische Reduktion undenkbar. Das Wald-Wild-Verhältnis ist in den meisten Bereichen auf einem tragbaren Niveau. Dennoch dürfen und können wir uns nicht zurücklehnen, denn die aktuellen Streckenergebnisse zeigen eine ansteigende Population. Die heranwachsenden Kulturen werden in spätestens fünf Jahren riesige Dickungskomplexe bilden, die eine Bejagung des Rotwildes sehr schwer machen. Gleichzeitig beginnt dann die kritische Schälphase von 30 bis 40 Jahren für unseren Bergmischwald. Das große Risiko ist, dass wir unsere neuen Mischbaumarten in dieser Phase bereits wieder verlieren, bevor sie sich selbst verjüngen können.

Das ist der Grund, warum ich weiterhin auf eine starke Rotwildbejagung dränge. Ich kann und will nicht dafür verantwortlich sein, dass diese erfolgreiche Wiederbewaldung mit Investitionen in mehrfacher Millionenhöhe am Rotwild scheitert. Ein derartiger ökonomischer wie ökologischer Schaden wäre für den Harz nicht zu verantworten.

Die vielen halbhohen Bäume und Büsche gelten auch als Rückzugsort für Wildschweine. Vor allem in St. Andreasberg ist das ein Problem. Wie ist die Lage rund um Braunlage und Hohegeiß?

Das Schwarzwild hat sich im ganzen Harz und Harzvorwald extrem vermehrt. Hintergrund sind einerseits ein überreich gedeckter Tisch aus Früchten, Kräutern, Wurzeln, Eicheln und Bucheckern und andererseits das Fehlen von strengen frostreichen Wintern. Beides führt zu einer Vermehrungsrate von fünf bis acht Frischlingen pro Sau. Wir müssen leider auch feststellen, dass bereits Frischlinge in ihrem ersten Jahr wieder frischen, also Nachwuchs bekommen. Das hat eine exponentielle Entwicklung zur Folge. Wir versuchen bei unseren Jagden deshalb, so viele Sauen wie möglich zu erlegen, um der Situation entgegenzuwirken. Gegebenenfalls müssen auch wir im Wald über Saufänge nachdenken, wenn sich die Situation nicht bessert.

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