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„Kaiserworth“ und „Brusttuch“

GZ Plus IconZwei Goslarer Hotels mit Geschichte – und klaren Zukunftsplänen

Historisches Fachwerkhaus und Menschen auf einem Weihnachtsmarkt.

Historisches Fachwerkhaus und Menschen auf einem Weihnachtsmarkt Foto: Heine

Die Traditionshotels liegen den Goslarern am Herzen. Gemeinsam mit Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner hat die GZ hinter die Kulissen geschaut. Was soll dort geschehen?

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Von Frank Heine
Dienstag, 02.12.2025, 14:00 Uhr
Der süße Duft nach gebrannten Mandeln und heißem Glühwein weht über den Marktplatz. Kinder fahren Karussell, Eltern lassen sich eine Bratwurst oder die Ente im Brötchen schmecken. Wohl bekomm’s: Es ist Weihnachtsmarkt. Einheimische und Touristen lassen die Seele baumeln, zücken Handys, machen Fotos – immer wieder auch von einem Hotel mit imponierender Fassade, dessen Inneres aber seit fast drei Jahren kein Gast mehr betreten hat. Das Hotel „Kaiserworth“ ist eine Baustelle. In der Warteschleife auf seinem Weg zurück zu alten Glanzzeiten, als die Pracht außen und innen die Besucher verzückt hat.
Mann in dunklem Mantel, grauer Hose und schwarzer Schuhen steht an einem Treppengeländer mit dekorativem Muster, im Hintergrund eine Leiter und eine gewundene Treppe.

Baustelle und Herzensangelegenheit: Für Hans-Joachim Tessner atmet die „Kaiserworth“ auch Familiengeschichte. Foto: Heine

„Die Fassade ist prägend für das Gebäude und den Marktplatz“, weiß Goslars Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner (81), „sie bestimmt aber auch die Erwartungshaltung der Menschen für das, was sie künftig im Haus in moderner Interpretation wiederfinden wollen“. Qualität und Historie, aber auch ein nachhaltiger Betrieb mit Rendite sind Stichworte, die fallen, wenn Tessner zusammen mit seiner rechten Hand Holger Holste und Technik-Chef Stefan Meiners über die Baustelle führt. Vor fast einem Jahr, am 19. Dezember 2024, hat er die „Kaiserworth“ und das „Brusttuch“ von einem Berliner Immobilienunternehmer für seine Familienstiftung erworben. Zwei Goslarer Traditionshäuser, an denen die Erinnerungen so vieler Menschen aus nah und fern hängen. Zwei Häuser aber auch, die zwei Jahre leer standen und einen enormen Investitionsstau aufwiesen. Und zwar noch mehr, als es beim Kauf schien.

Kaiser kuren schon seit Monaten

Die Kaiser an der „Worth“-Fassade sind schon seit Monaten weg, auf Kur bei einem Restaurator in Ostharingen. Drinnen ist jetzt gründlich aufgeräumt. Alles ist raus, was in der „Kaiserworth“-Zukunft keine Rolle spielt und nicht historisch wertvoll ist. Dort grüßen alte Säulen mit einer Lehmstrohkonstruktion aus dem 17. oder 18. Jahrhundert. Hier erstreckt sich über den Köpfen eine mehr als 100 Jahre alte Eichenholzdecke in einem Raum mit bunten Fenstern, die aber Nachbildungen sind. Tessner schmunzelt und deutet auf einen Schriftzug. „Heinrich Oberhuber 1986“ steht dort geschrieben. Ein Vorbesitzer hat sich am Glas verewigt. Geht da nicht die Mär oder ist es doch mehr, dass der Mann auch einem der kaputtesten Kaiser ein neues, nämlich sein Gesicht (nach-)formen lassen wollte?

Die Gerüchteküche funktioniert auch dort, wo aktuell kein Ofen mehr läuft. Gar kein Ofen mehr steht. Die alte Küche? Ein Schlachtfeld. Oder besser Baufeld. Genauso wie unten der „Dukatenkeller“, wo kein Stein mehr auf dem anderen ist. Hans-Joachim Tessner kann viele Geschichten erzählen, wenn er durch das Haus geht. Wie die mit dem Kaisergesicht. Oder wie er mit Familie unter Holzdach und neben dem Fenster jedes Jahr am 11. November am Tisch zum Gänseessen, das einst Hotelier Johannes Mühlenkamp eingeführt hatte. Erinnerungen wie an jenen Abend, als er zusammen mit Kaiserring-Erfinder Peter Schenning und Kaiserring-Träger Joseph Beuys unten an der Kellerbar fröhliche Stunden verbringt. Irgendwann greift Beuys zum Stift, signiert einen der typischen Filzhüte, die er immer trägt. Die breitkrempige Kopfbedeckung wird im Hause Tessner immer noch in Ehren gehalten – zur Ansicht unter Glas.

Geschichten erzählen und Geschichte schreiben

Wann sind solche Szenen in der „Worth“ wieder möglich, die Geschichten erzählen und die Geschichte schreiben? Nicht zu vergessen: Das Goslarsche Pancket ist hier geboren. Im Moment hat der Denkmalschutz nicht nur ein Auge auf eine Baustelle, die Historie atmet. Ärgernis für einen Investor? Vielleicht an der einen oder anderen Stelle. Hier und heute ist Tessner voll des Lobes über die Arbeit der Denkmalpfleger. Wenn sie nicht (gewesen) wären, wie hätten „Kaiserworth“ und „Brusttuch“ in aller ihrer Pracht und ihrer Einzigartigkeit bis in die Gegenwart überdauern sollen? Ein prächtiges Kreuzgewölbe aus früheren Jahrhunderten? Eine markante Säule aus eben jener Zeit mit einer Steckdose aus dem 21. Jahrhundert am Fuß? Man achte auf die Details und Facetten.

Es gibt ein Zeitfenster. Und einen klaren Plan für die Zukunft der beiden Hotels samt Grauen Haus am Hohen Weg und Goethehaus an der Worthstraße. Bis Ostern 2026 soll eine Machbarkeitsstudie auf dem Tisch liegen. Sie ist Voraussetzung für Genehmigungen und künftige Betreiber, die im nächsten Jahr den Zuschlag erhalten sollen. Momentan sind noch kaum Grenzen gesetzt. Denkmalschutz ist die eine. Die Wirtschaftlichkeit ist die andere. Beide Hotels sind eine Zier. Aber es soll auch (genügend) Geld in die Kasse kommen. „2026 wird geplant, 2027 und 2028 wird gebaut“, sagt Holste.
Baustelle mit freigelegten Rohren und Kabeln, Holzbalken und einem Gitterzaun vor einer Treppe in einem Kellerraum.

Freigelegt – buchstäblich hinter die Kulissen geschaut. Foto: Heine

Qualität, Preis und Zeit

Logisch: Viele Goslarer hätten es sich schneller gewünscht. Nicht zuletzt die Truppe um Tessner. Aber Qualität hat ihren Preis. Und braucht ihre Zeit. Das Innere soll halten, was die Fassade verspricht. Alles sei denkbar, sagt Holste und bestätigt Tessner. Dass beide Häuser in eine Hand kommen. Dass unterschiedliche Betreiber für die Hotels gefunden werden. Müssen unbedingt beide Häuser weiterhin ein Hotel sein? Es gibt keine Denkverbote. Aber genügend Interessenten aus nah und fern. Eine Suche sei gar nicht nötig gewesen, sagt Tessner: „Was wir vorhaben, spricht sich rum.“ Beispielsweise gebe es mehr als 100 Hotel-Ketten in Deutschland. Die Lösung soll, muss nachhaltig sein. Bis dahin ist viel zu tun – die komplette Elektro, Heizung, Lüftung, Sanitär. Alles, was auf den Rohbau folgt, steht noch an. Was kostet der Spaß? „Das Doppelte von der Hälfte.“ Der Kaufmann Tessner bringt es auf seine berühmte Formel. Lächelt und schweigt zum Preis.
Doppelter runder Sandsteinsäulenfuß mit profiliertem Kapitell in einem Innenraum und einer Steckdose am Fuß.

Frühere Jahrhunderte treffen die Moderne: Wer sieht die Steckdose an der Säule? Foto: Heine

Tessner freut sich schon jetzt auf das Ergebnis. Wenn im „Brusttuch“ mit seinen herrlichen Gemälden wieder Leben einzieht. Wenn unter dem beeindruckenden Kronleuchter im Foyer wieder getafelt oder vielleicht sogar getanzt wird. Wie früher ein Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse nach hinten raus im angrenzenden „Minimum“ bei legendären Wahlpartys. Wo ein Sigmar Gabriel politische Kontakte über Goslar hinaus knüpfte. Oder wie im Keller der „Kaiserworth“ Ehrengäste wie Hans-Dietrich Genscher dem Pancket ihren Stempel aufdrückten.
Großer Kristalllüster hängt in einem Raum mit dunklen Holzpaneelen, rotem Teppich und einer Holzfigur an der Wand.

Welch ein Kronleuchter: Das „Brusttuch“ lässt den alten Glanz erahnen. Foto: Heine

Udo Jürgens beim Goslarschen Pancket

Hans-Joachim Tessner hat diese Pancket-Zeiten mitgemacht. Als 1976 Udo Jürgens überraschend zum Pancket auftaucht, sitzt er als Besitzer von Möbel-Unger zwischen Stadtforstrat Horst Matthaei und einem Dr. Flake vom Hahnenkleer Ferienpark, direkt gegenüber von Achim Renziehausen von den Greifwerken. Es ist das letzte Pancket in der „Kaiserworth“ von Hoteliersehepaar Johannes und Annemarie Mühlenkamp, bevor die Veranstaltung in die Kaiserpfalz wechselt und zur Tradition wird. Eigene Erinnerungen und Goslarer Geschichte. Tessner will sie nicht missen. Und bewahren, indem er die beiden Traditionshotels erhält.
Baustelle mit freigelegten Rohren und Kabeln, Holzbalken und einem Gitterzaun vor einer Treppe in einem Kellerraum.

Freigelegt – buchstäblich hinter die Kulissen geschaut. Foto: Heine

Bilder von der Kaiserworth-Baustelle

Ein Blick die Kulissen von „Kaiserworth“ und „Brusttuch“ – Eine Baustelle, die an alte Zeiten erinnert.

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

Foto: Heine

Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit
Eine Baustelle mit Relikten aus vergangener Zeit Foto: Heine

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