Harz-Classix-Festival: Zum Abschluss fließen sogar einige Tränen
Das Signum Saxophone Quartet und die Akkordeonistin Ksenija Sidorova ziehen das Publikum gleich von Beginn an in ihren Bann. Foto: Neuendorf
Zum Abschluss des Harz-Classix-Festivals in Clausthal-Zellerfeld entlockten eine Weltklasse-Akkordeonistin und ein Saxofon-Quartett ihren Instrumenten unerwartete Töne.
Clausthal-Zellerfeld. Versprechen eingehalten: Prof. Thomas Hanschke kündigte als Vorsitzender des Beirats ein „musikalisches Feuerwerk“ für das Abschlusskonzert des Harz-Classix-Festivals an – und genau das bekamen die Besucherinnen und Besucher zu hören. Die Weltklasse-Akkordeonistin Ksenija Sidorova und das Signum Saxophone Quartet zeigten eindrucksvoll, wie viele ungeahnte Klangfacetten in ihren Instrumenten verborgen sind und mit welcher Leichtigkeit sie diese zum Vorschein brachten.
Workshop mit einem Beatboxer
Wie ein Klassik-Festival auch für junge Menschen attraktiv wird
Sidorova versprach am Anfang, dass so manches Stück vertraut klingen würde. Schon mit Bachs „Toccata und Fuge in d-Moll (BWV 565)“, dem wohl bekanntesten Orgelwerk der europäischen Musikgeschichte, lösten die fünf Musiker ein „Ach ja, das kenne ich“ aus. Das markante Eingangsmotiv breitete sich im Pulverhaus der Firma Sympatec kraftvoll aus. Rund 350 Zuhörerinnen und Zuhörer füllten den außergewöhnlichen Konzertsaal.
Hoher Schwierigkeitsgrad der Werke
Auch der weitere Programmverlauf war alles andere als beliebig. Das Signum Saxophone Quartet – Michal Knot (Sopran), Jacopo Taddei (Alt), Alan Lužar (Tenor) und Edoardo Zotti (Bariton) – brachte gemeinsam mit der Akkordeonistin die farbenreiche „Petruschka“-Suite von Igor Strawinsky mit beeindruckender Präzision und Energie zum Klingen. Die tragische Geschichte der drei Jahrmarktspuppen, die in Eifersucht und Verzweiflung endet, spiegelte sich im intensiven und pointierten Spiel der Musiker wider. Sie meisterten das schwierige Werk mit Bravour.

Akkordeonistin Ksenija Sidorova ist eine wahre Meisterin ihres Instruments. Foto: Neuendorf
Nach der Pause folgte mit „Revelation“ von Sergey Voytenko eines der wenigen Originalwerke für Akkordeon. Hier zeigte Sidorova, warum sie zu den führenden Virtuosinnen ihres Fachs zählt: In perfekter Kontrolle über Balg und Register entlockte sie ihrem Instrument Töne, die unter die Haut gingen. Viele im Publikum schlossen die Augen, um diesen Moment ganz für sich zu genießen. Manch einer wischte sich gerührt eine Träne aus dem Gesicht.
Einladung zum Mittanzen
Anschließend lud das Saxofonquartett mit „Pequeña Czarda“ von Pedro Iturralde zum Mittanzen ein. Die Musiker auf der Bühne standen selbst kaum still und steckten mit ihrer Spiel- und Lebensfreude das Publikum an. Auch wenn von den Besuchern niemand aufstand, wippte fast der halbe Saal im Takt mit.

Familie Röthele (Sympatec) verfolgt das abwechslungsreiche Treiben auf der Bühne von der ersten Reihe aus. Foto: Neuendorf
Dass das Programm insgesamt eine enorme technische Herausforderung war, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass viele Werke ursprünglich für völlig andere Besetzungen geschrieben wurden. „On the Nature of Daylight“ von Max Richter, „Danzón Nr. 2“ von Arturo Márquez oder „Vayamos al Diablo“ von Astor Piazzolla hatte Peter Wesenauer so kunstvoll arrangiert, dass Saxofon und Akkordeon zu einer Einheit verschmolzen. Durch die vier unterschiedlichen Saxofonstimmen wirkten manche Passagen fast so, als stünden zusätzliche Instrumente auf der Bühne.
Was zunächst wie eine ungewöhnliche Kombination wirkte, überzeugte am Ende auf ganzer Linie. „Mal was anderes“, sagten viele Besucher in der Pause, und das stets mit einem sehr positiven Unterton. Dass die fünf Künstler absolute Meister ihres Fachs sind, stand dabei für niemanden zur Debatte.
Der künstlerische Kurator Prof. Hans-Christian Wille zeigte sich sichtlich stolz, mit dieser Programmidee dem Zeitgeist ein Stück voraus gewesen zu sein: Denn passenderweise wird das Akkordeon 2026 Instrument des Jahres.
Werkstattgespräch am Vortag
Wie sehr der Weltklasse-Akkordeonistin Ksenija Sidorova ihr Instrument am Herzen liegt, wurde bereits auf der Autofahrt von Berlin deutlich. Ulrich Windaus, Vorsitzender des Harz-Classix-Festivals, holte sie vom Flughafen ab. Die Lettin war aus Catania angereist, und ihr Akkordeon durfte ausschließlich auf der Rücksitzbank Platz nehmen. Hohe Temperaturschwankungen im Kofferraum wären schädlich. Zum Abschlusskonzert sollte schließlich alles glattlaufen. Einen Tag vorher stand noch das Werkstattgespräch an, bei dem die Künstler und Organisatoren aus dem Nähkästchen plauderten.
Klassik-Musikfestival
Mit Star-Geiger und Radio-Aufzeichnung: Harz-Classix hat begonnen
Auf der Fahrt in den Oberharz ging es über die deutsche Autobahn, die Sidorova nach eigener Aussage sehr liebte. Während es Windaus aufgrund des teuren Instruments etwas mulmig war, stark zu beschleunigen, nahm sie es gelassen. Dabei erzählte sie von ihren drei Kindern, die im selben Alter sind wie Windaus‘ Enkel, und von ihren letzten Auftritten auf den großen Bühnen der Welt, darunter auch die bekannte Carnegie Hall in New York.
Vom Glanz der internationalen Metropolen führte der Weg nun in den winterlichen Oberharz, wo sie gemeinsam mit dem Signum Saxophone Quartet auftrat. Die vier Saxofonspieler reisten selbst mit dem Auto aus Leverkusen an. Für die Fahrt waren sie vorher genau gebrieft: „Winterreifen sind Pflicht“. Mittlerweile lebten sie aber so lange in Deutschland, dass sie sich selbst pflichtbewusst an die Regeln halten, sagten sie augenzwinkernd.
Mehr Resonanz erwartet
Keine 20 Besucher hatten den Weg zum Werkstattgespräch gefunden. Prof. Hans-Christian Wille, künstlerischer Kurator des Festivals, fand das schade. Die Gelegenheit, Künstlern und Organisatoren in solch einer exklusiven Runde direkt Fragen zu stellen, sei schließlich einmalig. Halb im Scherz meinte er, man müsse die Teilnahme vielleicht zur Pflicht machen für alle, die Konzertkarten besitzen.
Während unten im Pulverhaus das Gespräch zwischen Wille und Ulrich Windaus lief, probten eine Etage darüber bereits das Saxofon-Quartett und die Akkordeonistin. Von oben drangen einzelne Passagen in den Raum hinunter. Es wirkte vertraut und eingespielt, weil es nicht das erste gemeinsame Projekt war. Im Austausch mit dem Publikum betonten die Musiker später, wie stark sich der Klang der Saxofone mit dem des Akkordeons verbindet und warum sie immer wieder gerne miteinander auftreten.
Wille und Windaus nutzten das Gespräch auch, um einen Blick zurückzuwerfen. Entstanden ist Harz Classix vor zwölf Jahren aus einer Idee, die sowohl aus dem Braunschweig-Classix-Festival heraus als auch aus dem 100. Firmengeburtstag von Windaus-Labortechnik gewachsen war.
Repertoire an internationalen Künstlern
Gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Sympatec-Chef Dr. Stephan Röthele und Frank Langheim wollten Wille und Windaus in Clausthal-Zellerfeld eine Kulturveranstaltung schaffen, die über die Region hinausstrahlt, und zusammen „nach den Sternen greifen“. Heute kann das Festival auf eine beeindruckende Reihe internationaler Gäste zurückblicken. Dieser Ruf sorgte längst dafür, dass namhafte Künstler gerne in den Oberharz kämen.
Zum Schluss sprach Windaus noch vorsichtig über die kommenden Jahre. Der jetzige Vorstand, sagte er schmunzelnd, gehöre „eher zu den Silbernacken“. Neben seiner Sorge schwang aber auch Hoffnung mit. Erste Ideen für eine Verjüngung des Teams seien bereits da, auch wenn sie noch nicht spruchreif wären.
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.