GZ-Serie: Adolf Hitlers treuer General mit Goslar-Historie
Adolf Hitler und sein treuer Goslarer General Hans Krebs (r.): Generalfeldmarschall Hans Günther von Kluge stellt dem „Führer“ die Armeeoberbefehlshaber vor (v.l.). Das sind Hans-Georg Reinhardt, Walter Model, Gotthard Heinrici, Walther Weiss und Hans Krebs. Das Bild entsteht im Mai 1943 im Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte bei Smolensk. Hitler ist auf dem Rückflug vom Führerhauptquartier „Werwolf“ bei Winniza in der Ukraine zur „Wolfsschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen. Für den Flug hatte Henning von Tresckow ein Attentat geplant und vorbereitet. Es scheitert, weil in der russischen Kälte der Zünder einer Bombe versagt. Foto: Ullstein Bild
Bevor Adolf Hitler sich 1945 im Bunker umbringt, lässt er sein politisches Testament von Hans Krebs unterzeichnen. Der General macht Abitur am Goslarer Ratsgymnasium, ist Goslarer Jäger und schreibt nebenbei für die GZ. Was ist er für ein Mensch?
Goslar. Als Großbritannien dem Deutschen Kaiserreich am 4. August 1914 den Krieg erklärt, haben sich die Schüler des Goslarer Ratsgymnasiums – das damals noch nicht diesen Namen trug, sondern schlicht Realgymnasium hieß – in der Aula ihres 1888 an der Schilderstraße in Betrieb genommenen neoromanischen Gebäudes zu einer Andacht versammelt. Seit dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni, als der serbische Nationalist Gavrilo Princip im Auftrag der Geheimgesellschaft Schwarze Hand Erzherzog Franz Ferdinand, den österreichisch-ungarischen Thronfolger, und dessen Frau Sophie ermordet hat, sind die in Bündnissen verflochtenen europäischen Mittelmächte um Deutschland und Österreich-Ungarn und Entente-Staaten um Großbritannien und Frankreich immer weiter an den Rand des folgenden Weltenbrandes gerückt. Er beginnt am 28. Juli, als Österreich-Ungarn den Serben offiziell den Fehdehandschuh hinwirft. Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II. macht ab dem 1. August tageweise weiter. Am 1. August ist die Adresse der Kriegserklärung Russland, am 2. August Luxemburg, am 3. August Frankreich und am 4. August Belgien.
Kriegerische Antwort von der Insel
An diesem Tag antwortet das Königreich von der Insel. Wie wird die Stimmung in der Aula gewesen sein, als die jungen Goslarer Ratsgymnasiasten zusammenkommen? Nationale Aufbruchstimmung? Kriegsbegeisterung? Stummes Gedenken? Vielleicht sogar Angst vor dem, was kommen mag? Oder fühlen die Jugendlichen und jungen Männer ganz individuell?

Tresckow und Krebs besuchen zeitgleich das Goslarer Ratsgymnasium. Im Bild oben links hinter der Rosette befindet sich die Aula der Traditionsschule. Foto: Schenk (Archiv)
Spannend ist jedenfalls, wer an diesem Tag zu dieser Stunde unter diesem Goslarer Dach zusammengesessen hat. Nachforschungen, die Goslars Ex-Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse in den vergangenen Monaten und Jahren unternommen hat, ergeben, dass sowohl die beiden Von-Tresckow-Brüder Gerd und Henning als auch Hans Krebs anwesend gewesen sein müssten. Bei dem Trio dürfte die Frage nach den Gefühlen leicht(er) zu beantworten sein. Alle drei machen später steile Karriere beim Militär, alle drei melden sich früh und freiwillig zum Einsatz in diesem Waffengang, alle drei steigen zu Generälen auf, als die Nationalsozialisten zweieinhalb Jahrzehnte später die Welt mit Krieg überziehen.

General und Widerstandskämpfer: Henning von Tresckow macht wie Krebs sein Abitur am Goslarer Ratsgymnasium. Ob beide tatsächlich in der RG-Aula zusammengesessen haben, als 1914 der Erste Weltkrieg beginnt? Foto: Ullstein Bild
Schüler im Loccumer Alumnat
Gerd und sein knapp zwei Jahre jüngerer Bruder Henning von Tresckow stammen aus einer Soldaten-Familie und sind Schüler des Alumnats, das das evangelische Kloster Loccum in Goslar unterhält und das ans Ratsgymnasium angegliedert ist. Ihr Vater Hermann von Tresckow ist als Leutnant dabei, als am 18. Januar 1871 der preußische König Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen wird. Bei ihnen ist die Karriere in Uniform vorgezeichnet. Sie endet in Folge des fehlgeschlagenen Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Henning von Tresckow, überzeugter Christ, seit 1942 im Widerstand und zentrale Figur diverser Pläne gegen Hitler, tötet sich an der Front selbst mit einer Gewehrgranate, indem er einen Anschlag vortäuscht. Gerd von Tresckow, der den im August 1934 eingeführten „Führereid“ eine „Gewissensknechtung“ nennt, wird gefangengenommen und gefoltert. Er versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und stirbt in der Folge an Herzversagen.

Die Familie Krebs in Helmstedt: Das von der Braunschweiger Zeitung zur Verfügung gestellte Foto zeigt Hans Krebs (l.) mit seiner Schwester Margarete, seiner Mutter Adele und seinem Vater Otto. Es entstand vermutlich Weihnachten 1902. Foto: Privat
Die Vita von Hans Krebs endet auch mit einem Selbstmord – aus heutiger Sicht jedoch weit weniger rühmlich. Krebs, den Hans Gidion, der erste Chronist des Ratsgymnasiums, in seinem Buch gar nicht aufführt, geht mit Adolf Hitler in den Tod. Sein Name steht neben dem von Propaganda-Chef Dr. Joseph Goebbels unter dem politischen Testament, das der „Führer“ am 29. April 1945 einen Tag vor seinem Tod im Bunker verfasst. Als Hitlers Leichnam und der seiner spät angetrauten Frau Eva (vormals Braun) verbrannt werden, erweist unter anderem Krebs die letzte Ehre. Er nimmt sich wohl am 1. Mai zusammen mit Hitlers Adjutant Wilhelm Burgdorf gegen 21.30 Uhr das Leben. Sie sind die letzten Offiziere, die im Berliner Führerbunker aushalten. Berichten zufolge werden seine Überreste später gemeinsam mit denen der Hitlers, der Familie Goebbels und Hitlers Hunden mehrfach umgelagert und entsorgt.
Gastbeiträge für die GZ
Wer war dieser Hans Krebs, dem Schauspieler Rolf Kanies 2004 in dem von Bernd Eichinger produzierten und von Oliver Hirschbiegel als Regisseur verantworteten Film „Der Untergang“ ein Gesicht gibt? Er verbringt viel mehr Zeit in Goslar als die Tresckows, macht dort nicht nur sein Abitur, sondern in der Weimarer Republik erste Karriereschritte bei den Goslarer Jägern und schreibt sogar Gastbeiträge für die Goslarsche Zeitung. Als sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 60. Mal jährt, beschäftigt sich Reporterin Katrin Teschner von der Braunschweiger Zeitung in der ausführlichen Artikelserie „Hitlers treuster General“ mit dem am 4. März 1898 in Helmstedt geborenen Sohn des Oberlehrers Otto Krebs und seiner Gattin Adele. Anders als bei den Tresckows ist die Karriere in der Armee keine Selbstverständlichkeit. Die Entscheidung, nach Goslar zu ziehen und am dortigen Gymnasium das Abitur abzulegen, erfolgt 1913 ganz bewusst, ohne dass sich die Gründe dem nachforschenden Otmar Hesse eröffnen. „An schlechten Leistungen des Sohnes wird es nicht gelegen haben; denn er soll in Helmstedt mithilfe seines Vaters sogar eine Klasse übersprungen haben“, schreibt Hesse in seinem Beitrag für das Nachrichtenblatt der Kameradschaft Ehemaliger Goslarer Jäger.
Als Wandervogel in die Harzer Natur
Der junge Krebs erkundet in Goslar als Mitglied im „Wandervogel“ die (Vor-)Harzer Natur und lernt Gleichaltrige kennen. Der Verein gilt als Keimzelle der Deutschen Jugendbewegung. Weil sich Steglitzer Oberschüler aus der Bürgerschicht über den preußischen Schuldrill im Wilhelminischen Reich ärgern, gründen sie ihn 1901 in Berlin. Sie wollen Freiheit und Selbstbestimmung fern der (Groß-)Stadt leben. Krebs und Freunde ziehen mit Hut, Wanderstock, Gitarre und Kochgeschirr los, übernachten beim Förster und in Scheunen.

Goslars Alt-Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse hat zu Hans Krebs in den Archiven gestöbert. Foto: Epping (Archiv)
Als der Krieg ausbricht, meldet er sich als 16-jähriger Schüler schon im September 1914 als Freiwilliger bei den Goslarer Jägern. Er kämpft in Frankreich am Aisne-Kanal in der Champagne und in Verdun. Sein Notabitur macht er 1915 wohl während eines Genesungsurlaubs in Goslar. In seiner Personalakte ist das Reifezeugnis auf jeden Fall vermerkt. Der Krieg geht verloren, Krebs sieht seine Zukunft aber weiterhin beim Militär. 1919 wird er in die Reichswehr übernommen und heiratet am 29. April 1920 die Kaufmannstochter Ilse Wittkop in Osnabrück.