Warum eine Fenster-Sanierung plötzlich doppelt so teuer wird
Um ihre Fenster denkmalgerecht auszutauschen, soll eine Lautenthalerin 100.000 Euro ausgeben. Einen Bestandschutz gibt es nicht. Foto: Heinemann (Archiv)
Im Streit um neue Fenster in Lautenthal prallen Ansprüche, Kosten und historische Prinzipien aufeinander. So kommt die Denkmalpflege zu ihren Vorgaben.
Nordharz. Der Fall von Nicole Bark aus Lautenthal zeigt exemplarisch, wie schnell Denkmalpflege zum Konfliktthema werden kann. Bark möchte die alten, zugigen Fenster ihres Hauses austauschen – doch statt der geplanten 45.000 Euro fordert die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde Fenster im historischen Stil, sodass die Kosten fast 100.000 Euro betragen würden. Eine Lösung ist nicht in Sicht, und den Winter verbringt Bark momentan in einem ausgekühlten Haus.
Solche Fälle werfen die Frage auf, wie Denkmalschutz in Niedersachsen eigentlich funktioniert und warum Entscheidungen für Eigentümer manchmal hart und unverständlich erscheinen. Um dies einzuordnen, lohnt es sich, die Grundsätze der Denkmalpflege nachzuzeichnen und die Sicht des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege (NLD) einzubeziehen.
Vom Gebäude zum Denkmal
Das NLD macht zunächst klar, dass der Denkmalschutz auf fest definierten gesetzlichen Grundlagen beruht. Pressesprecher Tobias Wulf erklärt: „Die Unterschutzstellung eines Gebäudes erfolgt nach der Einschätzung von Fachleuten, ob an der Erhaltung wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht.“ Erst danach wird ein Objekt zum Denkmal – und damit sind alle späteren baulichen Veränderungen genehmigungspflichtig. Dieser Schritt, so Wulf, diene nicht der Bürokratie, sondern dem langfristigen Erhalt „des kulturellen Erbes, das in seiner Substanz und Gestaltungsgeschichte einmalig ist“.Wegen Denkmalschutz
Lautenthalerin soll fast 100.000 Euro für neue Fenster bezahlen
Ein zentrales Missverständnis vieler Eigentümer besteht darin anzunehmen, dass der Zustand eines Hauses zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung automatisch geschützt sei. Doch Wulf stellt klar: „Einen Anspruch auf Bestandsschutz gibt es nicht.“ Das bedeutet: Selbst wenn bestimmte Bauteile – wie in Lautenthal die Fenster aus den 1970er-Jahren – seit Jahrzehnten existieren, gelten sie nicht als verpflichtender Bestandteil des Denkmals. Die Denkmalpflege orientiert sich grundsätzlich nicht an einem zufälligen Zustand, sondern an dem historischen Wert, der das Gebäude ausmacht. Und dieser Wert folgt fachlichen Kriterien, die für Eigentümer ohne Erläuterung oft schwer nachvollziehbar sind.
Erscheinungsbild
Besonders wichtig ist in den Augen der Denkmalpflege, welche Bauteile das Erscheinungsbild prägen. Dazu zählen Fenster, Türen, Fassaden, Dachformen, Materialien und handwerkliche Details. Wulf erläutert: „Grundsätzlich sind alle prägenden Bauteile relevant für die Konstitution des Denkmalwertes. Sie müssen dabei nicht zwingend in die Entstehungszeit des Denkmals zurückreichen.“ Das bedeutet: Auch später eingebaute Bauteile können denkmalrelevant sein, sofern sie das historische Gestaltungsprinzip fortführen.
Umgekehrt kann ein Bauteil seine denkmalpflegerische Bedeutung verlieren, wenn es mit historischen Gestaltungsregeln nichts mehr zu tun hat. Genau hier landen viele Eigentümer in Konflikten. Wulf erklärt: „Wenn jüngere Bauteile durch Austausch in der Vergangenheit keinen Denkmalwert mehr haben, und diese erneut ersetzt werden sollen, ist die Untere Denkmalschutzbehörde angehalten, eine gestalterisch angemessene Vorgehensweise einzufordern.“ Die Konsequenz ist eindeutig: Das, was heute am Gebäude sichtbar ist – auch wenn es Jahrzehnte alt ist –, gilt eben nicht automatisch als historisch. Es zählt, was ursprünglich den Charakter des Gebäudes ausmachte.Trinkwassergewinnung in Lautenthal
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Prägende Teile beachten
Doch wie findet man heraus, wie ein Gebäude zum Beispiel im 18. oder 19. Jahrhundert aussah, wenn keine Originalpläne existieren? Genau das ist eine typische Alltagssituation in der Denkmalpflege. Wulf beschreibt, wie man damit umgeht: „Sind konkrete Anhaltspunkte wie historische Fotografien oder Belegstücke nicht mehr zur Hand, wird die Berücksichtigung allgemein gehaltener, traditionell ortsüblicher Gestaltungs- und Ausführungsmerkmale vorgegeben.“ Das bedeutet: Man orientiert sich an ähnlichen Gebäuden derselben Zeit, in derselben Region, in vergleichbarer Bauart. Oft führt dies zu Entscheidungen wie jenen, die Bark betreffen: Rückgriff auf Sprossenfenster, traditionelle Holzprofile oder historische Glasformate.
Was Eigentümer jedoch häufig als Starrheit empfinden, ist aus Sicht der Denkmalpflege eine fachliche Notwendigkeit. Besonders prägende Bauteile werden daher strenger betrachtet als weniger sichtbare. Wulf dazu: „Je wichtiger ein Bauteil für das denkmalwerte Erscheinungsbild ursprünglich war, desto näher hat sich die Neugestaltung am Vorbild eines denkmalgerechten Zustands zu orientieren.“
Konflikte mit Eigentümern
Zu Konflikten kommt es laut Wulf fast immer dann, wenn Eigentümer zu spät auf die Behörden zugehen. „Je später sich Eigentümer an die Untere Denkmalschutzbehörde wenden, desto größer das Risiko, dass Planungsschritte wiederholt werden müssen.“ Idealerweise erfolgt die Abstimmung früh – bevor Angebote eingeholt oder Aufträge vergeben werden. In der Realität geschieht das oft erst dann, wenn Handwerker bereits bestellt sind. Dann entstehen Missverständnisse, Zeitverzug und hohe Zusatzkosten. Dass Eigentümer solche Situationen als Blockade empfinden, sei nachvollziehbar, so Wulf, aber nicht beabsichtigt: Die Abstimmung könne „von einzelnen Konsultationen bis hin zu regelmäßigen Planungssitzungen reichen“, abhängig von Komplexität und Umfang.Innerste-Campingplatz Lautenthal
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Statistisch gesehen kommt es selten zu gravierenden Auseinandersetzungen. Das NLD berichtet von lediglich ein bis zwei Konfliktfällen pro Region im Jahr. Doch auch Wulf räumt ein, dass die Wahrnehmung vieler Eigentümer eine andere ist. Nicht zuletzt, weil die Verpflichtung zur Erhaltungspflege aus Artikel 14 Grundgesetz stammt und zu erheblichen Kosten führen kann. „Diese Verpflichtung kann zu Mehrkosten führen, was manche als ungerecht empfinden“, sagt er. Die Baukostensteigerungen der vergangenen Jahre hätten dieses Gefühl zusätzlich verschärft.
Gerade der Fall Bark macht deutlich, wie groß die Lücke zwischen fachlichem Anspruch und wirtschaftlicher Realität sein kann. Während die Denkmalpflege den langfristigen Erhalt im Blick hat, müssen Eigentümer die kurzfristigen finanziellen Belastungen tragen. Fördermittel sind begrenzt, steuerliche Erleichterungen wirken nur langfristig – und selbst die Frage, ob ein Bauteil erhalten oder ersetzt werden darf, ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint.
Die Denkmalpflege versucht nach eigenen Angaben, diese Spannungen abzufedern: durch Beratung, Unterstützung bei Planungen und fachliche Orientierungshilfen.
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