Erinnern an Nazi-Opfer: Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren
Die Goslarer Polizei posiert zum Gruppenfoto vor der Kaiserpfalz. Die Aufnahme aus dem Fundus des Goslarer Stadtarchivs datiert vermutlich aus dem Jahr 1928. Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren sitzt vorn in der Mitte mit Säbel. Foto: Stadtarchiv
Der Verein Spurensuche setzt am 25. Juni sieben weitere Stolpersteine zum Gedenken an Menschen, die in Goslar Opfer der Nazis geworden sind. Verein und GZ erinnern an diese Menschen. Oliver Turk berichtet über das Schicksal von Friedrich Ostheeren.
Goslar. Die Geschichte von Polizeioberinspektor Friedrich Ostheeren steht beispielhaft für die politische Verfolgung und Gewalt, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begann. Sein Fall zeigt, wie das NS-Regime gezielt unerwünschte Personen aus dem öffentlichen Dienst entfernte und mit brutalen Methoden zum Schweigen brachte.
Josef Schacker. Ingeburg Boeglen. Anna König. Johannes Jäger. Auguste Müller. Herrmann Kassebaum. Und Friedrich Ostheeren. Die Initiative Stolpersteine im Verein Spurensuche Harzregion setzt wie berichtet am 25. Juni sieben weitere Messingtafeln zum Gedenken an Menschen, die in Goslar Opfer des Nazi-Regimes geworden sind. Wie schon vor zwei Jahren, als an fünf Stellen der Innenstadt insgesamt 13 Stolpersteine platziert wurden, erinnern Verein und GZ vorab ausführlich an diese Menschen. In sechs Beiträgen stellen Autoren deren Leben und Leiden vor.
Oliver Turk Foto: Heine (Archiv)
Für dessen Stolperstein übernimmt die Polizeiinspektion Goslar die Patenschaft. Sie schreibt dazu: „Die Stolpersteine sind ein bedeutendes Symbol für das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie mahnen uns, die Werte der Freiheit und Demokratie hochzuhalten und die tragischen Ereignisse der Vergangenheit nie zu vergessen. Durch das Übernehmen der Patenschaft wird die Verpflichtung ausgedrückt, die demokratischen Werte zu schützen und zu verteidigen.“
Politische Verfolgung und Zwangsbeurlaubung
Unmittelbar nach der Machtübernahme wurde eine systematische Säuberung des öffentlichen Dienstes eingeleitet. Beamte, die als „politisch unzuverlässig“ galten, wurden aus ihren Ämtern gedrängt. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde am 7. April 1933 von der nationalsozialistischen Regierung erlassen. Es diente dazu, den öffentlichen Dienst im Sinne der NS-Ideologie umzugestalten und war ein wichtiger Schritt zur Errichtung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Politisch missliebige Beamte, insbesondere Kommunisten und Sozialdemokraten, sowie Personen jüdischer Herkunft wurden aus dem Staatsdienst entfernt. Das Gesetz trug entscheidend zur Gleichschaltung und Festigung der diktatorischen Herrschaft bei.

Zentral untergebracht: Die Aufnahme zeigt das Polizei-Büro an der Marktstraße. Heute ist dort das Hotel „Alte Münze“. Foto: Stadtarchiv
Die brutale Misshandlung
Am 29. Juli 1933 wurde Ostheeren zu einer Vernehmung ins Goslarer Rathaus bestellt. Doch was als Befragung begann, endete in einer brutalen Gewalttat. SA-Männer überfielen ihn, schlugen ihn zu Boden und traten auf ihn ein. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig beschrieb den Vorfall später in einem Bericht vom 31. August 1949:
„Vormittags wurde Ostheeren zu Vernehmungen auf das Rathaus bestellt. [...] Plötzlich stürzten 10-12 SA-Angehörige herein, packten Ostheeren und zogen ihn aus dem Zimmer über den Flur zur Treppe. Sie versuchten, ihn die Rathaustreppe hinunterzuwerfen, was ihnen jedoch nicht gelang, da Ostheeren sich an zwei der Angreifer festhielt. Der ganze Haufen wälzte sich daraufhin die Treppe hinunter. Ostheeren wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen, auf den Boden geworfen und mit Fußtritten misshandelt. Die Misshandlungen führten zu schwersten Verletzungen, die ihn bis zu seinem Tod ans Bett fesselten.“

„Gegen deren Hissung hätte sich niemand zu sträuben brauchen“: Am 8. März 1933 berichtet die GZ unter der Überschrift „Flaggenzwischenfälle in Goslar“ über das Aufziehen der Hakenkreuzfahne in Goslar durch junge Vienenburger SS-Leute und den Widerstand der Polizei. Foto: Stadtarchiv
Aus Angst vor weiteren Repressionen zog die Familie mit dem bettlägerigen Friedrich Ostheeren nach Halberstadt zurück, wo er kurze Zeit später am 17. April 1934 im Alter von 54 Jahren verstarb. Offiziell wurde damals Krebs als Todesursache angegeben. „In Goslar wird allgemein die Ansicht vertreten, dass Ostheeren an den Folgen der erlittenen Verletzungen verstorben ist“, gab 1949, im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens, der ehemalige Kriminalsekretär Kuhlmann zu Protokoll.
Ostheerens Kollege Brenneisen sagte aus: „Herr Ostheeren hat sich nicht mehr erholen können und ist an den Folgen der Misshandlung gestorben. [...] Wenn auch später die Ärzte ein angebliches Krebsleiden [vorschoben] – wahrscheinlich auf Weisung der NSDAP-Kreisleitung Goslar – durch die sowohl Dr. Brückmann wie auch die anderen Ärzte meines Erachtens beeinflusst worden sind, so dürfte dieses nicht zutreffend sein.“ Viele Zeitzeugen zweifelten daran, dass Ostheerens Tod ein natürlicher war – doch eine gerichtliche Aufarbeitung fand nie statt.
Fehlende Gerechtigkeit
Denn obwohl die Misshandlungen unbestritten waren, wurden die Ermittlungen gegen die Täter bereits 1934 eingestellt. Die Oberstaatsanwaltschaft Hildesheim begründete dies damit, dass Ostheerens Verletzungen nicht als Todesursache anerkannt wurden und die SA-Männer aus „Übereifer für den nationalsozialistischen Gedanken“ gehandelt und somit Straffreiheit genossen hätten.

Noch einmal herausgezogen und in groß: Friedrich Ostheeren ist der Polizist mit dem Säbel in der Hand. Foto: Stadtarchiv
Ein Symbol für politische Gewalt
Friedrich Ostheeren war kein Einzelfall. Sein Schicksal steht für die vielen Opfer, die im NS-Staat verfolgt, gequält und ermordet wurden. Es zeigt aber auch, wie schwierig es nach 1945 war, Gerechtigkeit für diese Opfer zu erlangen.
Es ist von großer Bedeutung, die Geschichte der Opfer zu erzählen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Die Erinnerung an Menschen wie Friedrich Ostheeren dient nicht nur der historischen Aufarbeitung, sondern auch als Mahnung für die Gegenwart. Durch das Bewahren der Erinnerung an diese Ereignisse soll gewährleistet werden, dass solche Verbrechen nicht erneut geschehen und dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde dauerhaft geschützt bleiben.
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