Zähl Pixel
Von Wildemann nach Berlin

GZ Plus IconWeihnachtsbaum für den Bundestag kommt aus dem Harzer Wald

Stück für Stück muss die Fichte vorsichtig auf den Lkw heruntergelassen werden.

Stück für Stück muss die Fichte vorsichtig auf den Lkw heruntergelassen werden. Foto: Neuendorf

Wie kommt der Weihnachtsbaum aus dem Harz eigentlich zum Bundestag? Wie muss er aussehen und wer entscheidet das überhaupt? Die GZ hat sich vor Ort umgehört.

author
Von Hanna Schlimme
Montag, 24.11.2025, 18:00 Uhr

Wildemann. Ein Mann hängt an einem Seil befestigt in einem Baum – auf zwölf Metern Höhe, über ihm erstreckt sich die Fichte weitere 26 Meter in den Himmel. Er zieht an einem weiteren Seil eine Kettensäge am Stamm hinauf. Mit einem lauten Brummen springt das Gerät an. Der Kletterer setzt an und sägt den Baum zur Hälfte durch. Ein geschickter Sprung auf die andere Seite des Stammes. Es folgt ein erneutes Aufheulen der Kettensäge. Und wenige Sekunden später ist der Stamm durchgesägt und der Baum schwebt, an einem Kran befestigt, über dem Boden.

Unweit des Grumbacher Teichs, direkt am Wassertretbecken Wildemann, wurde mit viel Feingefühl und Konzentration die Fichte gefällt, die in wenigen Tagen als Weihnachtsbaum vor dem Bundestag stehen wird. Ungefähr 80 Jahre alt, insgesamt 36 Meter hoch und sogar nach Fällung noch 4,5 Tonnen schwer.

Ein Mann hängt an einem Baumstamm und sägt diesen mit einer Kettensäge durch.

Holger Schwering hängt auf zwölf Metern an dem Baum und sägt die Fichte für den Bundestag ab. Foto: Neuendorf

Dafür fahren die Niedersächsischen Landesforsten gemeinsam mit der verantwortlichen Firma mit schwerem Gerät in den Wald. Ein Kran und der Lkw, der den Baum später sicher in die Hauptstadt bringen soll, stehen schon bereit. „Wir mussten uns den Weg zu der Fichte heute früh erst einmal freikämpfen“, erklärt Holger Schwering, der später den Baum in der Luft absägen wird. Der Wind am Vorabend hatte den ganzen Weg mit Ästen versperrt. Mit etwas Verzögerung konnte es dann aber losgehen.

Kein Ast darf brechen

Zuerst muss der Kran in die richtige Position gebracht werden. Dann wird der Lkw entsprechend präpariert. Verschiedene Halterungen müssen entlang der Ladefläche angebracht werden, um den Baum später sicher zu transportieren. Sind diese montiert, wird ein riesiges Netz auf der Fläche ausgebreitet, in das die Fichte später eingewickelt wird. Kein Ast darf brechen, und vor allem nicht die Baumspitze. Daher wird diese für die Fahrt noch einmal extra gepolstert – und zwar mit den Ästen, die bereits einen Tag vorher vom unteren Teil des Stammes entfernt wurden.

Nach der Fällung schwebt der Baum, an dem Kran befestigt, über dem Lkw.

Nach der Fällung schwebt der Baum über dem Lkw. Foto: Neuendorf

„Die Bäume werden nach bestimmten Kriterien ausgesucht und müssen dann natürlich auch noch heil in der Hauptstadt ankommen“, erklärt Michael Rudolph, Pressesprecher der Niedersächsischen Landesforsten. Kriterien für die Wahl sind die Qualität, die Nadelbeschaffenheit und der Standort. „Der Baum muss mindestens 20 bis 22 Meter hoch sein, er muss dicht benadelt sein und die Äste dürfen nicht zu sperrig sein“, sagt Rudolph. Außerdem müsse die Fichte mit den entsprechenden Fahrzeugen erreichbar sein, dürfe also nicht auf einem Berg stehen. „Idealerweise befindet sich die Fichte an einem Flussbett, so wie hier.“ Auch in den vergangenen Jahren erstrahlten Harzer Fichten als Weihnachtsbäume vor dem Bundestag. Im vergangenen Jahr wurde dafür eine 120 Jahre alte Fichte nahe der Granetalsperre gefällt.

Kommission aus Berlin

Nachdem die Förster eine Vorauswahl an möglichen Kandidaten getroffen haben, kommt dann eine Kommission des Bundestages und begutachtet die Bäume vor Ort. „Die Auswahl erfolgt bereits im Sommer, somit muss es auch immer einen Zweitbaum geben“, betont Rudolph. Denn Stürme, Schnee oder andere Faktoren könnten immer dafür sorgen, dass der Baum bis zur Fällung beschädigt wird. Und auch während der Fällung könne immer etwas schiefgehen.

Steht der Kran in Position und ist der Lkw fertig vorbereitet, kann der actionreiche und vor allem spannende Teil für alle Beteiligten beginnen. Kletterer Schwering legt die Sicherheitsgurte an und wird an einem Spannseil, von dem Kran in die Höhe gezogen. Im ersten Schritt müssen die Spannseile am oberen Teil der Fichte befestigt werden, dann klettert Schwering wie ein Affe zwischen den Ästen herab und sägt den Stamm ab. Nach wenigen Minuten schwebt die Fichte über dem Boden und wird dann langsam Stück für Stück auf den Lkw gelegt.

Die Fichte wird nach der Fällung mit Spannseilen und einem Netz auf dem Lkw befestigt.

Die Fichte wird nach der Fällung mit Spannseilen und einem Netz auf dem Lkw befestigt. Foto: Neuendorf

Wildemanner Ehepaar verabschiedet sich

Annemarie und Wilfried Lambrecht aus Wildemann beobachten das Spektakel mit Wehmut. „Wir sind im Harzklub und haben regelmäßig nach dem Besuch des Wassertretbeckens im Schatten des Baumes Pause gemacht“, erklärt die 82-Jährige. „Außerdem war dieser Baum ungefähr so alt wie wir“, ergänzt sie und schaut dabei traurig auf den nun zwölf Meter hohen Baumstumpf.

Annemarie und Wilfried Lambrecht aus Wildemann verabschieden sich von der Fichte.

„So alt wie wir“: Annemarie und Wilfried Lambrecht aus Wildemann verabschieden sich von der Fichte. Foto: Schlimme

„Jetzt beginnt für uns erst der harte Teil“, berichtet Schwering, nachdem er den Baum heruntergeklettert ist und wieder sicher auf dem Boden steht. Die Äste müssen vorsichtig in das Netz eingepackt werden. Schwering rechnet noch mit rund zehn Stunden Arbeit, bevor sich der Lkw gegen 21 Uhr mit seiner Weihnachtsfracht auf den Weg in die Hauptstadt machen kann.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Themen aus der Region