Schüler der Okeraner Adolf-Grimme-Schule fahren nach Auschwitz
Matteo Kaletta und Kilian Habath (v. l.) ergreifen am Mahnmal in Auschwitz-Birkenau das Wort, um an die dort ermordeten Goslarer zu erinnern Foto: Privat
Schüler der Adolf-Grimme-Gesamtschule haben sich mit dem Thema Nationalsozialismus und Holocaust befasst. Die Mitglieder der freiwilligen Arbeitsgemeinschaft besuchten auch das Konzentrationslager Auschwitz und die Euthanasie-Gedenkstätte Bernburg.
Oker. Nationalsozialismus und Holocaust – was bedeutete das eigentlich? Schüler des zehnten Jahrgangs der Adolf-Grimme-Gesamtschule (AGG) haben sich in einer freiwilligen Arbeitsgruppe intensiv mit dem Thema befasst. Am Donnerstagabend berichteten sie im Forum der AGG über ihre Erfahrungen.
Besonders einprägsam war für sie die Fahrt nach Krakau, wo sie das ehemalige jüdische Ghetto besuchten. Geraldine Behrendt, Alessa Bauer und Emily Berger berichteten darüber. Was sich ihnen stark einprägte: „Das Ghetto wurde mit einer drei Meter hohen Mauer umgeben, deren Rundbögen bewusst jüdischen Grabsteinen nachgebildet waren, um die jüdischen Menschen zu demütigen.“ Die Schüler hörten von Tod, Hunger, Erschießungen, vom Abtransport der noch arbeitsfähigen Menschen nach Plaszow, von der Deportation nach Auschwitz. Aber auch von Menschen, die halfen, so vom Apotheker Tadeusz Pankiewicz und seinen Mitarbeiterinnen, die Juden mit Medikamenten und Lebensmitteln unterstützten und gefälschte Dokumente für sie besorgten.
Eine Liste, die Leben rettet
Izabela Iwanowska, Theresia Otto und Stylianos Kritikos schilderten den Besuch in der Oskar-Schindler-Fabrik. Stylianos Kritikos erzählte: „Nachdem Schindler erfahren hatte, dass seine jüdischen Arbeiter und Arbeiterinnen aus dem Arbeitslager Plaszow in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert werden sollten, beschloss er, sie zu retten. Er verlegte seine Fabrik und listete über 1200 Namen jüdischer Arbeitskräfte auf, die er als unverzichtbar für die Fabrik auswies und daher mitnehmen wollte. So rettete er sie vor dem sicheren Tod.“

Noah Wolf (l) und Luca Meyer legen das mitgebrachte Blumengesteck vor der Todeswand nieder, während Emily Berger eine kurze Rede hält. Foto: Privat
Ayamuddin Stanikzai und Leonie Machner schilderten ihre Erfahrungen beim Besuch der Gedenkstätte Auschwitz. Schon der Gang durch das Eingangstor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ war bedrückend. Im zweiten Block sahen sie persönliche Gegenstände der Opfer. Berge an Prothesen, Schuhen, Koffern, Brillen, Rasierpinsel, Kämmen und Geschirr. „Ich fand diesen Block besonders erschütternd, weil jeder Gegenstand eine Seele hat“, sagte Leonie Machner. „Besonders erschreckend fand ich den Berg aus Haaren. Diese Haare wurden den Frauen nach der Ankunft abgeschnitten und anschließend zur Herstellung von Teppichen verkauft.“ Auch die Berge an Kinderkleidung machten die Schüler betroffen.
Gang in die Gaskammer
„Als ich die Gaskammer betrat, habe ich mir vorstellen müssen, wie qualvoll und voller Angst diese Menschen hier sterben mussten. Die dunklen, kalten Wände vermittelten einen schrecklichen Eindruck davon, was sich hier abgespielt haben muss“, sagte Ayamuddin Stanikzai.
An der Todeswand vor Block elf, an der etwa 20.000 Menschen erschossen wurden, legten die Schüler einen Kranz nieder. Leonie Machner meinte später: „Wir verließen das Lager mit einem Gefühl der Trauer, aber auch mit der Erkenntnis, dass es unsere Verantwortung ist, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und sicherzustellen, dass sich diese Tragödie niemals wiederholt. Dieser Ort ist nicht nur ein Museum, sondern eine Mahnung an uns alle. Auschwitz darf nie vergessen werden!“

Während der Rede am Mahnmal entzünden Leonie Machner, Izabela Iwanowska und Ayamuddin Stanikzai (v. l.) selbst gestaltete Kerzen zum Gedenken an die ermordeten Goslarer. Foto: Privat
Über den Besuch im drei Kilometer entfernten Lager Auschwitz-Birkenau berichteten Maik Klehr, Noah Wolf, Lea-Marie Minola, Aliya Bittaye, Luca Meyer: „Im Konzentrationslager Birkenau wurden ungefähr 1,1 Millionen Menschen systematisch ermordet. Etwa 900.000 der nach Auschwitz deportierten Menschen wurden direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Weitere 200.000 Menschen kamen durch Krankheiten, Erfrierungen, Unterernährung, körperliche Erschöpfung, Misshandlungen und pseudomedizinische Experimente zu Tode.“
Die Schüler besuchten das Mahnmal, das in verschiedenen Sprachen der Opfer gedenkt. Sie erinnerten mit einer kurzen Ansprache an die in Auschwitz ermordeten Goslarer: Alfred und Hilde Lebach, die im März 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Sein Bruder Kurt Lebach wurde gemeinsam mit seiner Frau Hedwig im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und umgebracht. Auch Henny Heilbrunn wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort in den Gaskammern ermordet. Die Schüler zündeten Kerzen für die jüdischen Goslarer an, um die Erinnerung an sie wach zu halten.
Wie grausam Menschen sein können
„Auschwitz ist ein düsterer Ort, der zeigt, wie grausam Menschen sein können und warum es so wichtig ist, demokratische Werte zu verteidigen. Menschen aufgrund bestimmter Merkmale bewusst auszugrenzen und schließlich zu ermorden, ist unmenschlich und darf niemals wieder geschehen“, sagte Maik Klehr. „Ich habe in Auschwitz gesehen, wie unmenschlich die Menschen dort leben und arbeiten mussten, was ich mir vorher nie so vorgestellt hatte. Es sollte uns eine Lehre sein, so etwas nie wieder zuzulassen und die Vergangenheit nicht zu wiederholen“, fügte Noah Wolf hinzu.

Die Schüler überreichen Zeitzeugin Rena Rach als Dank Rosen. Foto: Privat
Besonders beeindruckt hat die Gruppe ein Gespräch mit der Zeitzeugin Rena Rach, deren Eltern im Krakauer Ghetto leben mussten. Doch die im Mai 1941 geborene Rena hatte mehrfach Glück: Ihr Vater konnte für Oskar Schindler arbeiten. Er konnte seine Familie nicht nur mit Lebensmitteln versorgen, sondern wurde auch, als er ins Konzentrationslager Plaszow gebracht worden war, von Schindler gerettet. Als ihre Mutter mit dem Baby 1943 aus dem Ghetto flüchtete, hatten beide wieder Glück. Weil Rena an einer Ohrenentzündung erkrankt war und vor Schmerzen schrie, trennte sich die Mutter von den anderen, um die Gruppe nicht zu gefährden. Doch die Gruppe wurde verraten, alle wurden umgebracht, nur die Mutter und das Kind waren entkommen.

Die Arbeitsgruppe der Zehntklässler berichtet im Forum der Adolf-Grimme-Gesamtschule von ihren Erfahrungen und stellt ihre Arbeit vor. Foto: Hartmann
Über ihren Besuch in der Euthanasie-Gedenkstätte Bernburg haben die Schüler einen Film gedreht. Hier wurden Patienten, die an geistigen oder psychischen Krankheiten litten, unter dem Vorwand, sie heilen zu wollen, ermordet. Über die „Euthanasie-Morde“ in Deutschland informiert eine Wanderausstellung der Stiftung „Topografie des Terrors“, die nun in der AGG aufgebaut ist. Sie wird ergänzt durch zwei Roll-ups der Liebenburger Dr.-Fontheim-Klinik. Die Ausstellung bleibt für drei Wochen in der Schule, in dieser Zeit werden die Schüler sie noch um einige Exponate erweitern. Mit diesen Ergänzungen ist sie ab dem 2. April im Goslarer Kulturmarktplatz zu sehen.