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GZ-Halloween-Serie

GZ Plus IconOberharzer Forscher enthüllt: Sind Vampire echt?

Für den Osteuropahistoriker Dr. Frank Schuster aus Clausthal-Zellerfeld ist Graf Zahl so etwas wie ein Supervampir.

Für den Osteuropahistoriker Dr. Frank Schuster aus Clausthal-Zellerfeld ist Graf Zahl so etwas wie ein Supervampir. Foto: Sesame Workshop LBJ Library photo by Jay Godwin

Geboren in Transsylvanien, zu Hause im Oberharz: Der Historiker Dr. Frank Schuster weiß, woher der Glaube an Vampire kommt – und warum Graf Zahl aus der Sesamstraße mehr mit ihnen zu tun hat, als man denkt.

Von Redaktion Dienstag, 28.10.2025, 16:00 Uhr

Clausthal-Zellerfeld. Halloween steht vor der Tür und damit sicherlich bald auch wieder viele als Vampir verkleidete Kinder. Dabei hat das ganze Halloween-Spektakel eigentlich gar nichts mit Vampiren zu tun. Aber der Vampir ist heute eben das bekannteste unter den Gruselmonstern – ein regelrechter Medienstar. Jedes Kind kennt ihn. Dr. Frank Schuster lebt zwar in Clausthal-Zellerfeld, stammt aber aus Transsylvanien. Er ist Osteuropahistoriker, Literatur- und Kulturwissenschaftler und befasst sich in der dreiteiligen GZ-Serie damit, wie das Phänomen entstand und wie sich Vampire im historischen Volksglauben von jenen in der Literatur und im Film unterscheiden.

Dr. Frank Schuster stammt ursprünglich aus Transsylvanien.

Dr. Frank Schuster stammt ursprünglich aus Transsylvanien. Foto: Potthast/Archiv

„Auch ich habe, als ich aus Rumänien nach Deutschland kam, meinen ersten Vampir in der Sesamstraße gesehen“, erinnert sich Schuster. Zwar sei der Glaube an Vampire wie in ganz Südosteuropa auch in Rumänien verbreitet, aber nur unter der christlich-orthodoxen Bevölkerung auf dem Lande und weder unter der ungarischen Minderheit noch unter der deutschen, die seit dem Mittelalter in den Städten Transsylvaniens lebte. Dazu würden auch Schusters Vorfahren gehören. „In meiner lutherischen Familie gab es keine Geschichten über Vampire. Bram Stokers Roman ‚Dracula‘ kannte in Rumänien niemand. Es gab zwar ab und an sogar in Rumänien Hollywoodfilme zu sehen, die Vampirfilme waren aber nicht darunter.“

Wandelnde Leichen heißen „Strigoi“

Der Roman wurde erst 1990 übersetzt, als die ersten britischen und amerikanischen Touristen aufgetaucht und auf Draculas Spuren durch das Land geirrt sind. „Keiner verstand, was sie suchten. Vielen Rumänen ist bis heute unverständlich, dass irgendein untoter ungarischer Graf in einem englischen Roman irgendetwas mit ihrem Glauben an Wiedergänger zu tun haben soll“, führt Schuster aus. Schließlich sind es ihrem Glauben nach die nicht ordnungsgemäß beerdigten Verwandten oder solche, die ohnehin kein ordentliches Leben geführt haben, die nach dem Tod weiter auf Erden wandeln. Sie erscheinen den Dorfbewohnern, weil sie nicht in den Himmel kommen, und sie quälen, würgen, sie krank machen und ihnen die Lebensenergie – das Blut – aussaugen.

Noch verwirrender ist laut Schuster, dass diese wandelnden Leichen auf Rumänisch „Strigoi“ heißen und nicht Vampire. Dieses Wort stammt, so der Experte, wahrscheinlich aus dem Slawischen, wobei die genaue Herkunft umstritten ist. Es hat sich dann Mitte des 18. Jahrhunderts über das Serbische in Europa verbreitet. Deshalb ist auch das Wort Vampir in Rumänien bis vor etwa 30 Jahren ganz und gar unbekannt gewesen.

Ein Faible fürs Zählen

„Lustigerweise hat der Vampir aus der Sesamstraße mehr mit dem Volksglauben an Vampire zu tun als Graf Dracula in Stokers Roman und den späteren Filmen“, meint Schuster. Dass die Puppe, die den Kindern das Zählen beibringen soll, ein Vampir ist, ist sicher kein Zufall. Graf Zahl oder im amerikanischen Original „Count von Count“ heißt so, weil er es liebt, alles Mögliche zu zählen.

Es steckt aber mehr dahinter als nur ein lustiges Wortspiel mit dem Namen, weiß Schuster. „Im rumänischen Volksglauben haben die Strigoi tatsächlich einen Zählzwang.“ Deshalb würden die Verwandten, wenn sie befürchten, dass der gerade Verstorbene wiederkehren könnte, Getreide, Maiskörner, Sonnenblumenkerne, Mohnsamen – oder in den Fischerdörfern ein Fischernetz mit vielen Knoten – in den Sarg werfen. Dann sei der wiedererwachte Tote hoffentlich so lange mit Zählen beschäftigt, bis sein Körper so verwest ist, dass er nicht mehr wiederkehren kann und doch noch in den Himmel kommt.

Vampir mit violetter Hautfarbe

Damit beantwortet Schuster die Frage, ob Graf Zahl ein Vampir ist, mit „ja“. Auch wenn die heutigen Macher der Sesamstraße verunsicherten Eltern erklären, der Graf sei nur vampirähnlich, ist er aus Sicht eines Historikers natürlich ein Vampir, meint Schuster. „Für mich ist er sogar so etwas wie der einzig wahre Supervampir.“ Denn er besitzt sowohl Merkmale von „Strigoi“ aus dem Volksglauben als auch des Vampirs aus der Literatur und dem Film: Neben seinem Zähltick kann er unter anderem auch tagsüber herumwandern, wie die Vampire der südosteuropäischen Folklore. Ob er auch ein Spiegelbild hat, bleibt in der Serie allerdings im Dunkeln. In einer Folge der Serie blickt er zwar in den Spiegel und schimpft, weil es keine Spiegelung gibt. Es bleibt aber ungeklärt, ob der Graf kein Spiegelbild hat oder ob man nur nichts sieht, weil der Spiegel alt und blind ist.

Wie die literarischen Vampire gehört Graf Zahl zudem zum blaublütigen Adel. Erkennbar an seiner violetten Hautfarbe: eine Mischung aus dem eigenen blauen und fremdem roten Blut. Und ein filmischer Vampir ist er ja sowieso, denn schließlich ist er nicht nur Teil einer der am längsten laufenden Fernsehserien der Welt, sondern sieht auch noch aus und spricht wie der Graf in der allerersten Dracula-Verfilmung Hollywoods von 1931.

Dracula mit dem komplizierten Namen

Für den ungarischen Schauspieler Béla Ferenc Dezső Blaskó war es die Rolle seines Lebens, weil diesmal sein starker Akzent kein Nachteil war, sondern perfekt passte. Seitdem hielten die meisten US-Amerikaner, aber auch viele Westeuropäer, diesen Akzent für typisch osteuropäisch, auch wenn der slawische viel verbreiteter ist, sagt Schuster. Das Problem war nur sein unaussprechlicher Name, weshalb er sich nur noch Bela Lugosi genannt hat – nach seiner Heimatstadt Lugos.

Die liegt zwar nicht in Transsylvanien, aber direkt daneben im Banat. Aus dieser Umgebung stammen übrigens einige der frühesten von österreichischen Verwaltungsbeamten 1725 bis 1726 dokumentierten Berichte über Vampirfälle unter der dortigen orthodoxen, rumänisch-serbischen Bevölkerung. Lugosi war wahrscheinlich einer der wenigen, die in Hollywood von dem ursprünglichen Glauben an Vampire hätten berichten können. „Nur wen interessierten schon hinterwäldlerische Dorfmonster? Viel spannender war da ein untoter Graf.“

Es heißt, Lugosi träumte davon, selbst Vampir und als Graf Dracula unsterblich zu sein. „Dank Graf Zahl, den heute fast jedes Kind kennt, ist ihm das in gewisser Weise sogar gelungen“, folgert Schuster.

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