Goslarer SPD diskutiert mit Gesundheitsminister Andreas Philippi

Der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi zu Gast beim SPD-Unterbezirk Goslar. Foto: Hartmann
Die SPD des Unterbezirks Goslar hatte Adreas Philippi, den niedersächsischen Gesundheitsminister, eingeladen. Beim Diskussionsabend in den Goslarschen Höfen ging es um Themen wie Pflege, Fachkräftemangel, Krankenhausreform und Wege zur Geburtsklinik.
Goslar. Gesundheit, Heilung und Pflege – wo liegen die Probleme und wie geht es weiter in der Branche? Antworten und Ausblicke gab der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi als Gast des SPD-Unterbezirks Goslar. Zu der Diskussionsveranstaltung in den Goslarschen Höfen waren rund 20 Gäste gekommen, die beruflich im Gesundheitsbereich tätig sind.
Es gehe um „eine der wichtigsten und demokratiebildendsten Sparten der Politik“, betonte Philippi, der als Arzt und Politiker die Situation von zwei Seiten kennt, in seinem Eingangsstatement. Und niemand könne sich in Sicherheit wiegen, niemals Pflege zu benötigen. „Eines Tages kriegen wir euch alle“, könne man sagen. Irgendwann brauche jeder Fachärzte und Generalisten, gute Pflege, ambulant, zu Hause oder stationär, Versorgung mit Medikamenten.
Die von Karl Lauterbach angestoßene Krankenhausreform habe viel Gutes gehabt und sei „leider“ dem Regierungswechsel zum Opfer gefallen. Die Pläne hätten aber den entscheidenden Nachteil gehabt, dass Lauterbach zwar ein „genialer Kopf“ sei, aber zeit seines Lebens in Großstädten gelebt und keinen Blick für die Versorgungsprobleme auf dem Land habe. „Es kann nicht sein, dass jemand für eine Geburt 40 Minuten fahren muss“, stellt Philippi klar. Wichtig seien gleichwertige Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Land.
Fahrzeiten als kritischer Punkt
Philippi informierte über den aktuellen Stand der Pläne für eine Reform der Krankenhauslandschaft und die geplante Kategorisierung in 61 Leistungsgruppen, auf die die Krankenhäuser sich aktuell bewerben können. Wichtig sei ihm auf jeden Fall, dass man den Bedarf und die Fahrtzeiten nicht starr nach Entfernung bemessen dürfe. Gerade im Harz habe die Berechnung nach Streckenzahlen per Luftlinie wenig Sinn, wenn auf dem Weg Berge überwunden werden müssen. Die Idee, Herzberger könnten zur Versorgung nach Goslar fahren, sei nicht praktikabel, „die fahren eher nach Nordhausen“, sagte Philippi.
Ein besonderer Punkt war die Zukunft der Geburtshilfekliniken. In Niedersachsen gebe es gut 50 Stück. Als Vorgabe wurden 500 Geburten im Jahr genannt. Aber was, wenn in einer solchen Klinik weniger als 500 Kinder zur Welt kommen? Der Minister sprach davon, dass es durchaus Ausnahmegenehmigungen geben müsse. Gerade im Harz und gerade in der Fläche. „Die beste Möglichkeit wäre, ihr hättet genug Geburten in Goslar“, legte er den Genossen ans Herz. Doch die nächsten Geburtskliniken wären Nordhausen oder Göttingen, Wernigerode und Salzgitter. Für Schwangere in 40 Minuten kaum zu erreichen. Hier müsse man wohl eine Ausnahme zulassen. Und was ist, wenn das Kind nicht gesund zur Welt kommt? Nicht überall sei auch gleichzeitig eine Neonatologie angesiedelt. Eine Diskussionsteilnehmerin schlug vor, keine Geburtshilfe ohne Neonatologie mehr zuzulassen.
Knapp 800 Millionen für Kliniken
Auch bei Kliniken mit zwei oder mehr Standorten müsse man von der starren Regelung wegkommen, dass nur Kliniken, deren Häuser maximal zwei Kilometer voneinander entfernt seien, als eine Einheit betrachtet werden können, meinte der Minister. Insgesamt habe das Land seinen Etat von 150 Millionen Euro für Klinikneubauten auf 320 Millionen Euro hochgefahren. Hinzu kämen 450 Millionen Euro für Transformationsleistungen. Zusammen also ein Paket von knapp 800 Millionen Euro für die Krankenhaus-Versorgung.
Frank Dreßler als stellvertretender Landrat wies darauf hin, dass der Landkreis und Asklepios sich gemeinsam dafür starkgemacht hätten, die drei Harzer Asklepios-Kliniken als Einheit zu erhalten. Dies würde, bürokratische Abläufe mit eingerechnet, dazu beitragen, den Erhalt der drei Häuser im Harz für die nächsten zehn Jahre zu sichern.
„Uns fehlt es an allen Ecken und Kanten“, fasste Jens Kloppenburg, ehemaliger Apotheker und Leiter des SPD-Arbeitskreises Pflege der Goslarer SPD, zusammen. Probleme seien die Kosten und der Personalmangel, er beklagte auch die überbordende Bürokratie. In der Pflege seien auch viele frustriert, hätten den Job aufgegeben. Es gebe viele arbeitswillige Migranten, doch die seien oft von der Abschiebung bedroht.
Mangelnde Aufstiegschancen
Philippi sprach davon, dass ein Faktor wohl auch die mangelnden Aufstiegschancen in der Pflege seien. „Viele sind auch ausgebrannt und geben irgendwann auf, weil sie keine Perspektiven mehr sehen.“ Man müsse sich fragen: „Wie können wir verloren gegangenes Personal, zum Beispiel nach Corona, wieder zurückholen?“ Eine Möglichkeit sieht er in der Akademisierung der Pflege, dies habe schließlich auch dem Hebammenmangel abgeholfen: „Die Schulen sind voll mit Hebammen“, betonte er. Das Problem sei dabei nur: „Sie wollen meist nur in den Städten arbeiten und nicht raus aufs Land.“
Philippi trat außerdem für Anwerbung von Arbeitskräften für die Pflege aus dem Ausland ein. „Wir verlieren im Jahr 400.000 Menschen am Arbeitsmarkt“, sagte er. „Wir sind darauf angewiesen, dass wir Menschen in unser Land holen. Wir brauchen legale Migration.“ Ein Problem sei allerdings auch hier die Bürokratie. Als Beispiel nannte er die Erfahrungen mit Pflegefachkräften aus Kolumbien: „Sie haben ein Jahr hier gearbeitet, aber sind dann gleich wieder abgeschoben worden. Das war rein formal korrekt, da sie mit dem falschen Visum ins Land gekommen sind, mit einem Touristenvisum.“ Aber schon die Zahl von 50 Anfragen für Visa zur Aufnahme von Arbeit bringe „die Botschaft ins Schwitzen“, erzählte Philippi und forderte: „Die Visa-Bearbeitung muss schneller werden.“
Und bei aller Freude über gestiegene Gehälter in der Pflege: Dies hätte dazu geführt, dass die Anbieter ihre Preise erhöht haben. „Wir haben damit aus Rentnern, die gut über die Runden gekommen sind, Sozialhilfeempfänger gemacht“, stellte Philippi fest.
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