Zähl Pixel
Knochenbrüche und Riss in der Lunge

GZ Plus IconGewalt gegen Partnerin: Prozess gegen Braunlager geht weiter

Justizvollzugsbeamte führen den Angeklagten aus Braunlage in den Saal des Landgerichts Braunschweig.

Justizvollzugsbeamte führen den Angeklagten aus Braunlage in den Saal des Landgerichts Braunschweig. Foto: Klengel

Das Landgericht in Braunschweig hat den Prozess gegen den Gewalttäter aus Braunlage fortgesetzt. Der 37-Jährige soll seine Lebensgefährtin geschlagen, getreten und dabei gefilmt haben. Unter anderem hat eine Richterin ausgesagt.

Von Corina Klengel Dienstag, 07.10.2025, 18:00 Uhr

Braunschweig/Braunlage. Er soll seine Lebensgefährtin geschlagen, getreten und dabei gefilmt haben. Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen den 37-jährigen, zuletzt in Braunlage lebenden Mann, dem mehrfache gefährliche Körperverletzung gegenüber seiner gleichaltrigen Freundin vorgeworfen wird, wartete am Montag unter anderem mit einer hochemotionalen Aussage der Opferzeugin aus. Weiter gab es den ungewöhnlichen Fall einer Richterin auf dem Zeugenstuhl und ein ernüchterndes Urteil eines psychologischen Sachverständigen.

Die Anklage gegen den Mann, der sich derzeit in Untersuchungshaft befindet, umfasst diverse Tatkomplexe, bei denen er seine Freundin körperlich anging. Zumeist waren beide alkoholisiert. Mal schlug der Angeklagte ihr eine Flasche Pfefferminzlikör auf den Kopf, mal die Faust ins Gesicht. Bei anderer Gelegenheit soll er sie an den Haaren gezogen und ihren Kopf auf den Bordstein gestoßen haben. Doch die schlimmste Tat habe sich im Januar dieses Jahres in seiner Wohnung in Braunlage ereignet. Der 37-Jährige stieß die Frau zu Boden, trat ihr völlig außer sich ins Gesicht und die Rippen und filmte sich dabei. Dieses schockierende Handyvideo wurde nun im Gerichtssaal abgespielt. Es zeigte den offenkundig betrunkenen Angeklagten, der auf die bereits blutende, inmitten von zerstörten Möbeln liegende Frau eintritt und abwechselnd ruft, er werde sie tottreten und er liebe sie.

Innige Gesten ausgetauscht

Zwölf gebrochene Rippen, eine gebrochene Nase und ein Riss in der Lunge: Das war das Ergebnis dieser Eskalation. Doch damit nicht genug, die heute in Hamburg lebende Zeugin versucht nun, mit einer Traumatherapie mit dem Geschehen fertig zu werden. Die angeklagten Taten bestätigte sie, dies jedoch mit nur knappen Worten. Trotz allem, was sie erleiden musste, betonte die ebenfalls 37-Jährige, kein Interesse an der Strafverfolgung zu haben. „Ich liebe ihn über alles“, erklärte sie überraschend und brach in Tränen aus. Und nicht nur sie. Auch der Angeklagte weinte. Er entschuldigte sich bei ihr und bat, ihr schreiben zu dürfen. Die beiden tauschten innige Worte, Blicke und Gesten aus, bevor die Geschädigte den Saal verließ.

Die verblüffende Aussage der Opferzeugin brachte jedoch keine Klarheit darüber, ob der 37-Jährige sie wirklich hatte töten wollen. Trat er noch auf die Frau ein, als die Polizisten klopften? Oder hatte er bereits von seinem Opfer abgelassen? Die Geschädigte sagte, sie sei so benommen gewesen, dass sie das Klopfen der Polizisten nicht mitbekommen habe.

Nach Aussage der Polizisten, die an der Tür klopften und klingelten, soll es rund fünf Minuten gedauert haben, bis der Angeklagte endlich öffnete. „Da kam uns die Geschädigte entgegen“, berichtete einer der Beamten. Sie habe stark geblutet und sei über ihr Eintreffen froh gewesen, hieß es vonseiten beider Zeugen.

Das gesamte Verfahren begann zunächst vor dem Schöffengericht in Clausthal-Zellerfeld. Da sich dort nach einer ersten Beweisaufnahme der Verdacht ergab, dass es sich bei den brutalen Tritten womöglich um einen versuchten Totschlag handeln könnte, verwies die Vorsitzende das Verfahren an das Landgericht.

Borderline und Suchterkrankung

Am ersten Verhandlungstag in Braunschweig bestritt der 37-Jährige jedoch eine Tötungsabsicht. Zur Beurteilung der damaligen Aussage lud die neunte Strafkammer unter Vorsitz von Richter Dr. Ralf-Michael Polomski Amtsrichterin Daniela Nitsche als Zeugin, ein nicht alltägliches Vorgehen. Die Richterin beschrieb die damalige Aussage des Angeklagten als flüssig, bis er sich in dem Video sah. Von da an seien seine Aussagen sehr unkonkret gewesen. Sie habe ihn so verstanden, dass er wie von Sinnen gewesen sei und froh war, dass jemand kam. Warum er aufhörte sei unklar geblieben, betonte Richterin Nitsche.

Ausgebrochen sei der Streit nach Angabe des 37-Jährigen wegen einer Speicherkarte, mit der das Opfer ihn habe erpressen wollen. Die Geschädigte wusste jedoch nichts davon, auch hat man besagte SD-Card nie gefunden. Vor dem Verfahren wurde der Angeklagte von einem forensischen Psychologen begutachtet. Nach seiner Einschätzung käme es bei dem Angeklagten unter Stress zu kurzen psychotischen Schüben mit wahnhaften Episoden. Zudem leide er unter dem Borderline-Syndrom. Dass er seit langen Jahren drogen- und alkoholabhängig sei, verstärke seine Aggressionsprobleme noch. Der Sachverständige sprach sich im Falle einer Verurteilung für die Zwangsunterbringung in einer Entziehungsanstalt aus.

Das Verfahren wird am Mittwoch, 15. Oktober, fortgesetzt. An diesem Tag sind die Plädoyers und nachmittags die Urteilsverkündung geplant.

Weitere Themen aus der Region