Start-up aus Goslar revolutioniert Zahnmedizin
Dr. Kim Kubiack in ihrer Goslarer Zahnarztpraxis. Foto: Roß
Die Goslarer Zahnärztin Dr. Kim Kubiack hat mit Partnern das Start-up „DentalTwin“ gegründet. Die KI-Technik modelliert Brücken und Kronen automatisch – und sorgt international für Aufsehen.
Goslar. Eine Goslarer Zahnärztin mischt mit ihrem Start-up die Welt der Zahnmedizin auf – und zwar international. Dr. Kim Kubiack hat mit Geschäftspartnern das Start-up „DentalTwin“ entwickelt, das es Zahnärzten oder Mund- und Kieferchirurgen ermöglicht, Brücken- und Kronen vollautomatisiert und KI-gestützt herzustellen.
So sieht die "DentalTwin"-Software aus, die mittels KI vollautomatisch Zahnersatz in allen Formen und Größen generiert. Foto: DentalTwin
Das Spektrum reiche dabei von einem einzelnen Zahn bis hin zu einem kompletten Kiefer, erläutert Kubiack. Rund zweieinhalb Jahre hat das Start-up an der Technik gefeilt, die im April an den Markt gebracht wurde. Das Angebot sei weltweit einzigartig, berichtet Kubiack. Patente in den USA und Europa seien bereits angemeldet.
Ein „Riesenpotenzial“
Was sich zunächst reichlich fachspezifisch anhört, hat Einfluss auf viele Menschen weltweit. Kubiack spricht von einem „Riesenpotenzial“. Schließlich weiß wohl jeder, dass es kompliziert, zeitaufwändig und teuer werden kann, wenn der Zahnarzt Brücken oder Kronen ins Spiel bringt.
„Üblicherweise sitzt bisher immer ein Zahntechniker an einem digitalen Modell für den Zahnersatz“, erläutert Kubiack. Heraus kommt eine Datei, nach der die Implantate dann angefertigt werden. Die vollautomatische Rekonstruktion fehlender Zähne – also ohne menschliches Eingreifen – sei bisher schnell an ihre Grenzen gekommen, schildert die Goslarer Zahnärztin. Genau da setze „DentalTwin“ an. „Wir entlasten wirklich in den Schmerzpunkten“, sagt die aus Goslar stammende Zahnmedizinerin und Geschäftsfrau, die sich bereits in ihrer Doktorarbeit vor 15 Jahren mit Bioengineering beschäftigt hat.
Weltweiter Fachkräftemangel
Es gebe in der Zahntechnik weltweiten Fachkräftemangel, weshalb das Goslarer KI-System sofort auf große internationale Resonanz gestoßen sei. Und es werde nicht nur beim Personal entlastet: 60 Prozent Zeit, 70 Prozent Abfall und 80 Prozent Fahrten, etwa von Labormitarbeitern oder Patienten, könnten durch die digitale Technik eingespart werden, lautet die Faustformel des Start-ups.
Die Kundschaft komme mittlerweile aus der ganzen Welt. Die 48-Jährige präsentiert „DentalTwin“ in den kommenden Monaten auf Messen in Dubai, New York, Chicago und Venedig. „Und das sind nur die Highlights“, ergänzt sie.
Vor anderthalb Jahren habe ihr Unternehmen einen Minijobber in Goslar beschäftigt. „Mittlerweile haben wir 30 Leute in ganz Europa verteilt“, berichtet die Goslarerin. Einen Großteil davon mache der Bereich Entwicklung aus. Neben Kubiack stehen noch fünf weitere Mitgründer hinter „DentalTwin“, zwei davon aus der Region.
„Ganz bewusst“ in Goslar
Die Firmenzentrale sei „ganz bewusst“ in die Räume ihrer Zahnarztpraxis am Brunnenkamp platziert worden. Auf der Internetseite wirbt das Unternehmen mit dem Slogan: „Ein deutsches Tech-Start-up aus dem Harz erobert die Welt.“ Bei aller Internationalität ist „DentalTwin“ ganz aktuell eine strategische Vertriebspartnerschaft mit zwei Goslarer Unternehmen eingegangen: der Siladent Dr. Böhme & Schöps GmbH sowie der Ernst Hinrichs Dental GmbH. Beide gehören laut einer Mitteilung „zu den führenden Herstellern von Qualitätsprodukten für die Zahntechnik, darunter Gipse, Einbettmassen und Labormaterialien“. Ihr globales Vertriebsnetz umfasse Labore und Zahnarztpraxen in über 80 Ländern. Und denen soll in Zukunft auch die „DentalTwin“-Software schmackhaft gemacht werden.
Ein „enormes Risiko“
Ihre Tätigkeit als Goslarer Zahnärztin hat Kim Kubiack heruntergefahren, in ihrer Praxis behandele sie nur noch Privatpatienten. Mehr lasse die Zeit als Start-up-Chefin nicht zu. Aber warum ist niemand vor ihr auf diese Geschäftsidee gekommen? Zunächst müsse man bereit sein, ein „enormes Risiko“ einzugehen und eine gut laufende Praxis praktisch aufzugeben, erläutert die Goslarerin. Außerdem habe sie sich schon immer „mit Leidenschaft“ mit der Kombination von Medizin und Ingenieurskunst auseinandergesetzt. Zwei Felder, die ihrer Meinung nach viel zu selten voneinander profitieren.
Derzeit kommen etwa ein Drittel der „DentalTwin“-Kunden aus Deutschland. Das Problem: „Um Automatisierung einzusetzen, brauche ich zunächst Digitalisierung.“ Und daran mangele es in vielen Praxen. Ein Beispiel: In Deutschland würden etwa acht bis zehn Prozent der Zahnabdrücke digital angefertigt. In den Benelux-Ländern seien es 42 Prozent, in Skandinavien über 90 Prozent.
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