Wie soll der Hahnenkleer Paul-Lincke-Ring künftig heißen?
So sieht der Paul-Lincke-Ring derzeit aus: Annett Louisan hat ihn im Dezember 2023 als bislang letzte Preisträgerin erhalten. Foto: Swen Pförtner/dpa
Diskussion und Streit gehen weiter: Wie soll der Paul-Lincke-Ring künftig heißen? Zu drei neuen Namen wird derzeit ein Stimmungsbild eingeholt. Im Ort sprechen sich weitere Stimmen für ein Weiter so aus. Und am Donnerstag tagt die Jury erneut.
Hahnenklee. Nein, es ist noch keine ausgemachte Sache, dass der Paul-Lincke-Ring bald nicht mehr Paul-Lincke-Ring heißt. Beim Bürgerforum in der Vorwoche wurde jedoch mehr als deutlich, dass sich nicht nur die Goslarer Stadtspitze, sondern auch die lokalen Ring-Juroren aufgrund ihrer Erkenntnisse vom Berliner Operettenkönig, der auf dem Hahnenkleer Waldfriedhof begraben liegt, als Namensgeber wegbewegen. Das Historiker-Urteil von Professor Dr. Detlef Schmiechen-Ackermann ist jedenfalls eindeutig: „Paul Lincke war ein Propagandist und Profiteur des NS-Regimes“.
Ebenso eindeutig sei die Stimmung in der Jury gewesen, hatte Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (SPD) am Mittwochabend in Hahnenkleer Paul-Lincke-Saal des Kurhauses referiert. Tenor: Es sei nahezu unmöglich, Künstler zu finden, die gewillt seien, den Preis anzunehmen. „In dieser Sekunde war eigentlich endgültig klar, dass wir uns mit einem neuen Namen auseinandersetzen müssen“, sagte das Stadtoberhaupt, das selbst in der Jury sitzt.
Urbans Aussage
Öffentlich geäußert hat sich von den sechs Fachjuroren des elfköpfigen Gremiums bisher nur NDR-Kulturjournalist Peter Urban. Der Mann, der zweieinhalb Jahrzehnte lang das deutsche Gesicht des Eurovision-Song-Contests war, erklärte in einem GZ-Interview im November vor einer Lesung im Goslarer Kulturmarktplatz: „Ich schließe mich den Empfehlungen an und glaube nicht, dass der Preis den alten Namen behalten kann“, sagte Urban. Daher müssten die Stadt Goslar und der Ort Hahnenklee als Träger entscheiden, wie der Preis zukünftig heißen und wie seine Geschichte weitergehen soll. Darüber könne nicht die Jury beraten, deren Aufgabe es sei, „herausragende Persönlichkeiten der Populärmusik auszuzeichnen“. Interessant in dem Zusammenhang: Eine früher im Internet verfügbare Seite zur Lincke-Ring-Jury ist bereits seit Monaten abgeschaltet und nicht mehr zu finden.
Auftrag zu neuen Namen
Wie dem auch sei: Weil der Trend zu einem neuen Namen laut Schwerdtner vorlag, hatte die Stadt schon die Bad Harzburger Marketingagentur Design-Office beauftragt, entsprechende Optionen zu präsentieren. Chefin Silke Duda-Koch stellte wie berichtet die drei Varianten Goldener Ton, Taktgefühl und Bestnoten vor. Ein Stimmungsbild im Saal ergab eine klare Präferenz für den Goldenen Ton vor dem Taktgefühl. Im Internet kann weiterhin Meinung zum neuen oder alten Namen kundgetan werden. Bis einschließlich Donnerstag, 23. Januar, ist dies per E-Mail unter der Adresse plr@goslar.de möglich.
Mit Erinnerungskultur
Wie sehen die Vorschläge im Detail aus? Alle drei sind mit einem zugehörigen Teil Erinnerungskultur verbunden, die Kombinationen sind austauschbar, auf dem Ring soll die jeweilige Jahreszahl abgebildet werden. Beim Goldenen Ton soll der Name das Wertvolle und Unvergängliche sowie die das Publikum verzaubernde Töne darstellen. Eine Goldmedaille sei außerdem das Zeichen für Sieger. Die Paul-Lincke-Statue im Ort soll durch ein Element ergänzt werden, das die Geschichte des Preises erzählt und den neuen Musikpreis mit den neuen Werten beschreibt. In Hahnenklee könne die Historie des Rings erkundet und touristisch attraktiv vermarktet werden.
Beim Taktgefühl erinnert der Name an das Gliedern eines Stückes durch die Takte und nimmt die seelische Regung durch die Musik auf. Die Skulptur könnte um eine Info-Stele ergänzt werden. Denkbar wäre es laut Duda-Koch, die Geschichte aus der Sicht des einstigen Lincke-Freundes Siegfried Translateur erzählen zu lassen. Nach 1933 hatte Lincke den Kontakt eingestellt, Translateur wurde aufgrund seines jüdischen Glaubens nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Warnung vor frühen Ringträgern
Die Bestnoten stehen eigentlich für sich selbst. Das Beste ist der Superlativ, Noten sind in der Musik eine Größe. In Hahnenklee könnten Steckbriefe in Form interaktiver Tafeln von den bisherigen Preisträgern aufgestellt und durch Hörproben und Videos erweitert werden. Die Installation einer Stele für den jeweiligen Preisträger könnte Teil einer jeden Ring-Verleihung werden. Schmiechen-Ackermann warnte aber auch hier, dass erst die Preisträger ab 1981 beginnend mit Udo Jürgens historisch unproblematisch seien.
Was kommt neu? Neben Name und Bezugszeile seien dies die zusätzliche Vergabepraxis mit Elementen der Erinnerungskultur und eine 360-Grad-Markenkommunikation. Was vom Preis bleibt? Laut Duda-Koch sind dies der Ring, die Tradition, die Preisträger, Linckes künstlerisches Werk und die Verankerung des Preises in Hahnenklee. Genau dort gibt es allerdings Gegenwind aus dem Ortsrat – nicht nur von FDP und SPD.
„Ich bin gegen die Umbenennung“, schreibt Ortsratsherr Dr. Ulrich Bierbaum (CDU) und erhält Zustimmung von Mitstreiter Axel Bender, dem früheren Goslarer CDU-Chef und Ex-Landratskandidaten. Bierbaum begründet seine Einstellung: „Der Name Paul Lincke ist deutschlandweit, zum Teil weltweit bekannt und hat Bezug zur Musik und Hahnenklee. Alle neuen Bezeichnungen werden wohl nie einen ähnlichen Bekanntheitsgrad haben.“ Mit dem Namen Paul Lincke verbänden „99,9 Prozent der Bürger sein musikalisches Schaffen, so gut wie niemand interessiert sich für Details seines Lebens im Dritten Reich“. Obwohl er eine herausragende Persönlichkeit gewesen sei, sei er nie in eine Parteiorganisation eingetreten – „was damals schon als Statement gewertet werden muss“.
„Vielzahl von Obermoralisten“
Lincke habe das Pech gehabt, im „Dritten Reich“ leben zu müssen. Offensichtlich sei er ein Mitläufer gewesen – „wie die meisten anderen Deutschen“. Leute wie Dietrich Bonhoeffer, die Mut und die Kenntnis vom verbrecherischen Charakter gehabt hätten, hätten mit ihrem Leben bezahlt. „Die monströsesten Verbrechen der Nazis geschahen auch erst nach der Wannsee-Konferenz 1942 mitten im Krieg und wurden den meisten Deutschen erst nach 1945 bekannt“, behauptet Bierbaum. Heute gebe es freie Presse, freie Information und freie Meinung. Plötzlich treten „eine Vielzahl von Obermoralisten“ auf, „die zur Nazizeit auch lieber den Mund gehalten hätten“. Jetzt könne man mit der Aufarbeitung der Geschichte sein Geld verdienen. 40 Ring-Verleihungen ohne Probleme sprächen eine klare Sprache.
„Wie kann man den auswählen?“
„Schlimm finde ich die Auswahl des letzten Preisträgers, der – in einer freiheitlichen Demokratie lebend, mit guter Informationsmöglichkeit über Stalins Verbrechen und die Diktatur in der DDR vor Augen mit Schießbefehl und Toten an der innerdeutschen Grenze – nichts Besseres zu tun hatte, als sich der von der Stasi alimentierten Zweigstelle der SED, der West-KP, anzuschließen“, schießt Bierbaum seinerseits gegen den designierten Ringträger Sven Regener (Elements of Crime), der eine Prüfung vor Annahme des Ringes zur Bedingung gemacht hatte. „Wie kann man den auswählen, und wie kann dieser seinen moralischen Finger erheben?“, fragt Bierbaum. Und: „Wollen wir uns von diesem Mann Moral lehren lassen?“
Was gibt es noch zu wissen? Die Ring-Jury bilden als Fachjuroren neben Peter Urban, Dr. Jürgen Meier-Reese (früherer NDR-Unterhaltungschef), der ehemalige Musikverleger Dr. Axel Sikorski, Sänger, Komponist und Ringträger Peter Plate, NDR-Musikjournalist Ocke Bandixen und Petra Husemann-Renner als Geschäftsführerin der Berliner Motor Entertainment. Musikjournalist Imre Grimm
ist zum Ende des Jahres 2024 ausgeschieden. Goslarer Juroren sind neben Schwerdtner, Kulturchefin Marleen Mützlaff, Martin Mahnkopf (SPD) als Vorsitzender des Kulturausschusses, Ortsbürgermeister Heinrich Wilgenbus (CDU) und Almuth Ahrends als Vorsitzende des Freundeskreises Paul-Lincke-Ring.
Neujahrsempfang am Freitag
Die Zukunft des Lincke-Rings dürfte mit Sicherheit Thema sein beim Neujahrsempfang des Ortsrates, der am Freitag ab 18.30 Uhr im Hotel „Hahnenkleer Hof“ über die Bühne geht. Ob schon ein Ergebnis zum Stimmungsbild bekanntgegeben wird? Vor dem Empfang soll es GZ-Informationen zufolge ein Treffen der Ortsratsfraktionen mit Schwerdtner geben. Für Donnerstag ist eine Video-Konferenz der Jury geplant. Politisch in offiziellen Runden wird am 26. Februar im Ortsrat beraten, am 13. März im Goslarer Kulturausschuss und am 1. April im Goslarer Rat. Und der muss am Ende auch entscheiden.

Das Marketingbüro Design-Office aus Bad Harzburg hat drei neue Varianten herausgearbeitet. Vorschlag eins heißt Taktgefühl. Foto: Design-Office

Vorschlag zwei heißt Bestnoten. Foto: Design-Office

Vorschlag drei heißt Der Goldene Ton. Foto: Design-Office