Pfalzquartier: Politische Lösungssuche für ein Goslarer Filetstück

Lösungen gesucht: Wie soll es mit der Brachfläche im Pfalzquartier weitergehen? Foto: Privat
Die Goslarer Ratspolitik macht sich heute Abend hinter verschlossenen Türen schlau, was nach dem Ausstieg von Investor Tessner mit dem Pfalzquartier passieren kann. Zwischen Weiter so wie bisher und totalem Reset: Die GZ lotet die Bandbreite aus.
Goslar. Was soll jetzt auf jenem Areal passieren, auf dem Goslar länger als ein ganzes Jahrzehnt sein Pfalzquartier mit Hotel, Stadthalle und Parkplätzen über und unter Tage geplant hat und ein Filetstück entwickeln wollte? Der Rat steht vor dem Scheideweg, wenn er am heutigen Dienstagabend in einer ratsoffenen, aber nicht öffentlichen Runde über die Zukunft des Grundstücks berät. Zwischen einem „Weiter so“ mit einem neuen Investor bis hin zum völligen Reset und dem Gang zurück auf Los.
Nachdem Goslars Ehrenbürger und Investor Hans-Joachim Tessner entnervt und ehrverletzt aus dem Projekt ausgestiegen ist, sind am 13. und am 19. August zwei interfraktionelle Gespräche über die Bühne gegangen. Nach dem zweiten Treffen war die Marschrichtung nach Auskunft der Stadtspitze klar: „Insgesamt soll kein Stillstand in der Entwicklung eintreten.“ Das Planverfahren für die neue Bebauung soll weitergeführt, ein Satzungsbeschluss getroffen werden.
Papier als Beratungsgrundlage
Was das bedeutet, wird aus einem Papier deutlich, das in der Ratspolitik kursiert und quasi als Leitfaden die verschiedenen Handlungsoptionen aufzeigt. Wenn Planungs- und Baurecht vorhanden sind, sei dies eine erfolgversprechende Basis für die Suche nach einem neuen Investor und könne sich positiv bei einer Ausschreibung auswirken. Die Stadt könne klare(re) Forderungen formulieren in einem Angebotsbebauungsplan, der eben nicht mehr vorhabenbezogen wäre. Problem ist: Die Stadt hat kein Eigentum an den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs und der bisherigen Hochbauplanung. Und es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass ein anderer als Tessner der Stadt Goslar ein paar Millionen Euro für den Bau der Stadthalle schenkt. Und was ist eigentlich mit den Parkplätzen, die in Tiefgarage und Parkwall entstehen sollten, jetzt aber völlig in der Ferne liegen. Der gefühlte Stellplatzmangel in der Innenstadt sei zwar fachgutachterlich widerlegt. Aber wo sollen eigentlich die Touristen parken?
Erst recht, wenn der Domplatz unabhängig vom Tessner-Vorhaben in einen Stiftsgarten umgewandelt werden soll. Dafür ist übrigens auch der neue Bebauungsplan vonnöten. Allein ein Blick auf die Kosten zeigt, welche Auswirkungen das hätte. Rund 7,5 Millionen Euro sind aufgerufen, um Parkplätze zu entsiegeln und zurückzubauen, die Wallstraße umzubauen, das Grün an der Feldmauer und den Domplatz umzugestalten und den ruhenden Verkehr neu zu ordnen, wie es im Behörden-Deutsch heißt. Die Stadt müsste (nur) einen Eigenanteil von 30 Prozent oder rund 2,2 Millionen Euro aufbringen. Kommen die Hochbauten nicht, wären das Grün an der Feldmauer und ein neues Kunstforum für rund 2,1 Millionen Euro nicht umzusetzen oder sogar entbehrlich. Bliebe ein Gesamtinvest von 5,05 Millionen Euro mit rund 1,3 Millionen Euro an Goslarer Geld.
Eigenanteil von 1,3 Millionen Euro
Den Stiftsgarten beziffern die Planer auf aktuelles Preisniveau hochgerechnet alles in allem mit knapp 3,95 Millionen Euro. Für die Stadt bliebe ein Eigenanteil von rund 1,3 Millionen Euro. Bei einem Verzicht auf die Städtebauförderung oder deren Entfall wäre schon jetzt eine Summe von rund 1,4 Millionen Euro fällig, weil Geld schon ausgegeben ist oder Fördermittel zurückerstattet werden müssten. Als Fazit der Stadt gilt: Mit Städtebauförderung könnte Goslar mit rund 3,4 Millionen Euro aus eigener Kasse im Umfang von mehr als 10,8 Millionen Euro „Herstellungskosten realisieren“ – neben dem Stiftsgarten geht es auch um den Pfalzgarten, Kahnteich, Thomasstraße und Feuergraben.
Welche Optionen gibt es noch für den Hochbau? Die Stadt baut ihre Halle, ein Investor sein Hotel. Nachteile sind, dass gegebenenfalls ein neuer Architektenwettbewerb erforderlich würde. Und die Kosten und Risiken für den Bau einer Halle lägen komplett bei der Stadt. Und wenn niemand beim Pfalzquartier zugreifen will? Gänzlich andere Nutzungen kämen ins Spiel. Etwa ein Welcome-Point für Touristen, wie ihn schon einzelne Polit-Akteure als Idee nach außen getragen haben. Eine solche Variante wäre auch als Interimslösung denkbar. Aber auch hier wäre eine neue denkmalrechtliche Bewertung erforderlich. Und sie ist nicht förderfähig und widerspricht den Ergebnissen eines verkehrspolitischen Workshops und der politischen Beschlusslage zu einer nachhaltigen Verkehrsplanung.
Ähnlich langer Prozess bei Reset
Und beim Reset? Droht womöglich ein ähnlich langer Prozess wie bisher. Alle Beteiligungen, alle Ergebnisse, alle Weichenstellungen „könnten vergessen oder ignoriert werden“. Eine Garantie, dass es zu einem ähnlichen Ergebnis führe, gebe es nicht. Wer will sich das antun?
Was könnte für zwischendurch auf dem Abbruchareal entstehen? Ein öffentliches WC, wenn die Anlage auf dem Domplatz wegfällt. Und Parkplätze. Eine Phase eins beziffern die Planer mit rund 150.000 Euro, die 84 Stellplätze auf der unteren und 69 Stellplätze auf der oberen Ebene zählt sowie das Beseitigen der Öltanks und des Abbruchmaterials vorsieht. Eine Phase zwei wäre ab dem nächsten Jahr denkbar, wenn Mutterboden und Gras-Ansaat ausgebracht werden könnten. Über das Pfalzquartier würde Gras wachsen...
Die Politik ist gefragt, Lösungen zu finden. Heute geht es hinter verschlossenen Türen los. Eine Information der Bürger soll in der zweiten September-Hälfte erfolgen.
Meinung: Goslars Zukunft
Ein schickes Hotel, Goslars neue Kultur- und Feierhalle sowie Parkplätze auf und in der Erde: Weiß Gott, die Pläne fürs Pfalzquartier haben beileibe nicht allen gefallen. Gerade Anwohner dürften überlegt haben, ob ein Weniger an Ruhe wirklich durch ein Mehr an Kultur aufgewogen wird. Es sei ihnen zugestanden.

Aber nachdem Investor Hans-Joachim Tessner nach wiederholter Kritik, die wiederholt nicht nur sachlich begründet war, den Stecker gezogen hat, bleibt kurz Pause zum Luftholen. Und zum Nachdenken, vielleicht sogar zum Überlegen, bevor die Politik ab heute wieder neue Weichen stellt. Darüber, warum ein erprobter Herzens-Goslarer, der noch ein zweistelliges Millionengeschenk mitbringt, nach mehr als einem Jahrzehnt entnervt, vielleicht sogar entkräftet aufgibt. Warum Goslar es sich leisten kann, private Millionen-Investitionen in Tourismus und Erholungsflächen in den Wind zu schießen. Was aus einer erklärten Exzellenfläche jetzt noch Exzellentes werden soll oder werden kann. Wer für weitere kreative Entwicklungen das notwendige Bare auf den Tisch legt. Und wer das Risiko trägt.
Vielleicht sollte aber jede(r) in diesem Spiel noch einmal in sich gehen und mit sich ausmachen, wer welche Grenzen in der Vergangenheit mindestens verbal überschritten hat. Und künftig eigene Grenzen überschreiten, indem sie oder er einmal positiv formuliert, was passieren kann, statt immer nur negativ zu formulieren, was nicht passieren darf. Gerüchte zu pflegen und woher auch immer stammende Vermutungen als Gewissheit zu verkaufen, funktioniert zudem in den Blasen der Internet-Schwätzer leider immer besser. Gegenwart und Zukunft der Stadt sind aber real. Wo sind die Menschen, die sie in die Hand nehmen? Einige waren sich ja vor und im Bürgerbegehren so sicher, dass sie schon mit den Hufen scharen. Goslar wartet auf Erfolgsmeldungen. fh
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.