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Nachgedacht

GZ Plus IconHeureka auf der Schlackenhalde

Baustelle Pfalzquartier: Alles oder nichts?

Baustelle Pfalzquartier: Alles oder nichts? Foto: Epping

Die Pläne für eine Westharz-Halle in Langelsheim haben die Debatte ums Kaiserpfalzquartier in Goslar angefacht. Doch geht es in Goslar nur um eine Veranstaltungshalle?

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Von Jörg Kleine
Samstag, 25.10.2025, 09:30 Uhr

Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen verwechseln“, heißt die Devise bei SPD und CDU im Goslarer Stadtrat. Im Visier steht die Dauerdebatte um die Entwicklung im Kaiserpfalzquartier, angefacht durch neue Pläne im benachbarten Langelsheim. Dort will Heiko Rataj, der Multiunternehmer und Herr vom Erlebnisbocksberg in Hahnenklee, eine Veranstaltungshalle bauen für 1500 Besucher und mehr.

Versiegelung auf einem Altlast-Gelände

Eiskalt, möchte man vielleicht sagen, mit Verweis auf Ratajs jüngste Tour als seefahrender Weltenbummler in arktischen Gefilden. Aber nein: Rataj ist Unternehmer, frei von politischen Zwängen und ebenso frei, wo und wie er unternehmerische Chancen beim Schopfe packen will. Das möge er erfolgreich tun. Zumal die Stadt Lan-gelsheim wohl Heureka ruft, wenn zumindest ein Teil der Schlackenhalde an der Sophienhütte, über die inzwischen Gras gewachsen ist, unter einem Betonfundament verschwindet. Überdies hängt das mit Schwermetallen wie Zink, Blei und Cadmium belastete Grundstück in der Nachbarstadt sicherlich günstiger im Schaufenster als ein Gelände unterhalb der Goslarer Kaiserpfalz im Weltkulturerbe. Immerhin gehört die rund 1000 Jahre alte Herzensresidenz von Heinrich III. zu den bedeutendsten nationalen Kulturdenkmälern in Deutschland. Allemal ist das eine Reise wert für Gäste aus nah und fern.

Stadtentwicklung auf historischem Boden

Leider haben die nach den napoleonischen Kriegen verarmten Goslarer die ehedem prächtige Stiftskirche St. Simon und Judas – den Goslarer Dom – verkommen und an einen Maurermeister versteigern lassen, der diese Kirche dann als Steinbruch nutzte. „Wir leben in einer bedeutungsschweren Zeit: Tausendjährige Dome werden abgebrochen und Kaiserstühle in Rumpelkammern geworfen“, ätzte der berühmte deutsche Literat Heinrich Heine nach seiner Harzreise 1824. Und fast wäre es der stolzen Pfalz ähnlich ergangen, hätte nicht kaiserlicher Rückenwind durch Wilhelm I. die Rekonstruktion ermöglicht. Just auf dem Kaiserstuhl aus Goslar saß der preußische Monarch, als er 1871 den ersten Reichstag in Berlin eröffnete. Neben dem Aachener Königsthron Karls des Großen im Übrigen der einzige erhaltene mittelalterliche Thron eines deutschen Kaisers.

Genau dieses historische Erbe, die exponierte Lage unterhalb der Kaiserpfalz, die Verantwortung, aber auch die Schwierigkeiten für die Stadtentwicklung, die daraus erwachsen, sind in der öffentlichen Diskussion bei vielen aus dem Blickfeld geraten. Um es deutlich zu sagen: Es geht hier nicht (nur) um eine Veranstaltungshalle, sondern um Stadtentwicklung auf dem historisch wertvollsten Grund und Boden in der Kaiserstadt.

Durchblick zwischen Barbarossa und Wilhelm I.

Dass hier über lange Zeit Kasernen standen und beim Durchblick zwischen den Bronzestatuen von Friedrich Barbarossa und Wilhelm I. ein gepflasterter Großparkplatz die Szenerie beherrscht, ist schon leidvoll genug. Zumindest für Gäste von außerhalb, die den Blick aufs Ganze nicht verloren haben.

Unter Ägide von Goslars Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner hatten ein renommiertes Architekturbüro und erfahrene Landschaftsarchitekten eine zeitgemäße und durchdachte Antwort zum Pfalzquartier präsentiert. Ein privat finanziertes Hotel, verknüpft mit einer dafür erforderlichen Halle, die sowohl von Tagungsgästen als auch öffentlich genutzt werden kann. Und ein samt Fördermitteln finanzierter Stiftsgarten, der das Gelände über den Grundmauern des Doms erlebbar machen soll.

Zu den Plänen mag jeder stehen, wie er will. Aber wenn die Stadt nun nach quälend langen Planungen und Debatten einen neuen Investor sucht im Pfalzquartier und dafür Baurecht schaffen will, dann geht es um wertvolles Terrain in Goslar – und nicht um Baugenehmigung auf einer Schlackenhalde in Langelsheim.

Goslar und Langelsheim wie Wernigerode und Ilsenburg

Ob sich nun eine Westharz-Halle in Langelsheim und eine Stadthalle in Goslar gravierend ins Gehege kämen? Ich weiß es nicht, zumal beide ja gar nicht gebaut sind. Vielleicht ergänzen sie sich sogar. Umso verwunderlicher ist es, dass viele in der Debatte bereits die Rechnung präsentieren, bevor sie überhaupt die Speisenkarte auf dem Tisch haben. Wenn das Argument gültig ist, dass es an Raum für Tagungen, Messen, Ausstellungen bis hin zu Abi-Bällen fehlt, dann doch in Goslar – nicht in Langelsheim. Und nach einer Veranstaltung samt Bier oder Wein kommen viele Besucher in Goslar sogar zu Fuß nach Hause und ins Hotel. Darin liegt doch gerade der Sinn.

Wenn dabei die Harzlandhalle in Ilsenburg, in der auch Fußball und Handball gespielt werden kann, in der Debatte schon als Konkurrenz zu Goslar angeführt wird – warum hat dann das benachbarte Wernigerode ein Kultur- und Kongresszentrum? Übrigens mit maximal 659 Sitzplätzen. Für Goslar entscheidend ist eine ganz andere Frage: Findet sich ein Investor? Dafür sollte die Stadt zumindest die Voraussetzungen jetzt schaffen.

Wie stehen Sie zu dem Thema? Schreiben Sie mir:

joerg.kleine@goslarsche-zeitung.de

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