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Lesen für die Völkerverständigung

GZ Plus IconReise gibt Antworten darauf, wie die USA und Deutschland ticken

Goethe blickt ihnen über die Schultern: Die beiden deutschen Literaturstudenten Iven Yorick Fenker und Sonali Beher treten in New York (hier: die öffentliche Bibliothek des Instituts) ihre gemeinsame Lesereise fürs Goethe-Institut entlang der Ostküste der USA an.

Goethe blickt ihnen über die Schultern: Die beiden deutschen Literaturstudenten Iven Yorick Fenker und Sonali Beher treten in New York (hier: die öffentliche Bibliothek des Instituts) ihre gemeinsame Lesereise fürs Goethe-Institut entlang der Ostküste der USA an. Foto: Baran

Sie lesen und diskutieren in Bibliotheken, Universitäten, Pizzerien und anderen Locations über Deutschland, die USA und die Gemeinsamkeiten: Iven Yorick Fenker aus Goslar und seine Kommilitonin Sonali Beher, beide studieren in Leipzig Literatur.

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Von Sabine Kempfer
Montag, 29.09.2025, 19:45 Uhr

New York/Goslar.. „Mission Völkerverständigung“, so könnte man die Reise eines jungen Goslarers betiteln, der gerade für das Goethe-Institut die Ostküste der USA entlang fährt: Iven Yorick Fenker. Im vergangenen Herbst las er zusammen mit der Worwerkerin Jonë Zhitia auf Einladung der Goslarschen Höfe Texte, die das Thema Aufwachsen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten.

Der gebürtige Goslarer, Jahrgang 1994, beschäftigte sich darin mit dem Aufwachsen im Harz und den damit verbundenen Fragen von Männlichkeit und Nationalismus. Fenker, der in Immenrode aufwuchs und sich als freier Autor und Theaterkritiker bereits seine Meriten erworben hat, arbeitet für den Newsdesk der „Zeit“, wohnt in Berlin und studiert „Literarisches Schreiben“ am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Dort warf er bei der Ausschreibung der Lesereise vom Goethe-Institut seinen Hut in den Ring. Seine Texte überzeugten, ebenso die seiner Kommilitonin Sonali Beher. Beide sind für einen Monat fürs Goethe-Institut auf Lesereise – Start war am 7. September in New York, von dort geht es über Florida bis Texas – Endstation ist am 7. Oktober Houston.

New York hat auch ihn gepackt: Iven Yorick Fenker beim Joggen auf der Brooklyn-Bridge, einem der beliebtesten Fotomotive in der Metropole.

New York hat auch ihn gepackt: Iven Yorick Fenker beim Joggen auf der Brooklyn-Bridge, einem der beliebtesten Fotomotive in der Metropole. Foto: Privat

„Among Friends – Unter Freunden“ lautet der Titel der Kampagne, die gerade in dieser Zeit, in der viele Menschen in Deutschland und den USA auf Abstand voneinander gehen, miteinander ins Gespräch bringen soll – und, soviel kann man schon sagen, das auch tut. „Ziel dieser außergewöhnlichen Reise (mit Bus und Bahn) ist es, die transatlantische Partnerschaft für eine neue Generation erlebbar zu machen und den literarischen Austausch zwischen Deutschland und den USA zu stärken“, erläutert das Goethe-Institut, das Lesungen, Diskussionen und Gespräche an unterschiedlichsten Orten organisiert hat, in Buchhandlungen, Schulen und Bibliotheken, aber beispielsweise in Washington auch mal in einer Pizzeria.

Goslar-Treffen in New York

In New York (Fenker war beim wiederholten Besuch der Metropole „gespannt, in was für einer Welt ich landen werde“) traf der Goslarer auf eine Goslarerin: Annette Baran, ehemalige GZ-Redakteurin, moderierte fürs Goethe-Institut online eine literarische Gesprächsrunde. Dabei rückte auch die Situation in Deutschland in den Fokus; die jungen Autoren wurden unter anderem gebeten, etwas über den wahrnehmbaren Rechtsruck in der Gesellschaft zu sagen. Abgesehen von Lesungen und Diskussionen berichten beide Literaturstudenten während ihrer Reise in Form von Notizen, ausführlichen Texten und Bildmaterial über ihre Eindrücke und Erlebnisse bei Instagram und auf der Homepage des Goethe-Instituts Washington. Betreut wird das Projekt „Unterwegs“ von Tatjana Brode vom Goethe-Institut, Schirmherrin ist Prof. Dr. Ulrike Draesner, Leiterin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig.

Treffen in New York (v.li.): Sonali Beher, Dr. Jörg Schumacher, Juliane Camfield (NY Universität), Iven Yorick Fenker, Übersetzerin Liz Lauffer und Dean Whiteside (Bibliotheks- und Informationsprojektmanager am Goethe-Institut NY) tauschen sich im Goethe-Institut aus.

Treffen in New York (v.li.): Sonali Beher, Dr. Jörg Schumacher, Juliane Camfield (NY Universität), Iven Yorick Fenker, Übersetzerin Liz Lauffer und Dean Whiteside (Bibliotheks- und Informationsprojektmanager am Goethe-Institut NY) tauschen sich im Goethe-Institut aus. Foto: Privat

Der Aufenthalt in New York begann mit einem nicht öffentlichen „Literaturlunch“, zu dem ausgewählte Literaturexperten, Übersetzer, Verleger und Festivalorganisatoren eingeladen waren, berichtet Annette Baran: „Nach einer kurzen Vorstellung vonseiten Dr. Jörg Schumachers, Institutsleiter des Goethe-Instituts New York, bekräftigte Iven Yorick Fenker, der 2012 sein Abitur am CvD-Gymnasium in Goslar gemacht hatte, wie sehr er sich auf das amerikanische Publikum freue, besonders auf die Art, wie Amerikaner und Amerikanerinnen seiner Erfahrung nach diskutieren. „Ich bin sehr gespannt auf den weiteren Austausch, gerade in diesen Zeiten“, versichert der 31-Jährige.

Eine Literatur-Auszug

Über seine ersten Eindrücke beim wiederholten Besuch New Yorks schreibt Fenker: „Es liegen ausrangierte Autos neben dem Gleisbett, Hügel aus altem Blech ziehen vorbei: verbeult, ausgenutzt, abgelegt. Der Amtrack-Train hat die unter der Erde gelegene Pennsylvania-Station in Manhattan verlassen, ist unter dem Wasser des Hudson Rivers entlang und in New Jersey aus der Erde wieder aufgetaucht. Penn-Station nach Pennsylvania. Unter Stahlbetonsäulen, unter fließendem Gewässer, unter begehrter Erde hindurch, auf Schienen, die in ihrem Zustand den deutschen nicht nachstehen. Viel Rost auf einmal hier.

Die Sitze im Waggon sind komfortabel, gepolstert, breit. Draußen ist nicht viel zu sehen, nur die sich im Untergang oder Aufgang befindende US-amerikanische Industrie. Verfall ist ebenso sichtbar wie Innovationspotential. Marktliberaler Traum für viele, spätkapitalistischer Alptraum für ebenso zahlreiche, denen die Zahlkraft fehlt oder auszugehen droht. Die Infrastruktur ist fragil im sogenannten Land der sogenannten Freiheit. Ab- und Aufschwung sind sich nah wie Geschwister. Aber natürlich gibt es auch Geschichten der Entfremdung, wie in vielen Familien. (...) Familien sind schwierig und schön. Aber am besten ist es, wenn man sie sich aussucht. Ich habe mich für Berlin entschieden, aber ich will New York jetzt jedes Jahr mindestens einmal besuchen. Familie muss man besuchen, solange man noch kann. Wir werden alle älter.“

Über Familien

Apropos Familie: Iven Yorick Fenker ist einer von zwei Söhnen von Carmen Thyzel-Fenker und Holger Fenker, und das sieht man. Bruder Jascha (30) lebt als Architekt in Berlin. Der Vater ist in Goslar bekannt als ehemaliger Stadtjugendpfleger, als Kreisjugendpfleger, Bürgermeisterkandidat für die Grünen und Mitglied des Altstadttheaters Hornburg – eine künstlerische Ader ist ihm also auch nicht abzusprechen. Die Lesereise ihres Sohnes Iven verfolgen Fenkers auch über Sozial-Media: Holger Fenker hat sich extra einen Instagram-Account zugelegt und war auch schon bei einer Zoom-Veranstaltung dabei; weitere Infos und Fotos werden in der Familien-Signal-Gruppe ausgetauscht. Klar sei er stolz auf Iven, sagt Holger Fenker, auch wenn er persönlich das Wort nicht so mag, schließlich sei es Ivens Leistung und nicht seine. Klassische Elternbedenken, dass das, was er mache, „nichts Handfestes“ sei, sind längst vom Tisch. „Er wird seinen Weg machen“, ist Holger Fenker überzeugt. „Ich freue mich für ihn!“

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