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64 Tage auf dem Grünen Band

GZ Plus Icon„Jeder hat so seinen Tick.“ — Ehepaar wandert 1400 Kilometer

Los geht es: Am 31. Juli starten Uwe und Karla Siebels ihren Wandermarathon in Bad Elster an der tschechischen Grenze.

Los geht es: Am 31. Juli starten Uwe und Karla Siebels ihren Wandermarathon in Bad Elster an der tschechischen Grenze. Foto: Privat

Karla und Uwe Siebels haben etwas Verrücktes gemacht, sich damit aber einen Traum erfüllt: Sie sind das Grüne Band entlang gewandert, in einem Rutsch, 64 Tage lang, 1400 Kilometer weit. War das schwer? Gab es Momente, in denen sie aufgeben wollten?

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Von Holger Schlegel
Dienstag, 14.10.2025, 19:45 Uhr

Bad Harzburg. Ob das verrückt ist, in einem Rutsch, 64 Tage lang, das komplette Grüne Band, also die ehemalige deutsch-deutsche-Grenze zu erwandern? Natürlich. Aber mehr noch als verrückt, ist das beachtlich, bewundernswert, eine enorme Leistung und für Karla und Uwe Siebels die Erfüllung eines Traums. Nach einer Strecke von 1426 Kilometern kamen sie am Tag der Deutschen Einheit in Boltenhagen an – nachdem sie am 31. Juli in Bad Elster losgelaufen waren.

Uwe Siebels ist in Wandererkreisen kein unbeschriebenes Blatt. Der 65-Jährige ist Vorsitzender des Harzklub-Zweigvereins Bad Harzburg und auch als Wanderführer tätig. Mit seiner Frau Karla ist er auch oft privat unterwegs. Wanderurlaube sind für die beiden eine Leidenschaft, sei es auf Teneriffa, auf dem Rennsteig oder in den Alpen, die die beiden schon überquert haben. „Im Urlaub wird gewandert“, sagt Karla. Aber natürlich nicht so, wie jetzt.

Ein lang gehegter Wunsch

Das Grüne Band stand schon lange auf dem Tourenplan des Ehepaars, es war nur eine Zeitfrage. Die stellte sich nicht mehr, als Uwe Siebels Ende vergangenen Jahres in Rente ging. Seit 2022 schon liefen die Vorbereitungen für die Mega-Tour, im Februar dieses Jahres wurde es dann ernst. Karla Siebels suchte und buchte sage und schreibe 60 Übernachtungen entlang der Strecke, immer im Abstand von 20 bis 30 Kilometern.

An vielen Stellen des Grünen Bandes sind die ehemaligen Grenzanlagen als Mahnmal erhalten geblieben.

An vielen Stellen des Grünen Bandes sind die ehemaligen Grenzanlagen als Mahnmal erhalten geblieben. Foto: Privat

Dazu wurden noch andere Details überdacht: Wo gibt es eine Bank, wenn Geld gebraucht wird? Wo eine Apotheke? Wo kann man essen? Natürlich war das keine Wanderung durch eine unbewohnte Wüste oder einen Dschungel in einem fernen Land, sondern es ging ja schon durch die Zivilisation. Aber die war halt manchmal ein bisschen weiter weg. Denn die deutsch-deutsche Grenze verlief durch einsame Gegenden, und das Grüne Band ist nicht umsonst auch ein Naturschutzprojekt, das die unberührte Natur erhalten soll.

Der Tag der Deutschen Einheit

Und noch ein Aspekt musste beachtet werden: Das geografische Ziel war klar, Boltenhagen ganz im Norden der Republik. Die Frage war nur, wann es losgehen soll und wann es endet. Immerhin ist die Rede von einer wochenlangen Tour. „Das Frühjahr haben wir verworfen, da wandert man in die Sommerhitze“, so Siebels. Echte Wanderer bevorzugen sowieso eher den September, so auch das Ehepaar Siebels. Und dann stand fest: Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, sollte die Ankunft in Boltenhagen sein. Einmal zurückgerechnet, ergab das den Starttermin 31. Juli.

Und dann war es soweit. Bei hochsommerlichen Temperaturen wanderten Uwe und Karla Siebels im Süden der Republik in Sachsen nahe der tschechischen Grenze los. Mit welchem Gepäck? Die beiden sind erfahren genug, um zu wissen, was zum Wandern dazugehört: Eine gute Regenjacke, etwas zum darunter ziehen, wenn es mal frisch wird, Stichwort „Zwiebeltechnik“.
Das Grüne Band verläuft von Bad Elster im Süden bis an die Ostsee.

Das Grüne Band verläuft von Bad Elster im Süden bis an die Ostsee. Foto: Nationales BUND Kompetenzzentrum

Dann natürlich gute, aber eingelaufene Wanderschuhe, einen Hut als Sonnen- und Regenschutz. Nur wenige Wechselklamotten und ein paar leichte Barfußschuhe, wenn es am Abend am Etappenort mal zum Essen gehen sollte.

Wäschewaschen im Hotelzimmer

Nach einer Weile, so erzählt, Karla Siebels, stellten die beiden dann fest, dass sie trotz aller Erfahrung ein wenig zu viel mitgeschleppt hatten. Also wurden kurzerhand ein paar Sachen aus den Rucksäcken genommen und nach Hause geschickt. Zwei zusätzliche Jacken zum Beispiel. Weiter ging es mit wenig, aber auch nicht ganz so leichtem Gepäck. Die Rucksäcke waren durchaus schwer. Obwohl die Siebels natürlich keine Klamotten für die komplette Zeit dabei hatten. Abends im Hotelzimmer wurde gewaschen.

Kein durchgehender Wanderweg

Schnell stellten die beiden fest, dass das Grüne Band zwar bundesweit beworben wird und bekannt ist, es aber nicht aus einem einheitlichen Weg besteht. Das hatten sie auch gar nicht erwartet. Dass jedoch so oft mittendrin wilder Wald auftaucht, Felder in Privatbesitz und eingezäunt sind, und es hier und da auch über Stock und Stein geht, überraschte dann doch. Man habe gemerkt, in welchen Gegenden sich Vereine, Kommunen oder Privatleute um das Grüne Band kümmern, erzählt Siebels. Immer wieder tauchten ehemalige Grenzanlagen auf, der Kolonnenweg war mal mehr, mal weniger erhalten, es gab Museen, Schautafeln. Auf dem Grünen Band, so Uwe Siebels, erlebe man alles: Tourismus, Geschichte und ganz viel Natur. „Man merkt, dass dort vieles bis 1989 unberührt war.“


Karla Siebels an einem ehemaligen Stück des Eisernen Vorhangs.

Karla Siebels an einem ehemaligen Stück des Eisernen Vorhangs. Foto: Privat

Manches ist auch noch heute Wildnis: Immer wieder ging es einfach nicht weiter und es musste ein Umweg genommen werden. Nie riesig, aber immerhin. Das Handy als Navigationsgerät tat da gute Dienste. Theoretisch, so erzählt Uwe Siebels, könnten sie ein Buch schreiben über das, was sie erlebt haben. Keine riesigen Abenteuer, aber viele Begegnungen mit Menschen, die an der ehemaligen Grenze leben, sie noch aus den DDR-Jahren oder sogar noch aus der Zeit davor kennen. Da hörten die beiden Bad Harzburger viele Geschichten.

Eine Nacht auf dem Brocken

Nur andere Wanderer, die ebenfalls das Grüne Band erkundeten, trafen sie selten, nur einmal kam ihnen ein Mann entgegen, der die gleiche Strecke abriss. Allerdings in die andere Richtung. Also waren Uwe und Karla Siebels meist allein unterwegs.

Nur nicht mehr, als sie in den Harz kamen. Da schlossen sich dann immer wieder Harzklub-Mitglieder an und begleiteten das Marathon-Paar. Das war auch die Etappe, in der die beiden zu Hause übernachteten, abgesehen von einer Nacht auf dem Brocken, die musste sein.

Auf jede Etappe gefreut

Die Abstecher nach Hause blieben aber kurz und immer so, „als ob wir im Hotel übernachteten“, so Uwe Siebels. Die beiden ließen sich von Bekannten abholen und nach Hause bringen, um morgens gleich wieder zur Strecke gefahren zu werden. Der Rhythmus sollte nicht unterbrochen werden. Denn der, so haben die beiden schnell festgestellt, sei wichtigst. Dann bleiben Spaß und Motivation erhalten. „Es habe keinen Morgen gegeben, an dem es uns schwerfiel, nun wieder los zu müssen. Wir haben uns immer auf die nächste Etappe gefreut“, sagt Karla Siebels.

Kondition ist natürlich wichtig

Und wie war das mit der Kondition? Nach einigen Tagen habe man sich an das Wandern gewöhnt, so Uwe Siebels. Wobei solch eine Tour nichts für Ungeübte sei. Und natürlich gab es auch mal Blasen oder kleinere Blessuren, aber nichts Gravierendes, was nicht unterwegs versorgt werden könnte.

Geschafft: Nach 64 Tagen und 1400 Kilometern kommen Karla und Uwe Siebels in Boltenhagen an.

Geschafft: Nach 64 Tagen und 1400 Kilometern kommen Karla und Uwe Siebels in Boltenhagen an. Foto: Privat

Und dann war es soweit: Nach zwei Monaten und mehr als 1400 Kilometern am Stück kamen Karla und Uwe Siebels pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit in Boltenhagen an. Dort erwarteten sie ihre Kinder, aber einen großen Bahnhof gab es nicht. So bekannt ist das Grüne Band dann wohl doch nicht, und so berühmt sind Wanderer, die es in einem Rutsch erlaufen, ebenfalls nicht. Wobei das auch gar nicht die Absicht des Ehepaars war. Allerdings gibt es einen lockeren Zusammenschluss von Menschen, die das Grüne Band erwandert haben. Doch meist nur in Etappen, selten in einem Stück, wie die Siebels. Aber, wie sagt Uwe Siebels so schön:

DAS GRÜNE BAND

Das Grüne Band Deutschland ist das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt: Es wurde auf Initiative des BUND Naturschutz in Bayern 9. Dezember 1989, kurz nach dem Mauerfall und der friedlichen Revolution, ins Leben gerufen. Es bezeichnet den Geländestreifen zwischen ehemaliger innerdeutscher Grenze und den Grenzanlagen auf östlicher Seite. Der 1393 Kilometer lange und 50 bis 200 Meter breite Geländestreifen soll ein Grüngürtel bleiben beziehungsweise es wieder werden. Der Geländestreifen reicht von Travemünde bis zum Dreiländereck bei Hof. Das Grüne Band ist der größte Biotopverbund Deutschlands. Auf seinen Flächen mit den dazugehörigen über 150 Naturschutzgebieten kommen mehr als 1200 in Deutschland bedrohte Tier- und Pflanzenarten vor.

Nicht nur Naturschönheiten gilt es zu ent­decken, auch Zeugnisse der jüngsten Geschichte werden sichtbar. Zwar sind Mauer, Stacheldraht, Minen und Selbstschussanlagen abgebaut, aber Grenzmuseen und -denkmäler machen diese Geschichte lebendig und werfen einen Blick in die dunkle Vergangenheit. Quelle: BUND

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