Windkraft-Streit in Werk Tanne: Viele Fragen, wenig Antworten

„Das hat ein Geschmäckle“: Brigitta Braun von der Bürgerinitiative kritisiert, dass die Veranstalter des Bürgerdialogs nicht neutral sind. Foto: Neuendorf
Wie viele Windräder sollen auf Werk Tanne entstehen und gefährden sie das Trinkwasser? Der grüne Umweltminister Christian Meyer stellte sich der Diskussion mit Bürgern, Kritikern und Investoren. Viele Fragen bleiben offen – doch der Dialog beginnt.
Clausthal-Zellerfeld. Es war eine Debatte mit Emotionen, offenen Fragen und deutlichen Worten: Auf Einladung der Oberharzer Grünen diskutierten rund 80 Bürgerinnen und Bürger am Montagabend mit Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) über die umstrittenen Windparkpläne auf dem Gelände von Werk Tanne. Im Publikum saßen auch die Investoren, also die Halali-Verwaltungsgesellschaft, sowie Vertreter von Stadt, Stadtwerken und Bürgerinitiative. Es wurde mitunter hitzig.

„Windräder sind kein Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung“: Umweltminister Christian Meyer bricht eine Lanze für die erneuerbaren Energien. Foto: Neuendorf
Gleich zu Beginn machte Ratsherr Wolfram Haeseler (Die Grünen) deutlich, worum es ihm ging: „Ich finde es gut, dass Befürworter und Kritiker heute miteinander sprechen und nicht mehr nur übereinander.“ Doch die Bürgerinitiative für einen lebenswerten Oberharz zeigte sich skeptisch. Brigitta Braun kritisierte, dass die Veranstaltung nicht neutral organisiert sei. „Das hat ein Geschmäckle.“
Ist die Stadt neutral?
Ob die Stadt als Veranstalter objektiver wäre, bezweifelte Haeseler: Sie würde schließlich auch an den Windrädern verdienen. Bürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) betonte, dass es bei der Standortfrage nicht primär ums Geldverdienen gehe, sondern um die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Trotzdem sei klar, dass Clausthal-Zellerfeld durch die sogenannte Akzeptanzabgabe profitiere – mit 0,2 Cent je eingespeister Kilowattstunde. Auch Bürger könnten sich über Genossenschaften beteiligen. Für viele Anwohner ein schwacher Trost: „Wir verzichten lieber auf die rund 100 Euro“, sagten einige von ihnen im Nachgang.

Bürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch und Wolfram Haeseler sprechen über die finanziellen Auswirkungen für die Stadt. Foto: Neuendorf
Mit Jens Jacobi und Alexander Schönburg-Hartenstein waren auch die beiden Geschäftsführer der Halali-Verwaltungsgesellschaft gekommen, die mit ihren Windparkplänen den Stein erst ins Rollen gebracht haben. Die Bürger hakten kritisch nach – von Anzahl und Höhe der Windräder über Trinkwasserschutz bis zu möglichen Havarien. Viele Fragen blieben aber unbeantwortet, sehr zum Ärger einiger Zuhörer. Die Halali-Geschäftsführer sprachen von Hausaufgaben, die ihnen die Behörden vorgelegt hätten. Aktuell tragen Gutachter diese Antworten zusammen. Darum wollten Jacobi und Schönburg-Hartenstein zunächst diese Ergebnisse abwarten, ehe sie zu einer eigenen Informationsveranstaltung einladen, wie sie gegenüber der GZ sagten.
Sorge um das Trinkwasser
Für viel Gesprächsstoff sorgte der mögliche Einfluss der Altlasten im Boden auf das Trinkwasser. Die Geschäftsführer betonten, dass sich das Land klar zur Windenergie im vorbelasteten Wald positioniert habe, was Werk Tanne eben sei. Sie verwiesen auf ihre Pflanzenkläranlage zur Altlastenbeseitigung, bei deren Bau es bereits massive Erdbewegungen im kontaminierten Bereich gegeben habe.

„Wir können noch nicht alle Fragen beantworten“: Jens Jacobi (l.) und Alexander Schönburg-Hartenstein haben Windparkpläne für Werk Tanne. Foto: Neuendorf
Monika Rembe von der Bürgerinitiative fragte, ob sie sich daher um ihre Gesundheit sorgen müsse. Stefan Poehling, Geschäftsführer der Stadtwerke, beruhigte: Das Wasser werde regelmäßig auf Schadstoffe geprüft. Auch die zwei neuen Wasserwerke, wie das am Hirschler Teich, seien ein Teil der Sicherheitsarchitektur. Sollte also eine Verunreinigung ins Wasser gelangen, würden sie dort herausgefiltert. Er hält es zudem für wahrscheinlicher, dass ein Tanklaster auf der angrenzenden Bundesstraße verunglückt und Schadstoffe in den Teich laufen, als dass ein Windrad Feuer fängt oder gar umstürzt.
Mix aus Solar und Windenergie
Umweltminister Meyer nahm die Sorgen ernst, stellte aber klar: „Es darf keine Trinkwassergefährdung geben. Das ist doch logisch.“ Er erinnerte an die Folgen des Klimawandels für den Harz. 30.000 Hektar Wald seien bereits abgestorben. „Windräder sind kein Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung.“ Minister Meyer machte dennoch deutlich, dass der Windpark nur dann realisiert werde, wenn alle Gutachten eine Genehmigung zuließen.
Dr. Tobias Buchenauer von der Bürgerinitiative kritisierte, dass aufgrund finanzieller Vorteile der Investoren auf dem Rücken des Anwohnerschutzes mit den Windrädern geplant werde. Er fragte zudem nach: „Warum keine Photovoltaikanlagen stattdessen?“ Sie hätten doch weniger negative Auswirkungen. Laut den Eigentümern gibt es noch weitere Bereiche in Werk Tanne, in denen sie auf Solar setzen wollen. Der Minister hob vor allem den Mix aus Sonnen- und Windenergie hervor. Generell hätten Windräder eine höhere Energieausbeute als Solaranlagen.
Fledermäuse im Fokus
Einwohner Prof. Werner Scholl beobachtet auf der Fahrt nach Braunschweig, dass viele Windkraftanlagen regelmäßig stillstünden. Darum frage er sich, ob es nicht aktuell schon eine Überbelastung gebe. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch stieg laut dem Minister in Niedersachsen tatsächlich auf 102 Prozent. Also doch zu viele Windräder? Stadtwerke-Chef Poehling sagte, dass zu einzelnen Stunden tatsächlich eine Überproduktion stattfinde. Das sei auch bei PV-Anlagen der Fall. Im Zuge der Energiewende werde aber noch viel mehr grüner Strom benötigt. Aus diesem Grund seien Speicher so wichtig, die Halali plant laut ihren Geschäftsführern damit.

„Leitungswasser ist das bestkontrollierte Lebensmittel“: Stadtwerke-Chef Stefan Poehling beruhigt die Anwohner. Foto: Neuendorf
Annett Jerke vom Naturschutzbund mahnte, dass der Fledermausschutz nicht zu kurz in der Debatte kommen dürfe. Darum fordern die Oberharzer Grünen von den Investoren, dass sie lernende Sensoren zur Erkennung von Fledermausflugzeiten verbauen. So könnten die Windkraftanlagen rechtzeitig pausieren.
Misstrauen sitzt tief
Doch der Abend bewies auch, wie tief das Misstrauen in der Bürgerinitiative sitzt. Carmen Klingebiel berichtete von gesundheitlichen Beschwerden durch Windräder, genauer gesagt von Kopfschmerzen und Druck auf den Ohren. Das Umweltbundesamt hingegen hat sich laut GZ-Recherche intensiv mit dem Thema Infraschall von Windrädern und möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auseinandergesetzt. Die Forschung sieht bisher keinen nachgewiesenen Zusammenhang mit Infraschall. Der sogenannte Nocebo-Effekt könnte jedoch eine Rolle spielen: Die Erwartung von Krankheit selbst kann schon Symptome hervorrufen.
Am Ende zeigte sich Haeseler zufrieden: „Ich freue mich, dass wir den Kreislauf des Übereinander-Redens durchbrochen haben und jeder über den aktuellen Planungsstand informiert ist.“ Auch die Halali-Geschäftsführer kündigten an, mit der Bürgerinitiative im Austausch zu bleiben. Doch nicht alle sahen das so versöhnlich: Buchenauer nahm eine sehr gespaltene Stimmung wahr. Er kritisierte, dass die Standortfrage in Bezug auf das Wohngebiet nicht ausreichend thematisiert worden sei. „Ich habe keine neuen Argumente gehört – hoffe aber, dass unsere Einwände berücksichtigt werden.“
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