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GZ Plus IconDarum braucht Bad Harzburgs Luchsgehege ausgerechnet Rikki aus Kiew

Luchsin Rikki ist für vier Wochen in Quarantäne in der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen, bevor sie in das große Freigehege des Nationalparks an der Rabenklippe einzieht.

Luchsin Rikki ist für vier Wochen in Quarantäne in der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen, bevor sie in das große Freigehege des Nationalparks an der Rabenklippe einzieht. Foto: Artenschutzstation Sachsenhagen

Die Luchsdame Rikki aus der Ukraine ist endlich in Deutschland angekommen. In wenigen Wochen soll sie in Bad Harzburg ihren neuen Zuchtpartner kennenlernen. Aber wieso fiel die Wahl eigentlich ausgerechnet auf sie?

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Von Robin Raksch
Mittwoch, 08.10.2025, 18:00 Uhr

Bad Harzburg. Nach mehr als einem Jahr des Planens und Wartens ist das Zuchtluchspaar des Nationalparks Harz jetzt fast vereint: Luchsdame Rikki aus der Ukraine ist in Deutschland angekommen und wird nach einer vierwöchigen Quarantäne in Sachsenhagen zu ihrem zukünftigen Partner im Freigehege an der Rabenklippe ziehen. Aber warum eigentlich gerade sie?

Die sieben Jahre alte Luchsin aus dem Zoo Kiew in der ukrainischen Hauptstadt wird im Harz schon sehnlich erwartet. Denn im Freigehege an der Rabenklippe soll sie künftig im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) für Nachwuchs sorgen.

Ziel ist es, die genetische Vielfalt der bedrohten Tierart zu sichern. Denn wilde Luchspopulationen in Europa seien aktuell weitestgehend voneinander isoliert, sagt Ole Anders, Luchsexperte der Harzer Nationalparkverwaltung, im GZ-Gespräch. In einigen Gruppen gebe es bereits gravierende Probleme mit den Folgen von Inzucht. Im Harz sei das aber weniger der Fall, die Population mit etwa 150 Tieren im und um das Mittelgebirge herum sei genetisch recht vielfältig. Die künftigen Jungtiere von Luchsdame Rikki sollen daher vornehmlich frisches Erbgut in andere europäische Gebiete einbringen.

Verfügbare Weibchen sind selten

Für eine koordinierte Wiederansiedlung stellt der Verband EAZA anhand genetischer Kriterien geeignete Zuchtpaare zusammen. Und ein solches Zuchtpaar sind auch Rikki und ihr zukünftiger Partner. Dieser war bereits im August aus der Schweiz eingetroffen (die GZ berichtete).

„Auf dem Papier passen die beiden Tiere genetisch gut zusammen“, erklärt Anders. Die Vorgaben: Es solle eine Unterarten-reine Zuchtlinie mit einem niedrigen Inzuchtgrad entstehen. Doch es sei alles andere als einfach, ein Zuchtpaar zu bilden: „Weibchen sind im EEP extrem selten, fast alle sind in anderen Paaren gebunden“, weiß der Harzer Luchsexperte. So sei es schon großes Glück gewesen, dass überhaupt eine passende Luchsin für den Harz zur Verfügung stand.
Rikkis künftiger Zuchtpartner aus der Schweiz wartet seit August im Rabenklippengehege auf sie.

Rikkis künftiger Zuchtpartner aus der Schweiz wartet seit August im Rabenklippengehege auf sie. Foto: Anders

„Wir haben Kontakt mit dem Zoo in Kiew aufgenommen und dort war man sofort einverstanden mit einer internationalen Kooperation“, sagt er. Den Verantwortlichen in der Ukraine sei es trotz der schwierigen und belastenden Bedingungen aufgrund des Krieges wichtig gewesen, am europäischen Artenschutzprojekt teilzunehmen.

Hilfe aus der Politik

Der Transport brachte allerdings so seine Probleme mit sich: Die Zuchtempfehlung für die ukrainische Luchsin hatte die Zuchtbuchführerin bereits am 3. September 2024 ausgestellt, also vor mehr als einem Jahr – so viel Zeit nahm die Vorbereitung des Transports letztendlich in Anspruch. Zunächst hatte der Nationalpark aufgrund des Kriegs keinen geeigneten Transporteur für das Tier finden können. „Ein Lufttransport war aufgrund der Kriegssituation unmöglich, der Transport auf dem Landweg war sehr schwer zu organisieren“, berichtet Anders. Zudem mussten bürokratische Hürden überwunden und Dokumente besorgt werden.

Als der Abholtermin näher rückte und wichtige Papiere noch nicht vorlagen, habe das Team des Harzer Luchsprojektes Unterstützung von der ehemaligen EU-Abgeordneten Viola von Cramon erhalten, heißt es in einer Mitteilung des Nationalparks. Sie habe in der Ukraine direkt beim zuständigen Minister um Unterstützung für das Artenschutz-Vorhaben gebeten und so dafür gesorgt, dass die entscheidenden Schriftstücke kurzfristig ausgestellt wurden.

Bei den Grenzübertritten zwischen der Ukraine, Polen und der Bundesrepublik sei es auf der letzten Etappe der Reise noch einmal zu langen Verzögerungen gekommen. Wegen Problemen und sprachlichen Schwierigkeiten bei der Zollabfertigung seien stundenlang Telefonate, E-Mails und Messenger-Nachrichten zwischen der holländischen Transportfirma Crossborder Animal Services, dem Zoo in Kiew, Ole Anders, den Grenzbehörden und dem zuständigen deutschen Veterinäramt hin und her gegangen.

Endlich angekommen

Tierpfleger Paul Bridge unterstützt das Zuchtprogramm am Luchsgehege mit seiner Expertise.

Tierpfleger Paul Bridge unterstützt das Zuchtprogramm am Luchsgehege mit seiner Expertise. Foto: Baumgartner

Und schließlich habe Anders dann die erlösende Nachricht erhalten, dass Luchsin Rikki nach ihrer dreitägigen Reise von Kiew über Polen nach Deutschland wohlbehalten und topfit in Sachsenhagen eingetroffen sei. „Ich bin darüber mehr als erleichtert. Das war eine nervenaufreibende Zeit“, sagt der Luchs-Experte.

Nach ihrer Quarantäne in Sachsenhagen wird sie im Harz zur Eingewöhnung zunächst in einem Kleingehege untergebracht, zunächst durch einen Zaun von ihrem zukünftigen Partner getrennt. „Zum Beschnuppern“, sagt Anders. „Wenn sie sich vertragen, kommen sie in ein gemeinsames Gehege.“ Dann heißt es abwarten. Paarungszeit ist bei den Luchsen im Frühjahr.

Für die Zucht erhält das Team nun Unterstützung vom Fachmann und Tierpfleger Paul Bridge (die GZ berichtete). Er war zuvor im Zoo Osnabrück beschäftigt und hat dort unter anderem mit Raubtieren wie Hyänen und Vielfraßen gearbeitet.

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