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Sanierung kostet 30.000 Euro

GZ Plus IconStadt Goslar schlägt Entsorgung der Kunstkegel von Alf Löhr vor

Auf der Wiese eines Gewerbegebietes stehen einige mehrere Meter hohe schwarze "Hütchen".

Die „Hütchen“ von Kaiserring-Stipendiat Alf Löhr bestehen aus Holz und Teerpappe und sind sanierungsbedürftig. Was tun? Foto: Epping

Die „Innovation“ des Künstlers Alf Löhr ist in die Jahre gekommen. 1996 wurde die Skulpturengruppe in Goslars Gewerbegebiet aufgestellt; jetzt ist sie ein Sanierungsfall.

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Von Sabine Kempfer
Freitag, 12.12.2025, 04:00 Uhr
„Das Kunstwerk ‚Innovation´ von Alf Löhr wird vom heutigen Grundstück der Med-X-Press GmbH abtransportiert und entsorgt.“ Mit diesem Beschlussvorschlag sorgte Goslars Stadtverwaltung am Dienstag für die Eröffnung einer Debatte im Kulturausschuss, die sich um die beliebte Frage dreht: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
„Das ist nicht das, was wir im Mai besprochen haben“, merkte Renate Lucksch (SPD) an; damals tagte das Gremium zur künstlerischen Ausgestaltung des Stadtbildes, kurz: Kunstkommission. Die hatte empfohlen, das „in seiner Erlebbarkeit stark eingeschränkte Kunstwerk“ zu versetzen und dessen Erhaltungsmöglichkeiten zu prüfen. Lucksch: „Weg damit finden wir jetzt nicht so gut.“

Dass es sich um Kunst handelt, steht außer Frage. Aber: Wie lange und unter welchen Umständen ist Kunst erhaltenswert, wenn an ihr der Zahn der Zeit nagt? Es geht um die schwarzen Kegel mit leicht abknickenden Spitzen, die Passanten in der Bassgeige im übertragenen Sinn ins Auge stechen. Sie bestehen aus Holz und Teerpappe und stehen auf dem Firmengelände von Med-X-Press, gehören aber der Stadt Goslar, die laut Verwaltungsvorlage keine Erhaltungs- oder Erneuerungspflicht habe, allerdings für den Unterhalt und dessen Standsicherheit verantwortlich sei – was zumindest zum Teil nach einem Widerspruch klingt, es sei denn, Unterhalt und Erhalt sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Künstler ist einverstanden

Der Künstler habe sein Einverständnis zur Entsorgung gegeben, heißt es ferner in der Vorlage. Dann ist ja alles klar. Wirklich? Womöglich sei der Künstler sogar froh, wenn ihm für die Entsorgung keine Kosten in Rechnung gestellt würden, ließ Thomas Velte durch Dieter Freesemann im Kulturausschuss ausrichten: „Immerhin sollte ein Künstler, der sein Werk verkauft, die Haltbarkeit sicherstellen. Allerdings sollte man auch vom Käufer erwarten, eben diese Haltbarkeit vor dem Erwerb zu prüfen“, so der Künstler und sachkundige Bürger. Das Werk stammt aus dem Jahr 1996.

Über dieses Stöckchen sprang der Ausschuss jedoch nicht so leicht, zumal viele Fragen offen blieben.

Kaiserringstipendiat von 1992

Wer ist eigentlich Alf Löhr? Immerhin ein Kaiserringstipendiat, zeigt die Homepage des Mönchehauses. 1992 wurde ihm das Nachwuchs-Stipendium verliehen. 1957 in Bochum geboren, studierte er Kunst in Düsseldorf. Da er sein Einverständnis zur Vernichtung gegeben hat, ist der langsame Verfall seiner Skulpturengruppe wohl nicht Bestandteil des Werkes, so wie es Kaiserringträger Dani Karavan für die Brücke im Judenteich definiert hat. Aber: Ist Kunst nur solange Kunst, solange ihr Schöpfer sie so definiert? „Hätte Max Brod auf Kafka gehört, gäbe es dessen unglaubliche Literatur nicht mehr. Was der Künstler über sein Werk sagt, ist also nicht immer der Weisheit letzter Schluss“, merkt Günter Piegsa an – Kafkas Verleger hatte sich über den Wunsch, Kafkas literarischen Nachlass zu vernichten, schlicht hinweggesetzt.

Sponsoren gesucht

Fakt ist, dass die „Innovation“ von Alf Löhr sanierungsbedürftig ist. Und das so stark, dass der städtische Bauhof befürchtet, bei einem Abtransport könne das Kunstwerk weiter beschädigt werden. Unter anderem müssen die Oberflächen der Kegel wieder hergestellt werden. Die Kosten der „technisch schwierigen“ Sanierung werden von der Verwaltung auf 30.000 Euro geschätzt, zu teuer für die Stadt; die Suche nach Sponsoren hat begonnen. Die Firma Med-X-Press, auf deren Gelände die Skulpturengruppe steht, habe kein Interesse an deren Erhalt, wurde mitgeteilt.

Elke Brummer (SPD) brach eine Lanze für die „Innovation“: „Goslar ist so liebens- und lebenswert, weil hier überall Kunst steht“, meinte sie – eben auch „in einem profanen Gewerbegebiet“. Dem schloss sich später auch Günter Piegsa an: „Immer, wenn ich mit dem Rad an dem Kunstwerk vorbeikam, schien mir die Baßgeige sehr innovativ. Ein Gewerbegebiet mit Kunst! Und was für welche! Von einer stark eingeschränkten Erlebbarkeit, wie es in der Vorlage heißt, merkte ich nichts“, schrieb er der GZ. „Wir sollten uns hier nicht verkämpfen“, merkte Norbert Schecke (CDU) im Ausschuss an. Auch der Vorsitzende Martin Mahnkopf (SPD) war um Ausgleich im Sinne der Sache bemüht: Das Wort „Entsorgung“ scheint erst einmal vom Tisch, das Wort „Sponsor“ wird großgeschrieben, der Sache im Sinne der bestmöglichen Entscheidung noch etwas Zeit eingeräumt.

Historie des Kunstwerks

Zur Historie des Kunstwerks schickte die städtische Pressesprecherin Daniela Siegl auf Anfrage der GZ gestern noch einige Fakten. Demnach war das Kunstwerk eine Schenkung der Interessengemeinschaft Baßgeige, die 1998 von der Stadt Goslar angenommen wurde. Ziel war die „Verknüpfung von Innenstadt und Industriegelände“ durch das Aufstellen von moderner Kunst im Gewerbegebiet. Die Interessengemeinschaft, die das Geld für die Finanzierung der Plastik bei den dortigen Unternehmen gesammelt hatte, hatte auch die Grünfläche vor dem Unternehmenspark Goslar als Aufstellungsort ausgesucht. Das Grundstück, auf dem sich das Kunstwerk mit seinen bis zu sechs Meter hohen Kegeln heute befindet, wurde 2009 an die Firma Med-X-Press verkauft.

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