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Sieben neue Stolpersteine für Goslar

GZ Plus IconErinnern an Nazi-Opfer: Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren

Die Goslarer Polizei posiert zum Gruppenfoto vor der Kaiserpfalz. Die Aufnahme aus dem Fundus des Goslarer Stadtarchivs datiert vermutlich aus dem Jahr 1928. Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren sitzt vorn in der Mitte mit Säbel.

Die Goslarer Polizei posiert zum Gruppenfoto vor der Kaiserpfalz. Die Aufnahme aus dem Fundus des Goslarer Stadtarchivs datiert vermutlich aus dem Jahr 1928. Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren sitzt vorn in der Mitte mit Säbel. Foto: Stadtarchiv

Der Verein Spurensuche setzt am 25. Juni sieben weitere Stolpersteine zum Gedenken an Menschen, die in Goslar Opfer der Nazis geworden sind. Verein und GZ erinnern an diese Menschen. Oliver Turk berichtet über das Schicksal von Friedrich Ostheeren.

Von Oliver Turk Sonntag, 15.06.2025, 16:00 Uhr

Goslar. Die Geschichte von Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren steht beispielhaft für die politische Verfolgung und Gewalt, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begann. Sein Fall zeigt, wie das NS-Regime gezielt unerwünschte Personen aus dem öffentlichen Dienst entfernte und mit brutalen Methoden zum Schweigen brachte.

Josef Schacker. Ingeburg Boeglen. Anna König. Johannes Jäger. Auguste Müller. Herrmann Kassebaum. Und Friedrich Ostheeren. Die Initiative Stolpersteine im Verein Spurensuche Harzregion setzt wie berichtet am 25. Juni sieben weitere Messingtafeln zum Gedenken an Menschen, die in Goslar Opfer des Nazi-Regimes geworden sind. Wie schon vor zwei Jahren, als an fünf Stellen der Innenstadt insgesamt 13 Stolpersteine platziert wurden, erinnern Verein und GZ vorab ausführlich an diese Menschen. In sechs Beiträgen stellen Autoren deren Leben und Leiden vor.

Oliver Turk

Oliver Turk Foto: Heine (Archiv)

Den Auftakt macht Oliver Turk. Der Vorsitzende der Harzer Spurensuche aus Jerstedt, der im Frühjahr 2022 das Amt von Dr. Peter Schyga übernommen hat, hat sich besonders durch Beiträge zur Reichsbauernstadt, vor allem zu deren Hauptperson Richard Walther Darré, zum sogenannten Reichsnährstand und generell zur Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis hervorgetan. Er berichtet vom Schicksal, das der republiktreue Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren erlitten hat.

Für dessen Stolperstein übernimmt die Polizeiinspektion Goslar die Patenschaft. Sie schreibt dazu: „Die Stolpersteine sind ein bedeutendes Symbol für das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie mahnen uns, die Werte der Freiheit und Demokratie hochzuhalten und die tragischen Ereignisse der Vergangenheit nie zu vergessen. Durch das Übernehmen der Patenschaft wird die Verpflichtung ausgedrückt, die demokratischen Werte zu schützen und zu verteidigen.“

Friedrich Ostheeren wurde am 8. Januar 1880 in Quenstedt im Mansfelder Gebirgskreis geboren. Nach seiner Heirat mit Minna Wegener, die am 8. März 1880 in Harsleben zur Welt kam, zog die Familie nach Halberstadt. Dort trat Ostheeren 1905 in den Polizeidienst ein. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. 1920 zog er mit seiner Familie nach Goslar und ließ sich in der Petersilienstraße 17 nieder. Ostheeren stieg zum Polizeioberinspektor auf und galt in Goslar als pflichtbewusst und republiktreu – Eigenschaften, die ihm nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zum Verhängnis wurden.

Politische Verfolgung und Zwangsbeurlaubung

Unmittelbar nach der Machtübernahme wurde eine systematische Säuberung des öffentlichen Dienstes eingeleitet. Beamte, die als „politisch unzuverlässig“ galten, wurden aus ihren Ämtern gedrängt. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde am 7. April 1933 von der nationalsozialistischen Regierung erlassen. Es diente dazu, den öffentlichen Dienst im Sinne der NS-Ideologie umzugestalten und war ein wichtiger Schritt zur Errichtung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Politisch missliebige Beamte, insbesondere Kommunisten und Sozialdemokraten, sowie Personen jüdischer Herkunft wurden aus dem Staatsdienst entfernt. Das Gesetz trug entscheidend zur Gleichschaltung und Festigung der diktatorischen Herrschaft bei.

Zentral untergebracht: Die Aufnahme zeigt das Polizei-Büro an der Marktstraße. Heute ist dort das Hotel „Alte Münze“.

Zentral untergebracht: Die Aufnahme zeigt das Polizei-Büro an der Marktstraße. Heute ist dort das Hotel „Alte Münze“. Foto: Stadtarchiv

Auch Ostheeren geriet ins Visier der neuen Machthaber. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied der SPD zu sein und Kollegen für die Partei geworben zu haben. Die Anschuldigungen entsprachen nicht der Wahrheit. Am 8. April 1933 wurde er vom Goslarer Oberbürgermeister Heinrich Droste zwangsbeurlaubt. Ostheeren wurde als „politisch unzuverlässig“ eingestuft, da er unter Berufung auf geltendes Recht am 7. März 1933 verhindern wollte, dass die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus und dem Gewerkschaftshaus gehisst wurde. Die Hakenkreuzfahne galt nämlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell als Nationalfahne. Zudem wurde ihm vorgeworfen, dass er sich abschätzig über Adolf Hitler geäußert habe. Darüber hinaus wurde ihm zum Vorwurf gemacht, dass er in den Jahren vor 1933 die nationalsozialistische Bewegung vehement bekämpft haben soll. Die Goslarsche Zeitung berichtete ausführlich über diese Vorgänge und diskreditierte Ostheeren auf das Äußerste. Ostheeren, der zu diesem Zeitpunkt immer noch von der Rechtsstaatlichkeit überzeugt war, legte Widerspruch gegen seine Entlassung ein, was zu einer intensiven Untersuchung führte. Vernehmungsakten und Zeugenaussagen wurden akribisch dokumentiert – doch an seinem Schicksal änderte das nichts.

Die brutale Misshandlung

Am 29. Juli 1933 wurde Ostheeren zu einer Vernehmung ins Goslarer Rathaus bestellt. Doch was als Befragung begann, endete in einer brutalen Gewalttat. SA-Männer überfielen ihn, schlugen ihn zu Boden und traten auf ihn ein. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig beschrieb den Vorfall später in einem Bericht vom 31. August 1949:

„Vormittags wurde Ostheeren zu Vernehmungen auf das Rathaus bestellt. [...] Plötzlich stürzten 10-12 SA-Angehörige herein, packten Ostheeren und zogen ihn aus dem Zimmer über den Flur zur Treppe. Sie versuchten, ihn die Rathaustreppe hinunterzuwerfen, was ihnen jedoch nicht gelang, da Ostheeren sich an zwei der Angreifer festhielt. Der ganze Haufen wälzte sich daraufhin die Treppe hinunter. Ostheeren wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen, auf den Boden geworfen und mit Fußtritten misshandelt. Die Misshandlungen führten zu schwersten Verletzungen, die ihn bis zu seinem Tod ans Bett fesselten.“

„Gegen deren Hissung hätte sich niemand zu sträuben brauchen“: Am 8. März 1933 berichtet die GZ unter der Überschrift „Flaggenzwischenfälle in Goslar“ über das Aufziehen der Hakenkreuzfahne in Goslar durch junge Vienenburger SS-Leute und den Widerstand der Polizei.

„Gegen deren Hissung hätte sich niemand zu sträuben brauchen“: Am 8. März 1933 berichtet die GZ unter der Überschrift „Flaggenzwischenfälle in Goslar“ über das Aufziehen der Hakenkreuzfahne in Goslar durch junge Vienenburger SS-Leute und den Widerstand der Polizei. Foto: Stadtarchiv

In dieser Ermittlungsakte gab Ostheerens Kollege Kriminal-Obermeister Brenneisen zu Protokoll: „Als ich [...] von [Ostheerens] Misshandlung erfuhr, begab ich mich nach seiner Wohnung [...] und traf dann später mit [dem Goslarer Arzt] Dr. Brückmann zusammen, der mir erklärte, dass Polizeioberinspektor Ostheeren sehr schwer verletzt sei [...] und dass die Lebergegend stark angeschwollen und die Ursache auf den erhaltenen Fußtritt zurückzuführen sei. Später sagte mir Dr. Brückmann, dass [Ostheerens] Leberlappen losgetreten sei.“

Aus Angst vor weiteren Repressionen zog die Familie mit dem bettlägerigen Friedrich Ostheeren nach Halberstadt zurück, wo er kurze Zeit später am 17. April 1934 im Alter von 54 Jahren verstarb. Offiziell wurde damals Krebs als Todesursache angegeben. „In Goslar wird allgemein die Ansicht vertreten, dass Ostheeren an den Folgen der erlittenen Verletzungen verstorben ist“, gab 1949, im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens, der ehemalige Kriminalsekretär Kuhlmann zu Protokoll.

Ostheerens Kollege Brenneisen sagte aus: „Herr Ostheeren hat sich nicht mehr erholen können und ist an den Folgen der Misshandlung gestorben. [...] Wenn auch später die Ärzte ein angebliches Krebsleiden [vorschoben] – wahrscheinlich auf Weisung der NSDAP-Kreisleitung Goslar – durch die sowohl Dr. Brückmann wie auch die anderen Ärzte meines Erachtens beeinflusst worden sind, so dürfte dieses nicht zutreffend sein.“ Viele Zeitzeugen zweifelten daran, dass Ostheerens Tod ein natürlicher war – doch eine gerichtliche Aufarbeitung fand nie statt.

Fehlende Gerechtigkeit

Denn obwohl die Misshandlungen unbestritten waren, wurden die Ermittlungen gegen die Täter bereits 1934 eingestellt. Die Oberstaatsanwaltschaft Hildesheim begründete dies damit, dass Ostheerens Verletzungen nicht als Todesursache anerkannt wurden und die SA-Männer aus „Übereifer für den nationalsozialistischen Gedanken“ gehandelt und somit Straffreiheit genossen hätten.

Noch einmal herausgezogen und in groß: Friedrich Ostheeren ist der Polizist mit dem Säbel in der Hand.

Noch einmal herausgezogen und in groß: Friedrich Ostheeren ist der Polizist mit dem Säbel in der Hand. Foto: Stadtarchiv

Nach dem Krieg wurde der Fall 1945 erneut untersucht, jedoch gab es auch diesmal keine Verurteilung. Im Jahr 1949 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen endgültig ein, da die Hauptverdächtigen entweder nicht vernehmungsfähig waren oder sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden. Minna Ostheeren, die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) lebte, wurde 1946 als Hinterbliebene eines Opfers des Faschismus anerkannt. Zudem bewilligte die Stadt Goslar ihr eine Witwenrente.

Ein Symbol für politische Gewalt

Friedrich Ostheeren war kein Einzelfall. Sein Schicksal steht für die vielen Opfer, die im NS-Staat verfolgt, gequält und ermordet wurden. Es zeigt aber auch, wie schwierig es nach 1945 war, Gerechtigkeit für diese Opfer zu erlangen.

Es ist von großer Bedeutung, die Geschichte der Opfer zu erzählen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Die Erinnerung an Menschen wie Friedrich Ostheeren dient nicht nur der historischen Aufarbeitung, sondern auch als Mahnung für die Gegenwart. Durch das Bewahren der Erinnerung an diese Ereignisse soll gewährleistet werden, dass solche Verbrechen nicht erneut geschehen und dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde dauerhaft geschützt bleiben.

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