Fort von der Worth: Goslar schickt Kaiser auf Kur nach Ostharingen
Bettet sein Haupt in starke Arme: Einer von acht Herrschern lässt sich von Christoph Jarzebski (l.) und Matthias Voigt aus dem Restauratoren-Team Windmann sanft vom Thron an der „Kaiserworth“ heben. Foto: Epping
Ostharingen wird zur neuen Adelsmetropole in der Region: Das Team von Restaurator Holger Windmann hat am Montag die sechs verbliebenen Majestäten vom Hotel „Kaiserworth“ entfernt und mitgenommen. Die Figuren aus Eichenholz müssen saniert werden.
Goslar. Die eine Majestät hing ein wenig mehr an ihrem Thron. Andere ließen sich um so leichter vom Sockel holen. Eine historische Rekordleistung dürfte es aber auf jeden Fall darstellen, dass Restaurator Holger Windmann zusammen mit Christoph Jarzebski, Matthias Voigt und Christoph Sudhoff an nur einem einzigen Tag gleich sechs Kaiser abservierte. Zusammen mit einer Abundantia- und einer Herkules-Figur zogen sie am Montag von der Goslarer „Kaiserworth“ um nach Ostharingen, wo schon zwei kranke Herrscher auf Kur sind und auf Hilfe warten.
Da kann Goslar nur neidisch werden: Der kleine Liebenburger Ortsteil ist für die nächsten Monate das Zentrum monarchischer Macht. Bei einer Einwohnerzahl von 235 – laut Verwaltungsvize Lutz Krusekopf der zuletzt ermittelte Stand Ende 2023 – kommt künftig auf knapp 30 Ostharinger ein Goslarer Exil-Kaiser. Sie legen sich erst einmal in Windmanns Werkstatt für Bau- und Denkmalpflege aufs Ohr, bis die Schäden aufgenommen sind und die eigentliche Therapie beginnen kann. Zurückerwartet werden sie wohl erst Anfang 2027. Ende Februar des Jahres will eine runderneuerte „Kaiserworth“ wie berichtet wieder als Hotel unter Regie des neuen Eigentümers, der Hans-Joachim-Tessner-Stiftung, mit voller Kraft und in alter Pracht und Glanz durchstarten.
Ab zur Kur: Noch einmal wird jeder Kaiser auf Händen getragen. Foto: Epping
Mit Hohlkreuz, aber locker über 100 Kilo
Was sollte der gemeine Goslarer von den hohen Herren aus Holz wissen? Eben dass sie komplett aus Eiche bestehen, hinten ein ziemliches Hohlkreuz haben, aber immerhin doch alle locker gut über 100 Kilo auf die Waage bringen. Ein Mann allein konnte am Montag jedenfalls keinen Adeligen aus dem Weg räumen. Auf der anderen Seite sind die Kaiser auch schon hochbetagt, der erste stand laut Restaurator Windmann schon 1684 an seinem Platz. Und konnte sich bis heute auch kaum einmal hinlegen und sich von dieser repräsentativen Pflicht ausruhen. Vor 34 Jahren allerdings wurden schon einmal alle Kaiser auf den Boden der Tatsachen geholt.
Hohles Kreuz: Hinten darf es bei Kaisers auch schon einmal weniger Holz sein. Chef Holger Windmann (r.) packt mit an. Foto: Epping

Her mit dem Zepter: Christoph Jarzebski (l.) und Christoph Sudhoff schauen genau hin, wenn einem Kaiser die Macht genommen wird. Foto: Epping
Windmann kann sich bestens erinnern, weil längst nicht alles so fast spielerisch leicht ablief. Damals gab es keine Hebebühne, die die Helfer direkt auf Augenhöhe mit den Figuren fuhr und quasi als Lift für die gestürzten Kaiser nach unten diente. „Das war viel schwieriger, als wir mit einem Schiebegerüst arbeiten und die Kaiser die einzelnen Ebenen herab wuchten mussten“, sagt Windmann. Auf der anderen Seite stand die meist beobachtete Baustelle auch nicht derart unter (medialer) Daueraufsicht wie jetzt, als immer wieder einmal ein freundlicher Anruf mit städtischen Tipps, Wünschen oder Anregungen kam – wie immer man es nennen mag –, wie denn penibel korrekt vorzugehen sei. Ob es andersherum auch so liefe?
Rundgang durch die Kaiserworth
Wer nicht ölt, der nicht genug pflegt
Ist aber auch nur Nebensache. Zurück in der Zeit ins Jahr 1991: „Wir haben die Figuren komplett restauriert“, erinnert sich Windmann an eine Zeit, als Goslar noch nicht Weltkulturerbe war und ein gewisser Professor Reinhard Roseneck an den denkmalpflegerischen Strippen zog. Das Land Niedersachsen bezahlte die kaiserlichen Behandlungen komplett. Leider, bedauert Windmann, seien die gekrönten Kaiser anschließend noch nicht einmal königlich behandelt worden. „Alle fünf Jahre sollte man schon wieder ölen und nachbessern“, erklärte Windmann. In Goslar sei das jedenfalls nicht passiert.

Trauriger Zustand: So sieht einer jener beiden Kaiser aus, die schon seit zehn Jahren abgedankt sind. Foto: Privat

Liegendtransport: Paarweise werden die Potentaten nach Ostharingen ausquartiert. Foto: Epping
Japaner und Polizisten
Wem das Treiben am Montag besonders gefiel: Touristen und Einheimische blieben immer wieder stehen, um Fotos und kleine Filmchen zu machen. Ganz vorne weg eine Gruppe aus Japan, die sich laut Windmann gar nicht wieder einkriegen konnte ob des erlebten Kaisersturzes. Weit weniger ließ sich die Frühsportgruppe der benachbarten Kita Kunterbunt ablenken, die den Morgenlauf nach kurzem Halt wieder in Reih und Ordnung fortsetzte. „Sie haben eine wunderschöne Stadt“, gaben Anne und Wolfgang Scherf aus Bad Homburg zu Protokoll. Und ja, das darf auch einmal genau so festgehalten werden. Unklar blieb, warum kurzzeitig eine Polizei-Streife im Transporter auf dem Marktplatz hielt. Ob jemand einen Kaiser-Klau gemeldet hatte?

Nest ja, Schutz nein: Eine Taube ist wenig(er) begeistert, dass Goslar seine Kaiser ins Exil schickt. Foto: Epping
Wer begleitet die Kaiser in die Kur? An der Ecke zur Worthstraße haben Abundantia und Herkules ihren Platz. Die eine ist die göttliche Personifizierung von Überfluss und Wohlstand, der andere ein altgriechischer Göttersohn und bärenstarker Sagenheld – beide aber auch nicht so stark, dass sie nicht zwischendurch auch einmal zum Doktor müssten – gute Besserung!
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