Okerschiff „Aquamarin“ auf der Suche nach dem rettenden Ufer

Das THW und die Feuerwehr sind 2020 gefragt, damit die MS „Aquamarin“ beim Stapellauf von dem Bedarfsanleger nicht Schiffbruch erleidet. Foto: Feuerwehr/Archiv
Wie geht es nach dem Ende der MS „Aquamarin“ mit dem Ausflugsschiff weiter? Um die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden, muss es eigentlich zeitnah aus der Talsperre entfernt werden. Es gibt jetzt aber vielversprechende Gespräche.
Schulenberg. Die Nachricht hat vor gut zwei Monaten eingeschlagen wie eine Bombe: Die MS „Aquamarin“ legt nicht mehr ab. Nach dem Scheitern der neuen Betreiberpläne endet die 40-jährige Familientradition der Okersee-Schifffahrt.
Doch ganz still scheint es um das Ausflugsschiff aktuell nicht zu werden. Forscherinnen und Forscher der TU Clausthal und des Fraunhofer-Instituts prüfen derzeit, ob eine Umrüstung auf Elektroantrieb die Rückkehr der „Aquamarin“ ermöglichen könnte.
Michael Jonas Römermann, Geschäftsführer der Okersee-Schifffahrt-Gesellschaft, erzählt von der großen Anteilnahme aus der Bevölkerung, nachdem das Aus seines Familienbetriebs bekannt wurde. Viele Menschen erinnerten sich in den sozialen Medien an ihre Ausflüge auf der Okertalsperre. Über Jahrzehnte nutzten sie die traumhafte Kulisse für Hochzeiten, Geburtstage oder Firmenfeiern. Die MS „Aquamarin“ brachte ein Stück maritimes Flair in den sonst bergigen Harz. „Mit dem Aus der Okersee-Schifffahrt verliert die Region nicht nur ein touristisches Highlight, sondern auch ein Stück Identität“, sagt Römermann.
„Wir haben gekämpft bis zuletzt“
Zum Hintergrund: Die Unternehmergesellschaft Personenschifffahrt-Okersee hatte wie berichtet am 12. August ihren Betrieb eingestellt. Sie hatte das Schiff erst im Mai übernommen, um die Fahrten nach der Meldung der vorläufigen Insolvenz der Okersee-Schifffahrt-Gesellschaft vom Dezember 2024 fortzuführen. Seitdem suchte Rechtsanwalt Dr. Franc Zimmermann als Insolvenzverwalter nach Lösungen, die Okersee-Schifffahrt zu retten. Die Gesellschaft hatte nicht nur die „Aquamarin“ betrieben, sondern auch das „Vitalhotel“ in Schulenberg. „Wir haben gekämpft bis zuletzt“, erklärte Römermann damals.
Aktuell liegt das Ausflugsschiff still auf der Talsperre. Daran wird sich Römermann zufolge so schnell nichts ändern. Zwar besitzt er die nötige Ausrüstung, um das Schiff aus dem Wasser zu holen, doch fehlt ihm das Personal. Das Trockenlegen der MS „Aquamarin“ ist ein Kraftakt: Eine 70 Meter lange Schienenanlage muss aufgebaut werden, meist im Herbst bei Niedrigwasser. Im Frühjahr kann das Schiff dann mit einem Kran an Land gehievt werden. In diesem Jahr sind die nötigen Vorbereitungen dafür laut Römermann aber nicht mehr zu treffen. Zuletzt wurde die „Aquamarin“ 2020 trockengelegt, damals stand die alle fünf Jahre notwendige Klassifizierung an – eine Art Schiffs-TÜV. Die Fähigkeiten des Technischen Hilfswerks und der Feuerwehr waren sogar gefragt, damit sie beim Zuwasserlassen nach der Reparatur nicht Schiffbruch erlitt.
Forderung der Harzwasserwerke
Derzeit ist Römermann nach eigener Aussage zweimal wöchentlich an Bord, um nach dem Rechten zu sehen und Leinen oder Sicherungen zu kontrollieren. Fahren darf der Kapitän derzeit nicht, da kein gültiger Pachtvertrag besteht. Die neue Unternehmergesellschaft Personenschifffahrt-Okersee um seinen Sohn hatte das Schiff zwar gepachtet, den Vertrag aber wieder gekündigt.
Die Harzwasserwerke, die das Trinkwasserreservoir der Okertalsperre betreiben, betonen, dass sie die traditionelle Okersee-Schifffahrt grundsätzlich als Teil des Harzer Tourismus unterstützen. „Aus Gründen des Trinkwasserschutzes kann diese jedoch zukünftig nur gestattet werden, wenn bei den betriebenen Schiffen ein umweltschonender Elektroantrieb zum Einsatz kommt“, erklärte Unternehmenssprecher Norman Droste bereits im August.
Fähren aus Südafrika als Vorbild?
Und genau hier kommen die TU Clausthal und das Fraunhofer-Institut ins Spiel. Römermann berichtet von vielversprechenden Gesprächen, die eine neue Perspektive eröffnen könnten. Dr. Ulrike Willer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Energiespeichertechnologien in Goslar, bestätigt entsprechende Überlegungen. Gemeinsam mit Prof. Wolfgang Schade aus dem Institut für Energieforschung werden Szenarien geprüft, wie das Schiff umweltfreundlich angetrieben werden könnte.
Schade hat in Südafrika bereits an Projekten gearbeitet, bei denen Fährenantriebe elektrifiziert wurden. Die Forscherinnen und Forscher stellten sich die Frage, warum solche Ansätze nur an weit entfernten Orten umgesetzt werden, wo doch im Oberharz ein stillgelegtes Schiff mit genau diesem Problem existiert. Für die Wissenschaft ergibt sich laut Willer dadurch ein praxisnahes Forschungsobjekt direkt vor der Haustür, von dem auch Studentinnen und Studenten profitieren könnten.
Willer spricht von Ideen, sogenannte Natrium-Ionen-Batterien zu nutzen, die ohne kritische Rohstoffe auskommen. Das Forschungszentrum verstehe sich zwar nicht als Dienstleister für Umrüstungen, könne aber im Bereich der Batteriesicherheit wichtige Impulse setzen. So könnte die Forschung dazu beitragen, dass die MS „Aquamarin“ eines Tages tatsächlich wieder über die Okertalsperre fährt.
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Solche herbstlichen Fotos, die das Ausflugsschiff MS „Aquamarin“ inmitten der Talsperre zeigen, gehören aktuell der Vergangenheit an. Foto: Dittrich/dpa

Die MS „Aquamarin“ wird im Frühjahr 2009 nach dem Schiffs-TÜV vom Trockendock wieder ins Wasser gelassen – kein einfaches Unterfangen. Foto: Kluge/Archiv