Zähl Pixel
Millionen-Minus für 2026 erwartet

GZ Plus IconWarum sich Goslars Pro-Kopf-Verschuldung mehr als verdoppeln kann

Eine Person hält sechs Geldscheine in ihren Händen.

Die Zeiten sind vorbei: Das Goslarer Geld darf schon länger nicht mehr mit vollen Händen ausgegeben werden. Eher ist Festhalten angesagt. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn/dpa

Wer kann einem nackten Mann in die Tasche fassen? Der Stadt Goslar geht es ähnlich. Weil die Konten leer sind, muss sie Investitionen fremdfinanzieren. Was das bedeutet.

author
Von Frank Heine
Freitag, 19.12.2025, 18:00 Uhr

Goslar. Die goldenen Haushaltsjahre sind vorbei, in denen sich aus dem laufenden Geschäft noch Schulden abbauen ließen. Das neue Zahlenwerk fürs nächste Jahr kommt im Entwurf zwar mit einem in Relation moderaten Minus von 6,77 Millionen Euro aus. Was aber richtig wehtut: Weil für die Investitionen kaum oder kein eigenes Geld mehr vorhanden ist, muss alles über Kredite finanziert werden – der Cash-Flow ist negativ. Die Netto-Neuverschuldung wird deshalb mit mehr als 12,6 Millionen Euro kalkuliert. Oder an einem anderen Beispiel gerechnet: Wenn die Stadt Goslar 2026 alle Kreditermächtigungen zieht, steigt der Schuldenstand von rund 30,2 Millionen Euro zum Ende 2025 auf voraussichtlich rund 66,4 Millionen Euro zum Ende 2026. Auf die Einwohner bezogen heißt das: Die Pro-Kopf-Verschuldung wächst von 636,94 auf stolze 1401,25 Euro.

Wo liegen die Gründe für diese Entwicklung?

Als Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (SPD) und Erster Stadtrat Dirk Becker die locker auf „Buddenbrooks“-Ausmaße angewachsenen Etat-Unterlagen jetzt in den Goslarer Rat einbrachten, gab es klare Worte zu Ursachen und Auswirkungen. „Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt“, sagte die Verwaltungschefin und beschrieb die „wachsende Kluft zwischen Aufgaben und Spielräumen“. Besonders ärgerlich in ihren Augen, aber auch schon länger ein Ärgernis: Bund und Land beschließen, die Kommunen zahlen die Rechnungen. Konkretes Goslarer Beispiel ist für Schwerdtner die Ganztagsbetreuung, die aus dem Land mit 1,7 Millionen Euro für den notwendigen Mensabau gefördert wird, aber ein Vielfaches kostet. Juristin Schwerdtner sieht „klare Verstöße gegen das Konnexitätsprinzip“, nach dem derjenige die Musik bezahlen muss, der sie bestellt hat.
Zwei Personen stehen an einem Pult mit Mikrofonen, eine Person hält ein Mikrofon in der Hand, im Hintergrund ein Lautsprecher und ein Fenster.

Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner sowie Erster Stadtrat und Kämmerer Dirk Becker haben den Etatentwurf für das Jahr 2026 in den Rat eingebracht. Foto: Heine (Archiv)

Welche Ausgaben schmerzen besonders?

Der größte Einzelposten im Goslarer Haushalt ist und bleibt aber die Kreisumlage. Die Abgabe an den Landkreis macht allein mehr als 27 Prozent aller Aufwendungen aus und steigt von rund 38,5 Millionen Euro in 2025 auf 42,1 Millionen Euro in 2026. Der Schluck aus der Pulle wäre noch zwei Millionen Euro größer gewesen, wann der Landkreis wie geplant um 2,5 Prozent und nicht nur um ein Prozent erhöht hätte. Der Kreistag schob dem, wie berichtet, mit einem einstimmigen Haushaltsvotum aber einen Riegel vor. Mit 23,5 Prozent sind die Löhne und Gehälter fürs städtische Personal aber ebenfalls ein dicker Batzen. Sie steigen von 35,5 Millionen Euro auf 36,2 Millionen Euro.

Wo investiert die Stadt das Geld, das sie eigentlich nicht hat?

Was muss, das muss: Rund 21,3 Millionen Euro will die Stadt im nächsten Jahr investieren. Auf Baumaßnahmen entfallen davon rund 10,7 Millionen Euro. Schwerpunkte sind laut Becker unter anderem die Bereiche Bildung und Soziales, die Straßen, der Brand- und Bevölkerungsschutz sowie die Städtebauförderung. Für die Gemeindestraßen sind 4,7 Millionen Euro eingeplant, von denen 1,3 Millionen Euro aus Fördertöpfen fließen. Stichworte sind die Marienburger Straße und die Wachtelpforte. Der Anbau der Grundschule Oker samt Mensa, der im Sommer bezogen werden soll, schlägt 2026 mit 4,5 Millionen Euro zu Buche. Die Großbaustelle nebenan an der Mehrzweckhalle verschlingt im nächsten Jahr 1,55 Millionen Euro. Städtebauförderung erfahren die östliche Altstadt mit 700.000 Euro, Jürgenohl mit 500.000 Euro und Hahnenklee mit 300.000 Euro.

Was gibt Anlass zu Hoffnung beim Etat?

Beckers Blick richtet sich auf die Ergebnisse der letzten Haushaltsjahre. Das jetzt vorgestellte Negativresultat von 6,77 Millionen Euro liegt deutlich unter dem Planwert für 2025, der 8,68 Millionen Euro ausgewiesen hatte. Außerdem hatten sich die Werte in den vergangenen beiden Jahren jeweils positiv verändert: 2024 war mit tiefroten 10,5 Millionen Euro gestartet und nach vorläufigen Berechnungen „nur“ bei 9,3 Millionen Miesen gelandet. 2025 hatte sich das Minus von besagten 8,68 Millionen auf 5,9 Millionen Euro reduziert. Auch und gerade weil die Gewerbesteuer eine nach wie vor erfreulich stabile Entwicklung zeigt, wie Schwerdtner betonte. Becker stellte sie als inzwischen höchste Einnahmequelle der Stadt vor, die sich nach dem Corona-Tal stetig nach oben entwickelt habe. 2025 hatte die Stadt mit 33,2 Millionen Euro geplant, 2026 weist der Etat 34,5 Millionen Euro aus. „Zu danken ist das der Goslarer Wirtschaft“, bringt es Becker auf den Punkt.

Wie geht es mit den Beratungen zum Haushalt weiter?

Die Goslarer Politik hat sich jetzt erst einmal in die Weihnachtspause verabschiedet. 2026 ist Kommunalwahljahr – am 13. September sind die Niedersachsen an die Urnen gerufen –, und Goslar startet politisch mit einem Bauausschuss am 8. Januar und dem traditionellen Neujahrsempfang am 9. Januar in der Kaiserpfalz. Vier Tage später geht es am 13. Januar im Finanzausschuss zum ersten Mal um den Haushalt. Im Anschluss startet die Ochsentour durch die einzelnen Fachausschüsse, ehe am 17. Februar die zweite Lesung im Finanzausschuss ansteht. Der Rat will am 3. März über das Zahlenwerk beschließen. Erster Stadtrat Becker, der zugleich Wirtschaftsförderer und Kämmerer ist, mahnte schon einmal an, dass durch die späte Beschlussfassung wohl nicht vor Sommer mit einer Genehmigung des Etats durch das Land zu rechnen sei. Bis dahin gelte die vorläufige Haushaltsführung. Für 2027/2028 soll ein neuer Rat später einen ersten Goslarer Doppelhaushalt verabschieden, der eigentlich schon für diesen Durchgang geplant war, aber unter anderem an den Kapazitäten der Verwaltung scheiterte, die sich zugleich mit einer Ehrenrunde bei der Verwaltungsreform und den neuen Entwicklungen im Pfalzquartier auseinanderzusetzen hatte.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Themen aus der Region