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Majestäten am Marktplatz abgebaut

GZ Plus IconFort von der Worth: Goslar schickt Kaiser auf Kur nach Ostharingen

Bettet sein Haupt in starke Arme: Einer von acht Herrschern lässt sich von Christoph Jarzebski (l.) und Matthias Voigt aus dem Restauratoren-Team Windmann sanft vom Thron an der „Kaiserworth“ heben.

Bettet sein Haupt in starke Arme: Einer von acht Herrschern lässt sich von Christoph Jarzebski (l.) und Matthias Voigt aus dem Restauratoren-Team Windmann sanft vom Thron an der „Kaiserworth“ heben. Foto: Epping

Ostharingen wird zur neuen Adelsmetropole in der Region: Das Team von Restaurator Holger Windmann hat am Montag die sechs verbliebenen Majestäten vom Hotel „Kaiserworth“ entfernt und mitgenommen. Die Figuren aus Eichenholz müssen saniert werden.

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Von Frank Heine
Montag, 28.04.2025, 19:45 Uhr

Goslar. Die eine Majestät hing ein wenig mehr an ihrem Thron. Andere ließen sich um so leichter vom Sockel holen. Eine historische Rekordleistung dürfte es aber auf jeden Fall darstellen, dass Restaurator Holger Windmann zusammen mit Christoph Jarzebski, Matthias Voigt und Christoph Sudhoff an nur einem einzigen Tag gleich sechs Kaiser abservierte. Zusammen mit einer Abundantia- und einer Herkules-Figur zogen sie am Montag von der Goslarer „Kaiserworth“ um nach Ostharingen, wo schon zwei kranke Herrscher auf Kur sind und auf Hilfe warten.

Da kann Goslar nur neidisch werden: Der kleine Liebenburger Ortsteil ist für die nächsten Monate das Zentrum monarchischer Macht. Bei einer Einwohnerzahl von 235 – laut Verwaltungsvize Lutz Krusekopf der zuletzt ermittelte Stand Ende 2023 – kommt künftig auf knapp 30 Ostharinger ein Goslarer Exil-Kaiser. Sie legen sich erst einmal in Windmanns Werkstatt für Bau- und Denkmalpflege aufs Ohr, bis die Schäden aufgenommen sind und die eigentliche Therapie beginnen kann. Zurückerwartet werden sie wohl erst Anfang 2027. Ende Februar des Jahres will eine runderneuerte „Kaiserworth“ wie berichtet wieder als Hotel unter Regie des neuen Eigentümers, der Hans-Joachim-Tessner-Stiftung, mit voller Kraft und in alter Pracht und Glanz durchstarten.
Ab zur Kur: Noch einmal wird jeder Kaiser auf Händen getragen.

Ab zur Kur: Noch einmal wird jeder Kaiser auf Händen getragen. Foto: Epping

Mit Hohlkreuz, aber locker über 100 Kilo

Was sollte der gemeine Goslarer von den hohen Herren aus Holz wissen? Eben dass sie komplett aus Eiche bestehen, hinten ein ziemliches Hohlkreuz haben, aber immerhin doch alle locker gut über 100 Kilo auf die Waage bringen. Ein Mann allein konnte am Montag jedenfalls keinen Adeligen aus dem Weg räumen. Auf der anderen Seite sind die Kaiser auch schon hochbetagt, der erste stand laut Restaurator Windmann schon 1684 an seinem Platz. Und konnte sich bis heute auch kaum einmal hinlegen und sich von dieser repräsentativen Pflicht ausruhen. Vor 34 Jahren allerdings wurden schon einmal alle Kaiser auf den Boden der Tatsachen geholt.
Hohles Kreuz: Hinten darf es bei Kaisers auch schon einmal weniger Holz sein. Chef Holger Windmann (r.) packt mit an.

Hohles Kreuz: Hinten darf es bei Kaisers auch schon einmal weniger Holz sein. Chef Holger Windmann (r.) packt mit an. Foto: Epping

Her mit dem Zepter: Christoph Jarzebski (l.) und Christoph Sudhoff schauen genau hin, wenn einem Kaiser die Macht genommen wird.

Her mit dem Zepter: Christoph Jarzebski (l.) und Christoph Sudhoff schauen genau hin, wenn einem Kaiser die Macht genommen wird. Foto: Epping

Windmann kann sich bestens erinnern, weil längst nicht alles so fast spielerisch leicht ablief. Damals gab es keine Hebebühne, die die Helfer direkt auf Augenhöhe mit den Figuren fuhr und quasi als Lift für die gestürzten Kaiser nach unten diente. „Das war viel schwieriger, als wir mit einem Schiebegerüst arbeiten und die Kaiser die einzelnen Ebenen herab wuchten mussten“, sagt Windmann. Auf der anderen Seite stand die meist beobachtete Baustelle auch nicht derart unter (medialer) Daueraufsicht wie jetzt, als immer wieder einmal ein freundlicher Anruf mit städtischen Tipps, Wünschen oder Anregungen kam – wie immer man es nennen mag –, wie denn penibel korrekt vorzugehen sei. Ob es andersherum auch so liefe?

Rundgang durch die Kaiserworth

04:18 min
Rundgang durch die Kaiserworth. Video: Sebastian Sowa und Frank Heine.

Wer nicht ölt, der nicht genug pflegt

Ist aber auch nur Nebensache. Zurück in der Zeit ins Jahr 1991: „Wir haben die Figuren komplett restauriert“, erinnert sich Windmann an eine Zeit, als Goslar noch nicht Weltkulturerbe war und ein gewisser Professor Reinhard Roseneck an den denkmalpflegerischen Strippen zog. Das Land Niedersachsen bezahlte die kaiserlichen Behandlungen komplett. Leider, bedauert Windmann, seien die gekrönten Kaiser anschließend noch nicht einmal königlich behandelt worden. „Alle fünf Jahre sollte man schon wieder ölen und nachbessern“, erklärte Windmann. In Goslar sei das jedenfalls nicht passiert.

Trauriger Zustand: So sieht einer jener beiden Kaiser aus, die schon seit zehn Jahren abgedankt sind.

Trauriger Zustand: So sieht einer jener beiden Kaiser aus, die schon seit zehn Jahren abgedankt sind. Foto: Privat

Ganz im Gegenteil: Die ersten beiden Kaiser mussten schon vor zehn Jahren klein beigeben, als eine Dachrinne leckte und Wasser auf die Köpfe tropfte. „Das hält kein Eichenholz aus“, hielt Windmann fest. Das Duo wurde nie wieder aufgestellt und beim Aufräumen wie berichtet irgendwo in Worth-Abstellecken entdeckt. Eine Figur ist wohl nicht mehr zu retten. Ansonsten sollten die Kaiser wiederzubeleben sein. Paarweise wurden sie im liegenden Krankentransport Fuhre um Fuhre nach Ostharingen verfrachtet. Mal schauen, was Hofarzt Windmann im Detail herausfindet.
Liegendtransport: Paarweise werden die Potentaten nach Ostharingen ausquartiert.

Liegendtransport: Paarweise werden die Potentaten nach Ostharingen ausquartiert. Foto: Epping

Schon jetzt rätselt er über die Herkunft beziehungsweise die Herstellung der mit Haken und Gewindespannern befestigten Kaiser. „Es könnte sein, dass der Standort eine Zweitverwendung ist“, sagt der Restaurator. Die Körper seien für ihren angestammten Platz eigentlich zu groß. Zwischen Baldachin oben und Sockel unten wirkten sie „ziemlich knirsch“. Dem Beobachter fällt sogar von unten auf, dass zum Teil am Baldachin manipuliert oder sogar ganze Ecke ausgeschlagen sind, um die Kaiser hineinzuzwängen. Gibt es auch eine andere Erklärung? „Vielleicht haben sich die Leute damals auch einfach vermessen.“

Japaner und Polizisten

Wem das Treiben am Montag besonders gefiel: Touristen und Einheimische blieben immer wieder stehen, um Fotos und kleine Filmchen zu machen. Ganz vorne weg eine Gruppe aus Japan, die sich laut Windmann gar nicht wieder einkriegen konnte ob des erlebten Kaisersturzes. Weit weniger ließ sich die Frühsportgruppe der benachbarten Kita Kunterbunt ablenken, die den Morgenlauf nach kurzem Halt wieder in Reih und Ordnung fortsetzte. „Sie haben eine wunderschöne Stadt“, gaben Anne und Wolfgang Scherf aus Bad Homburg zu Protokoll. Und ja, das darf auch einmal genau so festgehalten werden. Unklar blieb, warum kurzzeitig eine Polizei-Streife im Transporter auf dem Marktplatz hielt. Ob jemand einen Kaiser-Klau gemeldet hatte?

Nest ja, Schutz nein: Eine Taube ist wenig(er) begeistert, dass Goslar seine Kaiser ins Exil schickt.

Nest ja, Schutz nein: Eine Taube ist wenig(er) begeistert, dass Goslar seine Kaiser ins Exil schickt. Foto: Epping

Wem das Treiben am Montag so gar nicht gefiel: Den Tauben konnten ihre schützenden Potentaten eben nicht gestohlen bleiben. Sie waren ein perfekter Schutz für ihre Behausungen, die sie hinter den hohlen Herren gewählt, aber zum Glück noch keinen geschlüpften Nachwuchs im Nest hatten. Die Vögel flogen aufgeregt hin und her. Goslar muss ihnen anderswo einen Schlupfwinkel bieten.

Wer begleitet die Kaiser in die Kur? An der Ecke zur Worthstraße haben Abundantia und Herkules ihren Platz. Die eine ist die göttliche Personifizierung von Überfluss und Wohlstand, der andere ein altgriechischer Göttersohn und bärenstarker Sagenheld – beide aber auch nicht so stark, dass sie nicht zwischendurch auch einmal zum Doktor müssten – gute Besserung!

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