Goslarer Lehrer will gratis arbeiten, darf das aber nicht
Matthias Pfau ist Lehrer für Deutsch, Politik und darstellendes Spiel. Nach seiner Pensionierung im Sommer will er am CvD-Gymnasium neun Stunden unentgeltlich unterrichten. Das Kultusministerium sagt nein. Foto: Heine
Alle klagen über zu viel Unterrichtsausfall. Matthias Pfau ist Lehrer, in Pension und bietet seine Dienste sogar gratis an. Arbeiten darf er aber nicht.
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Aber zurück auf Los: Matthias Pfau ist Gymnasiallehrer für Deutsch, Politik und darstellendes Spiel und hat lange im Hannoveraner Raum gearbeitet, zuletzt an der Albert-Einstein-Schule in Laatzen, einer kooperativen Gesamtschule. Vor zwei Jahren ist er nach Bredelem umgezogen und war von 2023 bis 2025 der Adolf-Grimme-Gesamtschule zugeordnet. Im Sommer wurde er in den Ruhestand versetzt.
In der Oberstufe arbeiten
Weil sich Matthias Pfau aber gesundheitlich fit fühlt und es so ruhig gar nicht haben wollte, unternahm er mehrere Versuche, an anderer Stelle weiterzuarbeiten. Sein Wunsch oder vielleicht sogar Bedingung: „Ich wollte nicht mehr in der Sekundarstufe eins arbeiten, weil ich keine Lust auf Disziplinieren hatte.“ Die Oberstufe mit den älteren Schülern sollte es sein.Geheime Unterlagen
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Kein Problem: An den Berufsbildenden Schulen Goslar-Baßgeige/Seesen gab es Bedarf in Deutsch. „Da habe ich sofort zugesagt“, berichtet Pfau. Er arbeitet dort gegen Entlohnung. Wie üblich. Und normal. Als aber schon am ersten Schultag nach den Sommerferien, einem Donnerstag, der Anruf vom CvD-Gymnasium einging, ob er Interesse an weiteren Stunden habe, musste er auch nicht lange überlegen. Die Schule ist in direkter BBS-Nachbarschaft. Am nächsten Tag konkretisierte die Schulleitung die Frage auf neun Stunden Politik. Pfau war nicht nur bereit, sondern freute sich auf die Aufgabe. Sie war wie gemalt für seinen Wunsch.
Budget ist ausgereizt
Wurde aber leider nichts. Diese erste Runde scheiterte am Geld. Dem CvD habe nach bereits erfolgten Abordnungen an Lehrkräften das Budget gefehlt, um ihn bezahlen zu können, zumal Stunden zunächst aus dem Bestand vertreten werden müssten. Diese Aussage der Schulleitung hätten später auch die Schulbehörden bestätigt, sagt Pfau, die Töpfe seien tatsächlich leer gewesen. Er ging jetzt aber mit einem neuen Gedanken schwanger: „Wie wäre es, wenn ich gratis unterrichte?“ Er wusste nicht, was dagegen sprechen sollte. Werden an Niedersachsens Schulen nicht allerorten Ehrenamtliche eingesetzt, die mindestens in der Ganztagsbetreuung ihre Kräfte und Talente einbrächten. Warum nicht er als Lehrer in jenem Beruf, den er bis vor Kurzem mit vollem Gehalt ausgeübt hatte? An der Befähigung sollte es also nicht scheitern.Neuer Einzugstermin
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Es begann ein wochenlanger Austausch per Mail und Telefon mit dem Regionalem Landesamt für Schule und Bildung und dem Kultusministerium. Sogar Grüße von Ministerin Julia Hamburg (Grüne) seien ihm ausgerichtet worden, die irgendwie am Rande wohl auch mit seinem Fall befasst gewesen sein muss, den es so wohl noch nicht gegeben hat und vielleicht auch nicht im Gesetz vorgesehen ist. Ein Lehrer, der seine Arbeit ohne Geld anbietet?
Dingen auf den Grund gehen
Zugegeben: Es wäre nicht nur für diese Berufsgruppe speziell. Das weiß auch Pfau. Aber als Lehrer gerade für das Fach Politik wollte er den Dingen auf den Grund gehen und sich nicht einfach abspeisen lassen. Demokratiebildung sei schließlich heute mehr denn je wieder eine vornehme Aufgabe an Schulen. Und ja, es könne sein, dass er Zeit seines Berufslebens Dingen auf den Grund gegangen sei. Und weiter gehe. Was wiederum aber auch kein Makel sein muss. Im Gegenteil. Und deshalb ging er mit seiner Geschichte auch zur GZ – weil sie so ungewöhnlich ist, wie sie ist.
Nachgehakt wird im Kultusministerium. Pfau entbindet die Behörde von Schweigepflichten. Sprecher Bela Mittelstädt gibt mit einigem Anlauf Auskunft. „Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit an Schulen in Niedersachsen ist grundsätzlich möglich“, schreibt er. Sie können Ehrenamtliche zum Beispiel im Ganztag als Konfliktberater oder in der Hausaufgabenbetreuung einsetzen.
Unterricht ist außen vor
„Unterricht darf von Ehrenamtlichen jedoch nicht erteilt werden“, heißt es weiter. Denn Ehrenamt und Beschäftigung als Lehrkraft müssten klar voneinander getrennt werden. Die Tätigkeit als Lehrkraft sei sozialversicherungspflichtig, eine unentgeltliche Beschäftigung daher nicht zulässig. Dadurch würden wichtige gesetzliche Grundlagen zum Schutz von Beschäftigten – etwa das Mindestlohngesetz – sowie tarifrechtliche Regelungen und schulrechtliche Vorgaben umgangen. „Das ist weder möglich noch wünschenswert“, erklärt Mittelstädt. Matthias Pfau sei umfassend und mehrfach durch Mitarbeiter des Regionalen Landesamtes für Schule und Bildung sowie des Kultusministeriums beraten und über seine Möglichkeiten informiert worden. Ihm stünden die regulären Wege der Weiterbeschäftigung als pensionierte Lehrkraft weiterhin offen. „Sollte eine Schule eine entsprechende Einstellungsmöglichkeit ausschreiben, wird seine vorliegende Bewerbung automatisch in das Auswahlverfahren aufgenommen.“
Und der Unterricht?
Das war Pfau auch schon vorher klar, auch wenn er manche Verfahrensschritte kompliziert findet. Nur, dass er nicht ohne Gehalt arbeiten darf, war ihm nicht klar. Jetzt weiß er es – und all jene, die vielleicht Ähnliches im Sinn hatten. Er hätte sich aber gewünscht, „dass zumindest ansatzweise versucht worden wäre, eine Lösung zu finden, die den Schülerinnen und Schülern möglich macht, das zu bekommen, was ihnen zusteht – nämlich Unterricht.“
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