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Überraschender Fund in England

GZ Plus IconNiemand geht verloren: Neue Spur von Goslarer Jüdin Lucy Lebach

Vier Porträtfotos mit den Namen Helene Lebach, Ernst Lebach, Lucie Lebach und Kurt Lebach auf Pflastersteinen, umgeben von weißen Rosen.

Goslarer, die zur Nazi-Zeit unter Goslarern zu leiden hatten: Vor dem Güldensternhaus auf der Rosentorstraße erinnern seit Ende Juni 2023 fünf Stolpersteine an das Schicksal der jüdischen Familie Lebach – Helene, Alfred, Ernst, Lucie und Kurt. Foto: Heine (Archiv)

Die Stolperstein-Initiative hat ihrer Familie 2023 ein kleines Denkmal gesetzt. Jetzt ist ein berührendes Dokument von 1938 zur Goslarer Jüdin Lucy Lebach aufgetaucht.

Von Dr. Stefan Cramer Samstag, 13.12.2025, 15:00 Uhr
Manchmal schreibt der Zufall die bewegendsten Kapitel der Geschichte. So wie bei Lucie „Lucy“ Lebach, der einzigen Überlebenden der jüdischen Kaufmannsfamilie Lebach aus dem früheren Güldensternhaus an der Rosentorstraße mit der Nummer 31. Fast die ganze Familie wurde im Holocaust ermordet – nur die 1900 geborene Tochter Lucie konnte Anfang 1939 nach England fliehen. Ihre Spur schien lange verloren, bis die Stolperstein-Initiative im Verein Spurensuche Harzregion sie über britische Archive als Krankenschwester Lucy Helen Frank in Leeds und Bradford wiederentdeckte.

Berührende Ergänzung

Nun gibt es eine unerwartete, berührende Ergänzung dieser Lebensgeschichte: Vor wenigen Wochen erhielt die Initiative völlig überraschend per E-Mail Lucies Personalpapiere vom Dezember 1938, ausgestellt kurz nach der Reichspogromnacht und kurz vor ihrer Ausreise nach England. Die Unterlagen stammen aus dem Nachlass eines älteren Herrn, der für die britische Barclays Bank Filialen und Konten auflöste – vermutlich war er einst Lucies Bankberater in Leeds.
Junge Frau mit zurückgekämmtem Haar und Hemd mit Schleife am Kragen vor unscharfem Hintergrund.

Die Aufnahme zeigt Lucie Lebach im Dezember 1938 in Goslar. Foto: Privat

Gesicht wiedererkannt

Seine Tochter, Louisa Teece, lebt heute auf der Isle of Man. Sie stieß 2023 in der englischen Regionalzeitung „Telegraph and Argus“ auf den Stolpersteine-Artikel über Lucy Lebach – und erkannte auf Anhieb das Gesicht der Frau wieder, deren Dokumente ihr Vater Jahrzehnte zuvor sorgsam aufbewahrt hatte. Teece nahm Kontakt nach Goslar auf und schickte Abbildungen der Unterlagen. Ein Zufall, der kaum zu glauben ist: Eine Goslarer Jüdin, die 1939 vor staatlicher Verfolgung flieht, taucht 80 Jahre später in einer englischen Zeitung wieder auf – und genau dadurch finden ihre Papiere den Weg zurück in ihre Heimatstadt.

Krankenschwester in England

Die Dokumente zeigen Lucie Lebach in einem Augenblick größter Unsicherheit: entrechtet als Jüdin im Deutschen Reich, auf dem Sprung in ein unbekanntes Leben im Exil. Gleichzeitig schlagen sie eine Brücke zu ihrem Alltag im Nachkriegseuropa, in dem sie in England als Krankenschwester arbeitete, sich einer Gemeinde anschloss und für viele Menschen zu einer wichtigen Bezugsperson wurde. Zur Verlegung der Stolpersteine für die Familie Lebach reisten 2024 auch Ray Baxter und seine Schwester Rita aus Bradford nach Goslar. Ihre Familie hatte Lucie Lebach, die sich dann in Lucy Frank umbenannte, Halt und Heimat gegeben. Das Geschwisterpaar konnte sich noch gut an „Auntie Lucy“ erinnern und hatte sogar Klavierunterricht von ihr erhalten.

Verhandlungen laufen

Zurzeit verhandelt die Initiative mit Louisa Teece darüber, wie dieses Zeitdokument in das Stadtarchiv Goslar überführt werden kann. Dort soll es künftig öffentlich zugänglich sein und an Lucie Lebach erinnern, deren Lebensweg lehrt: Niemand geht verloren, solange wir weitersuchen, fragen – und zufällige Funde ernst nehmen.

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