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Aus Personalnot – und Liebe zum Job

GZ Plus IconDiese Bad Harzburgerin schob schon dreimal den Ruhestand auf

In der Grundschule Harlingerode habe sie sich von Anfang an wohlgefühlt, sagt Rainhild Peters.

In der Grundschule Harlingerode habe sie sich von Anfang an wohlgefühlt, sagt Rainhild Peters. Foto: Exner

Förderschullehrerin Rainhild Peters ist die gute Seele der Grundschule Harlingerode, Motivatorin und Vertrauensperson. Dreimal hat sie schon bewusst ihre Pensionierung aufgeschoben. Nun geht sie in einen Ruhestand, der eigentlich keiner ist.

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Von Christoph Exner
Samstag, 12.07.2025, 12:00 Uhr

Harlingerode. Inmitten des Pulks aus Schülern und Eltern ertönen Rufe des Wehklagens. „Oh nein“, hallt es voller Enttäuschung in Richtung der Harlingeröder Grundschulleiterin Swenja Niemeyer. Die hat gerade bei der Verabschiedung in die Sommerferien verkündet, dass die langjährige Förderschullehrerin Rainhild Peters in den Ruhestand gehen wird. Wobei: So richtig tut sie das eigentlich gar nicht. Der Grundschule wird sie nämlich auch mit Beginn des neuen Schuljahrs erhalten bleiben, als pädagogische Mitarbeiterin – und das, obwohl sie bereits 69 Jahre alt ist.

Dreimal hat Rainhild Peters ihren Ruhestand bereits aufgeschoben. Sicher hätte sie dies auch noch ein viertes Mal getan, doch das wäre in ihrem Fall rechtlich nicht mehr möglich gewesen. Peters tat dies aus Gründen der Personalnot, vor allem aber aus Hingabe und Freude an ihrer Aufgabe. Es mag abgedroschen klingen, doch für sie ist ihre Arbeit kein Beruf, sondern eine Berufung.

Als Förderschullehrerin begleitete und unterstützte Peters Jungen und Mädchen mit besonderem Förderbedarf im Unterricht. Den Schülern klarmachen, dass sie selbst an sich arbeiten müssen, dabei aber stets sensibel vorgehen und empathisch sein – so beschreibt die Pädagogin ihren Job. Zwangsläufig baut sich da über die Zeit eine enge Bindung zu den Kindern auf. Zudem hatte Peters bis zuletzt auch noch eine eigene Klasse. Als ihre Verabschiedung näher rückte, sei das deshalb ein sehr komisches Gefühl gewesen, erzählt sie. Das Gefühl, ein Stück weit loslassen zu müssen.

Hoffnung machen und dranbleiben

Rainhild Peters kommt aus Schleswig-Holstein. Sie studierte Lehramt mit dem Fokus Förderschule und schrieb sich schnell das Thema Inklusion auf die Fahne. Ihre Schwerpunkte: der Förderbedarf Lernen und der Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung.

Die 69-Jährige ist im Laufe ihrer Karriere viel herumgekommen, arbeitete zunächst in mehreren Schulen in Schleswig-Holstein und kam dann 1994 in den Harz. In Clausthal-Zellerfeld fing sie in der mittlerweile geschlossenen Calvör-Schule an, war dort später sogar kommissarische Schulleitung. So richtig glücklich war sie mit jener Rolle aber nie. Am liebsten war Peters nämlich direkt bei den Kindern, wie sie sagt. 2012 kam sie an die Grundschule Harlingerode. Hier habe sie sich von Anfang an wohlgefühlt, blickt sie zurück. Viele ihrer Ideen und Vorschläge seien vom Kollegium gut angenommen worden.
Am letzten Schultag vor den Sommerferien werden die Viertklässler der Grundschule Harlingerode sowie einige Lehrkräfte verabschiedet. Darunter auch Rainhild Peters – wobei sie noch einmal zurückkommt.

Am letzten Schultag vor den Sommerferien werden die Viertklässler der Grundschule Harlingerode sowie einige Lehrkräfte verabschiedet. Darunter auch Rainhild Peters – wobei sie noch einmal zurückkommt. Foto: Exner

Vor Jahren habe sie mal einen Schüler gehabt, der so unruhig gewesen sei, dass er nicht habe lernen können, erzählt Peters. Die Lehrerin nahm sich seiner an, holte auch die Eltern mit ins Boot. Sie machte Hoffnung. Auch wenn der Junge langsam lerne, werde er Erfolg haben, war sie sich sicher. Dank der Begleitung durch die Förderschullehrerin schaffte es der Schüler, zwei Jahre Unterrichtsstoff aufzuholen. Vor Kurzem lief Peters ihrem einstigen Schützling – heute im Ausbildungsalter – beim Gang durch Bad Harzburg wieder über den Weg. Er habe gesagt, er habe jetzt eine Lehrstelle als Schweißer, berichtet Peters. Nachträglich zu sehen, die eigene Arbeit bewirkt etwas, das sei für sie eine volle Bestätigung.

„Kann ich an zehn Fingern abzählen“

Solche Erfahrungen flossen auch in die Abwägung mit ein, als das Ruhestandsalter näher rückte beziehungsweise die Pensionierung ein zweites und drittes Mal im Raum stand. Zwar habe sie tatsächlich von Jahr zu Jahr neu überlegt, aufzuhören, sagt Peters. „Doch die Tage, an denen ich im Laufe von 45 Jahren mal nicht zur Schule wollte, kann ich an zehn Fingern abzählen.“

Die heute 69-Jährige habe immer gearbeitet, immer in Vollzeit, sagt sie, obwohl sie im Laufe der Zeit Mutter von drei Söhnen wurde. „Wenn ich immer 100 oder 110 Prozent gegeben habe, dann kann ich nicht plötzlich auf null runter.“

Deshalb scheidet Peters auch jetzt trotz des offiziellen Ruhestands nicht komplett aus dem Schuldienst aus. Nach den Sommerferien beziehungsweise offiziell ab dem 1. August wird Peters der Grundschule Harlingerode als pädagogische Mitarbeiterin zur Verfügung stehen, an drei Tagen in der Woche, jeweils nachmittags.

„In dem Moment, in dem ich Schule auf einmal schrecklich finde, höre ich auf“, blickt Peters voraus. Dieser Moment ist aber offenkundig noch lange nicht gekommen. Nicht nur, weil ihre Aufgabe ihr Spaß macht und sie sich verantwortlich fühlt, sondern auch noch aus einem dritten Grund: Allein schon aus Berufswegen umgebe sie sich mit deutlich mehr jüngeren als älteren Menschen, sagt Peters. Das halte jung.

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