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Ausverkauftes Konzert am Rammelsberg

GZ Plus IconHeinz Rudolf Kunze präsentiert in Goslar ein intensives Solo

Hein Rudolf Kunze sitzt auf der Bühne mit Gitarre und singt ins Mikrofon.

„Nimm mit mir vorlieb“ singt Heinz Rudolf Kunze, für den das Älterwerden viel mit Zettelkästen zu tun hat. Foto: Gleisberg

„Dein ist mein ganzes Herz“ war nur der Anfang: Was alles in dem Denker und schnörkellosen Poeten mit der markanten Stimme steckt, erleben 400 Zuhörer in der Schlosserei.

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Von Sabine Kempfer
Freitag, 21.11.2025, 18:00 Uhr
Heinz Rudolf Kunze. Kleinster gemeinsamer Nenner aller, die den Namen schon mal gehört haben: „Dein ist mein ganzes Herz“. Kunzes Super-Hit aus dem Jahr 1985. Immer noch ein zentrales Stück seines Werks, das so riesig ist wie die Riesen, die er darin beschreibt; ein Ankerstück und Türöffner für ein Œuvre, das mehr als 500 Lieder umfasst und noch viel mehr Texte. Sie transportieren auf authentische Art und Weise die Lebensanschauung eines facettenreichen Humanisten mit Ecken und Kanten, der auch schon mal singt: „Ich bin so unbeliebt – tut mir leid, dass es mich gibt.“

Das Konzert am Rammelsberg, nach Joachim Witt am Mittwoch das zweite „Glückauf-Konzert“ in der alten Schlosserei, war seit langem ausverkauft und als einziges der Vierer-Folge bestuhlt. Wen der Sitzwunsch wunderte, der wusste hinterher, was damit bezweckt wurde. Das Solo-Konzert des Rocksängers und Liedermachers aus Ostwestfalen, der heute nördlich von Hannover lebt, hatte die Qualität eines Wohnzimmerkonzerts mit 400 Gästen. Trotz der Größe des Publikums blieb es intim, Kunze der Alleinunterhalter – mal plaudernd und rezitierend, mal an der Gitarre, dann wieder am Piano. Ein Live-Konzert mit Kabarett-Qualitäten, denn sowohl in seinen Liedern als auch in seinen Texten hat der 68-Jährige („Nimm mit mir vorlieb“) viel zu sagen – und in der Schlosserei ein Publikum, das ihm zuhörte, sogar, wenn es lyrisch wurde.

Mit einer humorvollen Selbstbeschreibung enterte er die Bühne, noch ohne grünen, noch ohne grauen – „Ich allein bin hier der Star“. Mitdenken war angesagt.
Die rot-blau beleuchtete Bühne mit Heinz Rudolf Kunze, der mit Gitarre in der Mitte sitzt und singt.

Ein Poet vor gigantischer Licht- und Formenkulisse in der Schlosserei am Rammelsberg. Foto: Gleisberg

Zwischen Makro- und Mikrokosmos

Nach der Beschreibung des eigenen Zustands folgt der Zustand der Welt; der Mann in Sakko mit typischem, um den Hals geschlungenen Schal spricht und singt darüber, dass alles „immer beschissener, die Liebe immer verbissener“ werde: „Die Güte wird immer entbehrlicher, die Straßen werden immer gefährlicher.“ Zwischen Makro- und Mikrokosmos pendelt der nach eigener Aussage Sprachverliebte hin und her; entweder sorgt er sich um den Zustand von Land und Welt, oder er besingt die Liebe, die ein Hauptthema geblieben ist: „Etwas Besseres als Du ist mir niemals passiert.“ Irgendwie schafft er es, dass das bei ihm immer echt klingt, nie gefühlsduselig wird. Vielleicht liegt es an der direkten Art, die Härte und Weichheit verbindet und nie den Humor vergisst, am liebsten in Form einer „lustigen Boshaftigkeit“, von der es viel zu wenig gebe.
Heinz Rudolf Kunze steht auf der Bühne, während ihm das Publikum applaudiert.

Am Ende ist der Star gerührt: Die Fans stehen auf und beklatschen Heinz Rudolf Kunze. Foto: Gleisberg

Stets reflektiert „HRK“ sich und seine Texte, singt ein Lied über „die ganz normalen Menschen mit einem ganz normalen Leben, ganz normalen Wünschen und bescheidenen Zielen“ und entschuldigt sich dafür, dass er 35 seiner bisher 44 Bühnen-Jahre gebraucht habe, um ein Lied über diejenigen zu schreiben, ohne die nichts gehe.

Medleys für textsichere Fans

Altwerden ist bekanntlich nichts für Feiglinge. Kunzes Variante lautet: „Altwerden ist was für Zettelkästen.“ Sagt’s und singt „Ich geh‘ meine eigenen Wege“, schließt ein Medley an; zu kurz ist ein Abend, um dem hungrigen Publikum eine annähernd ausreichende Auswahl seiner Songs in ganzer Länge zu präsentieren. Viele Fans sind textsicher: „Glück gibt’s nicht im Sommerschlussverkauf – leg nicht auf.“ Da ist er wieder, der unvergleichliche Heinz-Rudolf-Kunze-Sound, die unverwechselbare Stimme. Ebenso witzig anmoderiert wie gekonnt gespielt der Mundharmonika-Einsatz bei „Aller Herren Länder“, ein Lied, das die (un-)menschliche Seite der Flüchtlingskrise thematisiert. Demokratie 2025? „Durchgefallen“, findet der politische Künstler und warnt davor, dass es mehr braucht als eine Ehrenrunde, um das verfehlte Klassenziel zu erreichen. Bei den Gedanken über den Zustand der Gesellschaft kommt Kunze zur Sinnkrise des Fernsehens. „Wir haben alles gesehen“, sagt er, sämtliche Tabus seien gebrochen, was jetzt noch bleibe, seien Menschen beim Ausscheiden – was sicher noch komme. Vielleicht unter dem Titel „Ach Du Scheiße“, moderiert von Uri(n) Geller – Kunze meldet seine Rechte darauf an.

Er lässt sein Publikum am Ende nicht ohne ganzes Herz gehen, lässt das Publikum den Refrain singen, singt noch von Lola und Mabel und gibt den 400 Zuhörern neben einigen Denkanstößen auch Hoffnung mit auf den (Lebens-)Weg: „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort.“

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